Honorardumping

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

radiohexe

Benutzer
Hallo,

vielleicht hat ja einer von Euch den letzten "Journalisten" gelesen, da gab es einen Artikel über das Preisdumping (eigentlich über Tageszeitungen, lässt sich aber auch auf unsere Branche runterbrechen).
Im Wesentlichen lautete der Inhalt so: Front machen gegen den Preisverfall, dafür lieber die eigenen Qualitäten hervorkehren und Fachwissen gezielt einsetzen. Dann wird der Freie für die Zeitung (rspt. den Radiosender) unersetzlich und das Thema "sinkende Honorare" erledigt sich von ganz allein.
Für diesen Artikel verdienen unsere Freunde von der Gewerkschaft ganz sicher einen Preis für "Political Correctness". Aber ob sich das in der Wirklichkeit so umsetzen lässt?! Meine Erfahrung zeigt mir, dass Chefs gern auf solches Wissen verzichten, dafür weniger Geld ausgeben. So werden Aufträge gegeben, und was der Journalist nicht schon an Haus-Wissen mitbringt, muss er sich eben bei der Recherche aneignen. Und Platz für Details ist ja momentan nirgendwo. Ergo geht der nächste Auftrag wohl eher nicht an Meckerer mit Wissen, sondern an Willige mit Halbwissen und Bereitschaft, dafür mehr zu recherchieren. Davon quillt der Markt über.
Also: haben wir Journalisten wirklich die Möglichkeit, gegen die unverschämt sinkenden Honorare vorzugehen? Oder verfehlen die Gewerkschaftskollegen ein wenig die Wirklichkeit?
Die Hexe
 
Solange es genug "radiogeile" Kids zwischen 18 und 20 gibt, die sogar bereit wären, umsonst die ganze Nacht durch zu moderieren: NEIN!

Sorry, dass ich es gewagt habe, so deutlich zu sprechen. Aber ich denke, es ist die Wahrheit.
 
Guter Analyst! Es ist leider so - auch im redaktionellen Bereich. Die News-Aufsager werden vom Inhouse-Prakti gesprochen - mit Agenturinhalten. Beiträge gibt es ohnehin kaum noch, weil sie bei manchen Formaten nicht mehr reinpassen - aber besonders weil sie Geld kosten. Die Ausnahme: Die kostenlosen Beiträge, angefangen bei Stiftung Warentest über ors bis hin zu den Bahn-Beiträgen - das ist das eigentliche Dumping.
Live-Berichterstattung ist deshalb ohnehin gestrichen - weil dabei das Dumping nur begrenzt funktioniert.

Es ist so: Privatradio hat sich vom Journalismus verabschiedet - es geht dabei ausschließlich ums Geld und nicht um Inhalte. Wenn sich das allerdings viele Verantwortliche früher schon mal vor Augen gehalten hätten, könnten sie sich heute wahrscheinlich sogar ein bisschen Journalismus leisten....
 
@ Media-Analyst

Recht hast Du! Und Du kannst den Konditional ruhig rausnehmen - Fakt ist, dass es genügend junger Menschen gibt, die sich die Nächte KOSTENLOS in Radiostudios um die Ohren schlagen unter dem Vorwand, damit "Erfahrung zu sammeln".

Nichts gegen Sich-selbst-Ausprobieren für lau - wenn es heißt "Mach doch mal ein paar Shows zur Probe und wenn Du gut bist, setzen wir Dich auch weiterhin - gegen Bezahlung - ein", dann finde ich das vollkommen okay! Aber wenn von vornherein schon klar ist, dass kein Job mehr frei ist und auch keiner frei sein wird, finde ich das einfach nur schwachsinnig - zu Lasten der (bisher) bezahlten Kollegen, die durch solch unsoziales Verhalten unter Druck gesetzt werden, frei nach dem Motto "XY macht's quasi genauso gut wie Du und zwar für lau - also entweder Du akzeptierst den neuen (niedrigeren) Preis oder Du bist weg vom Fenster".

Aber nun denn - jeder muss es ja im Endeffekt selber wissen...
 
Na jetzt doch mal Butter bei die Fische: Was wird denn gezahlt?

- Moderation
- Newsred
- Live-Korri
- Beiträge

Los, haut rein, bringt uns die Marktübersicht!
 
