AW: JUMP – Wie lange wird noch gehüpft?
Das Alleinstellungsmerkmal war doch jahrelang (schon beim Vorläufer MDR Life), daß der MDR lange Zeit kein und inzwischen ein nur eingeschränkt oder gar nicht (Thüringen, Sachsen) auf UKW empfangbares Alternativprogramm zu bieten hat. Schaut euch mal die auffallend guten Zahlen für MDR Info an, denkt mal über die Tatsache nach, daß in vielen Studenten-WGs beispielsweise Figaro (!), D-Kultur oder eben MDR Info bzw. auch der DLF laufen. In Berlin läuft in solchen WGs fast immer Radio Eins. MDR-Land ist rundfunkprogrammlich Notstandsgebiet.
Inzwischen ist es ja kein Alleinstellungsmerkmal des MDR mehr. Der hr ist auf dem besten Wege, ebenfalls zur komplett verbrannten Anstalt zu werden. Der SWR ist es aus meiner Sicht schon lange. Den NDR rettet das Nachtprogramm auf NDR Info, den WDR rettet WDR 5 und Funkhaus Europa. Der BR ist nahezu vorbildlich - konservativ zu sein, kann was wundervolles sein, wenn man halt an realen Werten festhält. Und der RBB hat auch noch vieles zu bieten, trotz aller Sparmaßnahmen.
Zumindest bei mir ist es so: gäbe es ein bundesweit auf UKW empfangbares Programm, das meine Vorstellungen von Hörfunk weitgehend befriedigt, ich hätte nix zu klagen und nix zu witzeln. Die eigentliche Brisanz bekommt die Sache nur, weil es regional zu solchen aufgesetzten, synthetischen und unsagbar dumpfen Programmen keine Alternativen gibt und ich mich schlichtweg in einer Umgebung, in der Programme wie Jump laufen, unwohl und absolut fehl am Platze fühle. Ohne Alternative schürt das durchaus massive Aggressionen bei mir.
In Berlin ist das anders. Ich saß vorhin in einer Billig-Pizza am Boxhagener Platz. Da lief Kiss FM und ich vernahm nicht viel außer einem wie auf Drogen wirkenden Typen, der mit wie dressiert wirkenden hysterisch kreischenden Kindern (Hörern?) am Telefon agierte, ich glaube sogar, in pseudo-Englisch. Worum es ging, weiß ich nicht. Ich nehme es zur Kenntnis, weiß, daß es nicht in meiner Welt stattfindet - und das wars dann auch. Ich habe nichtmal Mitgefühl mit den schwer neurotischen Hörern solcher Programme. Wobei: wer sowas zum Wegdröhnen seiner eigenen psychosozialen Defizite benötigt, könnte einen doch beinahe noch kurzzeitig zu einem gutväterlichen Ratschlag verleiten: versuchts mal mit guter Psychotherapie, es ist nicht heilbar, aber man kann lernen, damit besser umzugehen.
Den
nehme ich hiermit zurück, denn ich meine es ernst: wer beginnt, sich selbst wieder wahrzunehmen, wer begreift, daß er selbst für sein Leben verantwortlich ist und nicht die ganzen Leute da draußen mit ihren "Formungswünschen", wer sich soziale Netze aufbaut, in denen es um authentische Kommunikation geht und nicht um Smalltalk, auf den wirken solche kitschibunti-Programme nur noch grotesk. Und dauergrinsende Ansager oder noch breiter grinsende Werbestimmen, die Autos als Glücksbringer anbieten wollen, nahezu pervers. Und Michael Jackson wird zu einer zutiefst tragischen Gestalt, die alles mögliche, nur kein Vorbild ist. Drogen-Amy ebenso, mitsamt der Industrie dahinter, die an den Neurosen der Menschen ordentlich verdient.