Das ist aber, so ehrlich müssen wir zu uns selber sein, ein gesellschaftliches Problem, dem sich die Sender zumindest nicht verweigern (auch das würde Kritik auslösen).
Ich finde, zu sagen, dass es nun mal der Lauf der Zeit sei, dass die Öffentlich-Rechtlichen gerade hilflos, unoriginell und fast schon auf rührende Weise verzweifelt dem Oberflächlichkeitstrend aus den sozialen Medien hinterherhechten – damit macht man es sich entschieden zu einfach.
Und ja, selbstverständlich scrolle ich durch Insta und co.! Sehr gern sogar. Auch wenn es in letzter Zeit wirklich immer dümmer wird – oder habe ich etwa meinen Algorithmus nicht gewissenhaft genug erzogen und der recht sich jetzt mit einer bizarren Fülle von shorts über die berittene königliche Garde an mir?
Früher, als das noch gut war, hatte ich übrigens beim News Feed - zappen am liebsten mein Radio laufen. Oder nein, eigentlich war es andersherum: Ich hatte das Radio an und habe nebenbei ein wenig selbstvergessen herumgescrollt … damit der Daumen trainiert bleibt.

Am Ende des Tages die handverlesenen, gut aufeinander abgestimmten Songs der HR1-Abende genossen – Musik ist einfach die beste Medizin – und dabei ein wenig durch die Timeline gegondelt und geschaut, was die Vierbeiner von idealerweise verantwortungsbewussten und liebevollen Tierhaltern so treiben.

Und genau das ist doch gerade das Gute am Radio: Man muss sich der Knechtschaft von Social Media gar nicht entziehen, man kann das ganz wunderbar kombinieren. So wie man auch allerhand andere wunderbare Dinge tun kann, während das Radio läuft.
Gerade deshalb hat das Medium ja so einen besonderen Charme, weil es die Menschen in nahezu jeder Lebenslage zu begleiten vermag. Es ist zeitlos, egal auf welchen Rädern das Vehikel nun fährt (Internetradio findet ja auch im Internet statt – also genau dort, wo alle auf Teufel komm raus hinströmen, weil der Bär unserer Zeit nun einmal auf TikTok steppt … stilecht mit Käse auf dem Kopf
https://share.google/mymi7evMCNDhmCBVi).
Das Prinzip Radio als solches kann für mich eigentlich überhaupt nicht altmodisch sein. Audio-Live-Tages-Begleitung, -Unterhaltung und -Information. Man könnte so feine, absolut zeitgemäße Dinge damit anstellen, wenn man es halt mal kurz aus den Angeln heben, ordentlich den Staub abschütteln, gründlich lüften und dann mit neuen Farben wieder in die Welt hinausblasen würde. Und vor allem wenn man den kreativen Köpfen Raum für Charakter, Witz, Persönlichkeit und Individualität geben würde! Statt von ihnen zu erwarten, dass sie ihre Persönlichkeit an der Forte zum Funkhaus abstreifen und Clonarmee mäßig austauschbar agiert.
Soziale Medien per se sind für mich aber auch überhaupt nicht das Problem, und ich verstehe nicht, weshalb daraus so eine Entweder-oder-Diskussion werden muss. Radio oder Mark Zuckerberg.
Und vor allem: Radio und Social Media könnten Hand in Hand arbeiten, und gerade die Radioshows, die die Menschen zuletzt noch ganz besonders begeisterten, waren doch oft die interaktiven! Die zum mitmachen, mitreden und einbringen.
Ließe sich da denn nicht auch aus einer Radioshow so viel mehr sozialmediale Interaktion herausholen?! … Wenn Florian Hager, die Spaßbremse, nicht entschieden etwas dagegen hätte, versteht sich.
Und sowieso: Auf Social Media gibt es ganz fantastische Menschen, die die Möglichkeiten dort auf wunderbare und bereichernde Art und Weise nutzen – und die mich inspirieren, bilden, begeistern und meinen Horizont erweitern. Man muss sie zwar suchen, wie die berühmte Stecknadel im Algorithmus. Aber es gibt sie.
