Mal eine Plauderei aus dem Nähkästchen und von einer, die es unmittelbar selbst erlebt hat.
Ich war viele Jahre sehr engagierte Moderatorin und Redakteurin, fast nur bei ÖRs. Damals, in meinen 20ern und frühen 30ern. Mitte der 2010er kam dann der Umbruch: Sender haben massiv Leute entlassen, gekürzt und gespart, wo es nur ging und, wenn überhaupt, nur noch eigene Volos beschäftigt. Die Beschäftigungsbedingungen waren damals allerdings schon unterirdisch. Sie wollten die eierlegende Wollmilchsau, die mit Mikro und Kamera rausgeht, was fürs Radio, Fernsehen und Online macht, dafür aber lächerliche (wirklich!) Honorare und keinerlei Sicherheiten bekommen sollte. Beim SWR war das beispielsweise so. „Nö“, habe ich mir gedacht, „dann muss ich mich leider woanders umsehen.“ So war es auch, und ich habe einige Jahre später einen Job gefunden, der zwar nicht viel mit Radio zu tun hat, wo aber die Fähigkeiten eines Moderators gefragt sind. Nun bin ich seit sieben Jahren in einer GmbH, habe eine unbefristete Festanstellung und ein Jahresgehalt von fast 70.000 Euro, Tendenz steigend und mit Nebeneinkünften auch noch mehr. Davon konnte ich selbst zu meinen Hochzeiten bei zwei ÖRs gleichzeitig nur träumen.
Inzwischen haben sich eben auch meine Bedürfnisse verändert. War ich in meinen 20ern absoluter Radio-Freak und hatte nur die Arbeit im Kopf, sieht die Sache mittlerweile anders aus. Wer irgendwann eine Familie gründen und vielleicht ein Haus bauen oder kaufen will, der kommt mit dem Beschäftigungsmodell eines Tagelöhners nicht weit. Wenn ich mir dann noch ansehe, dass der SWR selbst die Freien nur noch befristet beschäftigt und man spätestens nach zwei Jahren den Arschtritt kriegt – ja, wieso soll man sich denn überhaupt dort bewerben? Um ausgenutzt zu werden? Um jeden Monat aufs Neue vor dem neuen Dienstplan zu zittern in der Hoffnung, dass man noch drinsteht? Als Freier (von nichts anderem sprechen wir hier) ist man vogelfrei und hat keinerlei Rechte und keine Lobby. Kein Betriebs- oder Personalrat ist da, der für einen eintritt, wenn’s mal nötig ist (ich weiß, wovon ich spreche). Wenn dem Chef die Nase nicht mehr passt, sagt der halt: „Ich schmeiße dich nicht raus. Ich kaufe nur deine Leistungen nicht mehr ein.“ Exakt das wurde mir von einem Chef entgegengeschmettert.
Und da fragt noch ersthaft jemand, wieso keiner mehr zum Radio will?
Wenn Sender ernsthaft daran interessiert sind, wieder Leute zu kriegen, dann haben sie aus meiner Sicht eine Menge Hausaufgaben vor sich. Hier mal einige, die mir spontan einfallen:
- Festanstellungen (ja, auch beim ÖR im Programmbereich)
- Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall
- Kündigungsschutz
- feste Zusage für bestimmte Sendungen/Schichten
Von inhaltlichen Dingen will ich gar nicht erst anfangen. Hätte die aktuelle Generation junger (< 40) Radiomacher gewisse Freiheiten, was ihre Sendungen angeht (ja, auch die Musik, ihr lieben Musikredaktionen!) und würden die Programmdirektoren sich nicht mehr so stoisch an ihren Researches oder völlig unnützen und zerstörerischen Beratern festklammern, wären sie vielleicht auch wieder attraktive Arbeitgeber. Aber wieso soll man sich krummlegen in einem Programm, das so unterhaltsam ist wie ein Telefonbuch?
Das ist schade, das ist auch tragisch, aber leider die Wahrheit. Ich gebe zu: Auch mir juckt es ab und zu in den Fingern, und ich vermisse ein Mischpult unter selbigen und die Musik und die durchgeknallten Nerds, die in so mancher Redaktion noch um einen herumspringen. In der Gesamtbetrachtung bin ich aber doch ganz froh, meiner Familie und meinem Kind eine stabile Stütze sein zu können. Die Bank hat meinen Kreditantrag fürs Haus jedenfalls bewilligt. Und das ist mir unter’m Strich wichtiger, als irgendeinen Bullshit in ein Mikrofon zu pupsen, den sowieso niemand mehr ernstnimmt.