AW: Kahlschlag bei Radio Liechtenstein
Da der Artikel neu verlinkt wurde und über den Link oben nicht mehr zu erreichen ist, stelle ich ihn hier mal komplett ins Forum. (Liechtensteiner Vaterland, 16.07.05)
Kahlschlag bei Radio Liechtenstein
Personalbestand des Radiosenders wird um einen Drittel gekürzt
Der öffentlich-rechtliche Landessender muss tiefe Einschnitte hinnehmen: 700 Stellenprozente werden abgebaut, das Programm wird gekürzt.
Von Patrick Stahl
Radio Liechtenstein kommt nicht zur Ruhe: Nach dem Hick-Hack um die fristlose Entlassung des Intendanten Mario Aldrovandi hat der Verwaltungsrat des Liechtensteinischen Rundfunkes Sparmassnahmen beschlossen, um den defizitären Landessender ab 2006 wieder in die schwarze Zahlen zu bringen.
Neun Personen betroffen
Bis Ende dieses Jahres werden bei Radio Liechtenstein insgesamt 700 Stellenprozente abgebaut, wie der Verwaltungsrat gestern mitteilte. Bei einem Personalbestand von derzeit rund 27 Angestellten werde die Belegschaft um etwa ein Drittel gekürzt, sagte Verwaltungs-ratspräsident Norbert Seeger auf Anfrage. Insgesamt seien neun Angestellte betroffen.
Der Stellenabbau erfolgt zum grössten Teil bei Redaktion und Moderation: Ab September werden die moderierten Sendungen abends um zwei Stunden verkürzt. Nach den 18 Uhr-Nachrichten werden keine Moderationen und Beiträge mehr zu hören sein. Der Abbau von sechs Redaktionsstellen hätte zur Folge, dass Radio Liechtenstein in Zukunft nicht mehr über alle Geschehnisse und Medienkonferenzen in Liechtenstein und der Region berichten könne, heisst es in der Mitteilung.
Auftrag in Frage gestellt
Der Verwaltungsrat bedauert den schmerzlichen Entscheid. Die Vorgaben des Landtages hätten aber Einsparungen beim Personal notwendig gemacht. Der Personalaufwand könne dadurch um eine halbe Million Franken reduziert werden, sagte Seeger. Der Verwaltungsrat gibt aber auch zu bedenken, dass durch diesen massiven Abbau der gesetzliche Programmauftrag nicht mehr vollumfänglich erfüllbar sei.
Mit diesen Einsparungen soll erreicht werden, dass der Landessender finanziell wieder auf gesunde Beine kommt. Im ersten Betriebsjahr 2004 hatte Radio Liechtenstein ein Defizit von 370'000 Franken eingefahren. Ohne den Staatsbeitrag von 1,5 Millionen hätte sich der Verlust auf fast 1,9 Millionen Franken belaufen. Das negative Ergebnis ist hauptsächlich auf die um 300'000 Franken geschrumpften Werbeeinnahmen zurückzuführen.
«Kein Gehör gefunden»
Am Ende einer hitzigen Diskussion hatte der Landtag im Juni die Regierung beauftragt, gemeinsam mit den Verantwortlichen bis Ende August Massnahmen zur Kostensenkung zu erarbeiten. Zusätzliche Staatsgelder konnte der Landessender vom Parlament nicht erwarten. «Wir sind mit unseren Anliegen taube Ohren gestossen», sagte Norbert Seeger. Nun hat der Verwaltungsrat bereits einen Monat früher als geplant Sparmassnahmen in die Wege geleitet.
Finanzprobleme dürften die Verantwortlichen des Senders aber weiterhin beschäftigen, zumal der Staatsbeitrag in den nächsten zwei Jahren um 100'000 Franken jährlich gekürzt wird. Diese Kürzungen seien bei den Sparmassnahmen einkalkuliert worden, sagte Seeger. Für das laufende Jahr müsse aber noch mit einem Verlust gerechnet werden. Die Einsparungen werden zum grössten Teil erst im kommenden Jahr wirksam, weil die Kündigungen noch nicht ausgesprochen seien.
Neues Modell gesucht
Ab 2006 erhofft sich der Verwaltungsrat ein ausgeglichenes Ergebnis. Spätestens dann wird auch die Diskussion neu aufflammen, wie viel ein Staatssender überhaupt kosten darf. Das mit der Verstaatlichung von Radio Liechtenstein erarbeitete Finanzierungsmodell ist bis Ende kommenden Jahres begrenzt. Für die Zeit ab 2007 müsse der Landtag eine neue finanzielle Grundlage für Radio Liechtenstein schaffen, sagte Norbert Seeger und fügte hinzu, dass das Bedürfnis nach einem eigenen Radiosender für Liechtenstein gross sei, was die Hörerzahlen bewiesen würden.
Erschwerend kommt für den Verwaltungsrat hinzu, dass die fristlose Entlassung von Mario Aldrovandi voraussichtlich ein gerichtliches Nachspiel haben wird. Der Kurzzeit-Intendant reichte Klage beim Landgericht in Vaduz ein und pocht auf die Einhaltung seines Vierjahresvertrags mit Radio Liechtenstein. Als Streitsumme steht ein Betrag von fast einer halben Million Franken zur Diskussion.