Vielmehr sind für mich die Begleitumstände dieser Plattformen das Problem – sprich: Wer hat das Ganze mit welchen Motiven in der Hand? Und … na ja … wie vielen Torten, die wie Gegenstände aussehen, wollen wir eigentlich noch dabei zusehen, wie sie angeschnitten werden?! (What? Und ich hätte schwören können, dass es ein echter Fußball ist!)
Bloß: Da kann es doch jetzt nicht der logische Schluss der Öffentlich-Rechtlichen sein, ebenfalls nur noch Inhalte zu produzieren, in denen eine Torte nach der nächsten angeschnitten wird …
Genau das Gefühl habe ich aber gerade, wenn ich die neuesten Dimensionen der bemerkenswert zielstrebigen Sinkflug-Karriere meines einst so klugen Radiosenders begutachte: Torte, Torte, Torte … nichts als Torte!
Und man beginnt sich zu fragen: Wie viel Torte kann das menschliche Hirn eigentlich vertragen, und ab welchem Sättigungsgrad beginnt das Kreuz auf dem Wahlzettel des Hirnbesitzers an den äußeren rechten Rand zu rutschen?
Politiker, die Öffentlich-Rechtlichen und wir als Gesellschaft haben ja offenbar alle keine zündende Idee, wie man den rasenden Zug davon abbringen kann, vor die unausweichliche Wand zu krachen.
Oder gibt es vielleicht doch kluge Menschen mit guten Ideen da draußen – und die sagen bloß nichts, weil sie Angst haben, ihren Job (z. B. beim ÖRR) zu verlieren, wenn sie einen eigenständigen Gedanken äußern?
Man hat ja das Gefühl, diese Art von Menschen verschwindet auf mysteriöse Weise nach und nach gänzlich vom Sender. Und niemand hat je wieder etwas von ihnen gehört …
Das wird er aber tun, der Zug – und vielleicht muss er sogar einmal kräftig entgleisen, damit wir es kapieren. Wir sind ja offenbar nicht so klug.
Aber dann stehen wir halt wieder da und weinen und sagen, dass es soweit gekommen ist, hätten wir doch nie gewollt …
Und genau bei dieser Sache mit dem Zug sehe ich die öffentlich-rechtlichen Medien ganz entschieden in der Pflicht, dieser Situation entgegenzuwirken! Genau dafür wurden sie schließlich mal gegründet, und deshalb zahlen wir unsere gottverdammten Rundfunkgebühren!
Man hat aber offenbar viel zu lange geschlafen und es nicht im Geringsten geschafft, die jungen Generationen angemessen abzuholen.
Wie auch, wenn jahrelang einfach nur der gleiche saudumme Vorabendkrimi in x-facher Ausführung für jedes einzelne Bundesland produziert wird? Worin unterscheiden die sich eigentlich? Im regionalen Dialekt?
Und ich würde mich nie hinstellen, so weltfremd sein und sagen, der ÖRR soll bitte nur Radio machen und sich aus Social Media raushalten.
Im Gegenteil: Zum aktuellen Entwicklungszeitpunkt der Katastrophe glaube ich, man muss ganz bestimmt dahin gehen, wo die Menschen sind, die man erreichen will – erreichen muss! –, damit wir nicht alle zusammen im nächste Straßengraben landen.
Aber doch bitte nicht so stümperhaft und dumm, so uninspiriert und verzagt.
Ich habe das Gefühl, Martin Wölke hat ein „Social Media für Dummies“-Buch an alle Mitarbeiter verschickt und zwingt die jetzt dazu, nach Schema F abzufragen, was wir früher in den 80ern am liebsten aus dem Kaugummiautomaten gefischt haben.
Also ich ja gar nichts – den größten Teil des Jahrzehnts habe ich als Quark im Schaufenster verbracht und Däumchen gedreht . Aber gegenüber von meiner Schaufensterscheibe stand so ein Kaugummiautomat, und ich hatte ja sonst nichts zutun, hab also genau zugeschaut und Buch geführt: ES WAREN DIE ROTEN, MARTIN! ES WAREN DIE ROTEN KAUGUMMIS AUF DIE ALLE SO SCHARF WAREN!
