Gegenstromanalage war außer Landes und hat resultierend aus den dort gesammelten Erfahrungen ganz vernünftige Ansichten entwickelt, die es durchaus zu würdigen gilt; alle bis auf eine ganz wesentliche: Dennn wenn die Gegenstromanlage behauptet, dass DAB in Deutschland zum Scheitern verurteilt ist vergisst sie in Rechnung zu stellen, dass DAB in Deutschland nur die Vielfalt an musikalischen Stilrichtungen abbilden will, die es auf der deutschen Ultrakurzwelle nicht, auf der amerikanischen aber sehr wohl gibt.
Am Beispiel des Schlagers hat sich in letzter Zeit vor allem in Bayern bewahrheitet, was in allen Radiomärkten als Binse gilt: Nimm den Leuten etwas weg, an das sie sich in langen Jahren gewöhnt haben oder enthalte es ihnen hartnäckig vor und sie werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen um es an anderer Stelle konsumieren zu können. Lange war das nicht möglich, aber jetzt gibt es sogar mehrere dafür in Frage kommende technische Übertragungswege. Ähnliches gilt für Musikgattungen oder Interpreten, die nicht ins eigenartige 14-49-Hot-AC-Oldiestrickmuster der deutschen Radio-Werbeallianz passen - und im Prinzip haben doch 90% aller Menschen ihre eigenen musikalischen Vorstellungen, die im UKW-Band nicht mal ansatzweise befriedigt werden.
Niemand wird ernsthaft in Abrede stellen dass es das von mir häufig zitierte Werbekartell tatsächlich gibt und dass eingefahrene Denkweisen und starre Strukturen jeden Wettbewerb im Äther verhindern, zumal einige kollaborierende Großanbieter und ihre Exekutoren jeden möglichen wirtschaftlichen oder formattechnisch von der Verlegerformel abweichenden Konkurrenten sofort aus dem Feld schlagen; lässt sich ein "experimentierfreudiger" Neuanbieter nicht belehren, hetzen ihm die Zeitungsfürsten sofort einen Zwangsberater auf den Hals, der den Laden in Gutsherrenmanier umkrempelt, spielt der Rebell ganz und gar nicht mit, erledigen eben die zeitungshörigen Agenturen die Drecksarbeit und sorgen mittels Geldentzug für klare Verhältnisse.
So lief das bisher und von solchen Strukturen profitiert auch unsere "Gegenstromanlage", aber diese dirigistischen Methoden werden vom Hörernachwuchs mit Ignoranz gestraft und dank Neuorientierung ehemaliger Hörer langsam aber sicher ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage beraubt. Jetzt rächt sich das verengte Angebotsspektrum doppelt, denn die Jungen wenden sich den neuen Medien zu und die älteren (ungeliebten) Dauerhörer liebäugeln immer öfter mit DAB. Jahrelang standen die Radioanbieter in Zeitungshand, die genau wissen dass ihre Angebote im digitalen Umfeld nicht konkurrenzfähig sind, allen technischen Neuerungen feindselig gegenüber - schließlich wollte man Hörerwanderungen in die falsche Richtung verhindern und jüngeren Hörern jedwede Programmalternative verbauen, um am traditionellen "Printzuschussgeschäft" festhalten zu können.
Welche potentielle Werbezielgruppe bleibt dann noch übrig? Alle die altersmäßig dazwischenliegen, keine musikalischen Ansprüche haben, sich an den Einheitsbrei gewöhnt haben und mit Blick auf die neuen Technologien nicht gerade zu den "Early Adopters" gehören? Wie lange dauert es aber bis auch die umgestiegen sind und die hohen UKW-Fixkosten den Aufwand nicht mehr rechtfertigen, mittels dem über Doppelt- und Dreifachversorger Frequenzen blockiert werden um das Printradio konkurrenzfrei zu halten? Irgendwann ist der Umstieg selbst für die größten Trantüten so kinderleicht zu bewerkstelligen dass die unattraktive deutsche Ultrakurzwelle endgültig (wirtschaftlich) ausgedient hat.
Die jungen Radioleute, die Spotify mit klassischen Radiodienstleistungen komninieren wollen, setzen aufs richtige Pferd. Eigentlich hätten die großen Radioanbieter, d.h. Zeitungsverlage, schon längst eigene Musikdatenbanken für Social-Radio-Angebote mit personalisierten Streams in Auftrag gegen sollen. Aber daran hindert sie ihr fortschrittsfeindliches Geschäftsmodell, das am Ende doch vor die Hunde gehen muss. Auch das stellt vermutlich niemand in Abrede.
Die internetgebundenen Technologien sind eine tolle Sache, aber selbst die Gegenstromanlage wird nicht bestreiten können dass die Zeitungsverleger den Anschluss an die unüberschaubare Konkurrenz im Netz beinah schon verloren zu haben scheinen - wenn sie ihr Geschäftsgebaren nicht blitzschnell ganz radikal ändern - aber davon ist nicht auszugehen. Ehe man es mit Google und Apple aufnimmt schleift man lieber die Barrikaden und überlässt das stationäre Radiogeschäft anderen. Und die werden Erfolg haben! Mit DAB-Basisangeboten, die schon allein wegen der starken Stellung der Öffentlich-Rechtlichen, die keine neue Kostenschwelle akzeptieren dürfen (Providerentgelt), und wegen der immer billiger werdenden mobilen Kombi-Endgeräte zum Erfolg verdammt sind. Und mit ergänzenden Dienstleistungen im Internet.