Die gibt's schon:

<a href="http://www.journalismus.com/job/honorare/index.php" target="_blank">http://www.journalismus.com/job/honorare/index.php</a>
 
Ich weiß, aber das ist sehr ÖR-lastig - mich würde wirklich mal eine Marktübersicht der Privaten interessieren.

@Hexe: Die Frage </font><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><hr /><font size="2" face="Verdana, Arial"> verfehlen die Gewerkschaftskollegen ein wenig die Wirklichkeit? </font><hr /></blockquote><font size="2" face="Verdana, Arial">bringt mich zum Schmunzeln. Was haben denn Gewerkschaften mit der Wirklichkeit zu tun? Sie sind derzeit die günstigste Rechtsschutzversicherung - aber sonst?
 
30 - 40 EUR pro MOD-Stunde bei ffn. Das kann man hier ohne weitere Worte stehenlassen. Mit einer Träne!

Wie hat man mir das beim Vorstellungsgespräch in Berlin letzten Februar erklärt: Der Markt ist voll.
 
Naja, es ist auch keine Besonderheit des Radios, dass Billiglöhner oder Praktikanten den Markt kaputtmachen. Fragt mal die Leute auf dem Bau.

Abgesehen davon muss ich ehrlich sagen, dass mir meine Freunde von den Privaten ein wenig leid tun (alles feste Größen) - unter deren Salär kommen Billiglöhner auch nicht mehr.
 
@ berlinreporter:

Dachte, du wärst beim ör zufrieden - so,wie es jetzt ist. Oder willste auf einmal zum privaten wechseln? vielleicht zu Arno?
 
Ich muss ehrlich sagen, dass mein Mitleid mit den gnadenlos unterbezahlten "Medienmitarbeitern" grenzenlos ist.

Jahre der Völlerei verursachen nunmehr eine weinerliche Entsetzensbekundung.

Sorry - aber 40 EUR/h ist wirklich ein Hungerlohn - dafür würde meine Putzfrau und 80% der Restbevölkerung nicht einmal aufstehen.

Ich bin gerne bereit zu spenden - schließlich muss die gelieferte Qualität auch bezahlt werden - also her mit Euren Bankverbindungen!
 
@ RCD: Auch in diesem Thread gilt: Polemik ersetzt nicht Sachkenntnis.

40 Euro/Stunde klingt natürlich viel, bezieht sich aber bekanntlich nur auf die On-Air-Stunden. Gehen wir mal von einem 4-Stunden-Sendetag aus (was schon recht hoch angesetzt ist), dann sind das 160 Euro pro Tag. Allerdings brutto.

Wenn Du das ins Monatsnetto umrechnest, wirst Du feststellen, daß Deine vermutlich schwarzarbeitende Putzfrau zum Ultimo wohl eher mehr in der Tasche hat.

Zudem muß man die Relationen in der Branche beachten: Für 40 Euro/Stunde würde bei den Öffentlichrechtlichen vermutlich gerademal der Pförtner antreten.

Mir ist von einem ÖR-Moderatoren einer nicht eben reichen Anstalt berichtet worden, daß er für vier Stunden Moderation 700 Mark bekam; 1.100, wenn er die redaktionelle Vorbereitung miterledigt hat. Und das war kein landesweit bekannter Star...
 
@clubby-baby: Wolltest Du schreiben: @Star69 ? Oder hast Du Dich nur inhaltlich vertan?

@RCD: Ich gebe Dir recht - es wird oft auf hohem Niveau gejammert. Aber 40 Eu die Stunde ist ja auch schon recht ordentlich für Privatfunk. Ich weiß von Volos, die für unter 1000 Eu brutto im Monat 5 mal 5 Stunden pro Woche moderieren - plus Vorbereitung und Zusatzarbeiten, minus Abgaben - da bist Du ganz schnell unter McDonalds-Stundenlohn. Allerdings ist es nominell eine Ausbildung - allerdings ohne Ausbildung sondern mit "learning by doing".
Und denk auch mal an diejenigen, die vor nicht allzu langer Zeit als "Feste Freie" gearbeitet haben. Die werden oft mit Minimal-Löhnen abgespeist und sitzen zudem noch auf der gesamten Abgabenlast plus Spritkosten usw.

@Hexe Den Begriff "unersetzlich", den Du zitiert hast, den gibt es im Privatfunk wohl nicht mehr. Eben weil die "Unersetzlichen" zu teuer sind.
 