So, und nachdem wir das geklärt hätten, könnten wir uns bitte alle wieder einkrigen und darauf besinnen, was Journalisten für Kernkompetenzen und der ÖRR für eine Aufgabe hat?!
Es kann und darf doch nicht das Ziel des ÖRR sein, sich dem tieffliegenden Niveau anzupassen.
Und damit meine ich nicht, dass überall nur Chopin gespielt und Nietzsche zitiert werden sollte.
Aber gerade hat man ja das Gefühl (jedenfalls wenn die Spekulationen um die Gründe des Verschwindens von beliebten Moderatoren aus dem HR1-Tagesgeschehen stimmen), dass all jene, die so etwas wie Persönlichkeit, Witz, Intelligenz und die Fähigkeit zu eigenständigem Denken hatten, diskret von der Bildfläche verschwinden – und durch Akteure ersetzt werden, die … na ja, ich will hier niemandem zu nahe treten – aber sagen wir mal: irgendwie mit der Abwesenheit von Persönlichkeit zu glänzen wissen….
….Oder es sich eventuell auch einfach nicht trauen, eine zu haben, weil sie vielleicht wissen, dass sie sonst in irgendeinem dunklen Keller verschwinden würden – und niemand würde je wieder von ihnen hören …
Zumindest liest es sich hier im tread ja irgendwie so oder so ähnlich …
Ich finde, „wir müssen ja mit der Zeit gehen“ und „es würde sonst gesellschaftlichen Widerspruch geben“ ist ein Narrativ, das entschieden hinkt und mit dem man ja doch nur den Abbau von Substanz und Qualität im Radio zu rechtfertigen versucht.
Es ist aber doch irgendwie so ähnlich, als würde ein Lemming sagen: Ich musste ja in den Abgrund springen – die anderen vor mir haben es ja auch gemacht.
Und damit meine ich nicht, dass ich dafür bin, Leute zu bekehren oder zu erziehen. Das ist schließlich immer der Beginn allen Übels dieser Welt – das weiß doch jedes Kind.
Aber erreichen sollte man sie! Bewegen sollte man sie! Inspirieren sollte man die Menschen! Und ihnen verflucht nochmal auch etwas zutrauen, was jenseits von Torte existiert!
Es darf ja ruhig ein wenig Torte dabei sein – niemand hat was gegen Torte, Torte ist echt super! Aber nur ein Dummkopf würde sich ausschließlich von ihr ernähren, oder?
Wir wissen alle, was eine ausgewogene Mahlzeit ist!
Und es kann gelingen, dieses Rezept, ohne dass man Menschlichkeit, Integrität und Intelligenz verwirft. Da bin ich mir absolut sicher.
Die Menschen da draußen, die sich mit dem ÖRR nicht mehr verbunden fühlen und vor denen man sich nun plötzlich erschrickt, weil sie eine Zahl angenommen haben, die man nicht mehr ignorieren kann – man hat sie viel zu lange ignoriert.
Aber deshalb kann es doch nun nicht die Lösung sein, ihnen in den Allerwertesten zu kriechen.
Das ist doch dumm und wird das Problem nicht lösen.
Viel wichtiger wäre es doch, deren Nöte, Sorgen und Ängste aufrichtig ernst zu nehmen!
Das wird man aber nicht schaffen, indem man „wir müssen bei den Menschen sein“ wie ein verzweifeltes Mantra herunterbetet, während man doch gleichzeitig all jenen, die sich aufrichtig und glaubhaft um ein „bei den Menschen sein“ bemühten, die Existenzgrundlage unter den Füßen wegzieht.
Ein ARD-Hoodie allein macht keine Volksnähe, Florian!
Ganz besonders, wenn man nicht bereit ist, den Massagesitz aus dem Dienstwagen zu entfernen.
Denn dann ist man am Ende doch nur ein Wolf im Schafspelz.
Und auf Massagesitzen sitzende schafbepelzte Wolfsgetiere sind es doch, die die Nöte, Sorgen und Ängste der Menschen erst verursacht haben – mit ihrer massagesitzigen Gierhaftigkeit!