Danke an hexe, media-analyst und berlin-reporter!!
ich schliese mich dieser Meinung voll un ganz an.

was allerdings - neben den persönlichen Folgen -viel graviender ist: Die Qualität im Journalismus/Medien sinkt auf ein Niveau, dass es für einen auch nur etwas gebildeten Menschen unerträglich wird. Und damit verspielen solche Unternehmen jede Menge, was zur Folge hat dass das Ansehen der Medien weiter sinkt, welches dann wiederrum zur Folge hat, dass weniger Geld für Werbung ausgegeben wird. Und hier beisst sich die Katze dann in den Schwanz....

Ein Tipp für alle, die diese achso tolle praktische Erfahrung unbededingt brauchen: In ganz Deutschland gibt es Offene Kanäle, Medienwerkstätten, Bürgerradios, weiss der Kuckuck. Bitte tobt Euch dort aus und wenn Ihr ernsthaft Geld verdienen wollt, dann kommt zu den privaten oder auch öf-re. Aber macht den Profis nicht das Geschäft kaputt.
Was nicht heisst, dass ich gegen Konkurrenz bin - im Gegenteil.

Mehr über die Praktis, die für umme wörken, hier:
<a href="http://www.journalismus.com/_foren/list.php?f=19" target="_blank">http://www.journalismus.com/_foren/list.php?f=19</a>
 
*hüstel*

3500 EUR brutto im Monat bei "bescheidener" Rechnung finde ich mehr als angemessen.

Wenn man mal davon absieht, dass die Branche eigentlich jahrelang überdimensional verdient hat, mag das als Einbruch erscheinen...

... aber - was wird denn dafür geleistet? Woher soll denn die Berechtigung kommen, so sehr überbezahlt zu sein?

Der Markt ist einfach überschwemmt - nunmehr muss sich Qualität gegen Größenwahn durchsetzen... Da kann ich nur sagen:

Willkommen im realen Leben....
 
Sicher bezahlen die ÖRAs i.A. mehr, als die Privaten: mit vollen (Gebühren-)Hosen läßt sich´s eben gut stinken! Vergeßt aber bitte auch nicht, daß manche Morgen-DJs bei den großen (Privat-)Sendern ein erkleckliches Sümmchen verdienen, so im fünfstelligen Bereich! Und: 40 €/Stunde für einen Berufsanfänger, der womöglich nebenbei noch studiert, ist doch eine Menge Geld. Das mußt du mit Taxifahren erst einmal reinkriegen!

<small>[ 09-04-2003, 20:51: Beitrag editiert von Rösselmann ]</small>
 
Das Interessante ist ja, dass doch eine höher qualifizierte Arbeit zumeist auch besser bezahlt wird - d.h je mehr Leute etwas können, desto weniger ist diese Leistung wert. Im Umkehrschluss hieße das ja, dass heutige Mitarbeiter im Privatfunk deutlich weniger qualifiziert wären als frühere.

Und wenn ich mir das nochmal durchlese, habe ich den Eindruck: Stimmt!

Denn eine Arbeit wie bei McDoof, die 5€ die Stunde wert ist, können nun mal sehr viele Leute problemlos verrichten. Und das, was die besser Qualifizierten unterscheidet, ist ja eh nicht mehr gefragt.
 
@ berlinreporter: Stimmt. Habe gerade, weil Fahrgast im fremden Auto, r.s.2 hören müssen. Na gut, man muß schon fast dankbar sein, wenn nach 23 Uhr im deutschen Privatradio noch live moderiert wird, aber entschuldigt das verschluckte Wortenden, unnütze Füllwörter und verkorkste Formulierungen?

Aber wie hier schon mehrfach festgestellt wurde: Den "Hörern" ist es doch sowieso egal, weil sie eh am liebsten dreiundsechzigsuperhitsnonstopimabwechslungsreichstenmixausachtzigernneunzigernunddembestenvonheute hören wollen.

Zudem: Je weniger der oder die im Radio die Muttersprache beherrscht, um so eher hat der Mensch vor dem Radio das Gefühl, dazuzugehören...
 
Oh Du Bedauernswerter - und Du durftest nicht aufs Knöpfchen drücken? Hoffentlich erfahren das die Amis nicht - sonst behaupten sie sofort, in Deutschland seien Folter und Massenvernichtungswaffen an der Tagesordnung - und schon steht die nächste Station der Marines fest.
 
Schon o.k., keine Gefahr. War eine interessante Erfahrung.

Irgendwie wollte ich auch gar nicht wegschalten. Ist wie bei einem Autounfall - man verspürt Brechreiz, kann aber nicht aufhören, hinzuschauen...

Im übrigen brauchen die Amis (und nicht nur die) sich nur mal ein paar Tage lang durch die deutsche Radiolandschaft zu zappen, um zu dem Schluß zu kommen, daß Folter hierzulande an der Tagesordnung ist.

Hmmm...

Wenn die USA und Großbritannien hier eingriffen - das brächte uns doch AFN und BFBS wieder, oder?

Klingt irgendwie sehr verlockend!

<small>[ 10-04-2003, 01:13: Beitrag editiert von Makeitso ]</small>
 
Wer Radio macht, braucht keine Journalisten.
Klingt bitter, ist so. Fertig. Zumindest wenn man beim Privatradio arbeitet. Da ist es schon die Gnade des PDs, wenn ein Beitrag gesendet wird. Es ist schon reichlich dreist, dafür auch noch Geld zu verlangen.
Beim Nachrichten machen werden die Preise ebenfalls "nach unten korrigiert", weil es ja nicht mehr viel zu tun gibt. Wer selbst telefoniert, ist auch selbst schuld. "Das kommt wahrscheinlich über dpa, bis dahin können wir warten." ...und für diese Warterei muss wirklich niemand, mehr bezahlt werden.
Leider gibt's auch Kollegen, die zwar nicht bewußt, wohl aber wissend die Preise drücken. "Ich moderiere. Mal sehen, was der Chef dafür löhnt." Natürlich ist es weniger als bei den anderen mit der Begründung, er fange ja auch erst an mit dem Job. Den anderen Moderatoren gegenüber hört sich das so an: "Der X ist echt gut - und der macht das auch für einen echt guten Preis. Du jetzt auch."
Was will man also machen, wenn man als Journalist Radio machen will, im Privatfunk mit lauter (journalistischen) Torfnasen zusammenarbeiten muss, und der ÖR über eine satte Personaldecke verfügt? ...Taxi fahren und bei McD Burger verkaufen.
 
ich denke man sollte dieser diskussion mal eine kleine wendung geben. der begriff der meines erachtens unumgänglich ist heißt "antizyklisches denken". will sagen: klar sind viele pks nicht mehr gewillt hohe löhne zu bezahlen, wenn es auch sparsamer geht. allerdings gilt hier wieder "wie verpflegt so bewegt. billige arbeitskräfte bringen auch arme ergebnisse. wie macht man den pks also klar, dass arbeitskräfte gut (und damit natürlich etwas teurer) sein müssen um a) hörer zu ziehen, ihren sender damit b) für werbekunden attraktiver zu machen, und dadurch c) wieder aus dem finanziellen schlamassel zu ziehen. wärend einer rezession muß man investieren, das lernt jeder popel im wirtschaftsgrundkurs in der schule.

schlimmster aktueller fall von dem ich neulich gehört habe ist folgender:

in nürnberg hält sich hartnäckig das gerücht, dass star fm einem neuen angestellten (die auswahl ist ja hier nicht so groß) für einen 20-stunden vertrag gerademal 500 € monatlich geboten hat. hier sind wir zum einen wieder beim thema radiogeile schüler (siehe weiter oben in dieser diskussion) die vielleicht besser woanders hingehen bevor sie anderen den job wegnehmen und auch noch die preise kaputt machen. zum anderen ist vorprogrammiert, dass dieser sender mittelfristig wohl kaum einen stich machen wird. da man sich ja standhaft weigert vernünftig zu zahlen (und dadurch auch keine vernünftigen mitarbeiter bekommen wird) wird sich auch die hörerschaft weigern hinzuhören.

die frage ist nur: wie macht man den verantwortliche klar, dass qualität einfach ihren preis hat?
 
Tja, und der Markt läßt das eben leider durchgehen. Glaubt Ihr vielleicht, daß auch nur ein Hörer von "Energy", "Jam FM" oder "star FM" den Sender abschaltet, weil die Moderatoren nicht gut genug sind? Alles, was die "Hörer" interessiert, ist die Musik - da können die 20 Sekunden Moderation alle 8 bis 10 Minuten sein, wie sie wollen.

Schlechte Zeiten für Qualität...
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben