Fundstück aus der heutigen Zeitung:
"Meine eigenen Kinder haben kein Fernsehgerät mehr - und vermissen es auch nicht."
Wie man sein eigenes Produkt in der Öffentlichkeit so an den Galgen stellen und für tot erklären kann.
Vielleicht erklärt das ja einiges - insbesondere, warum das TV-Programm im Ersten und in den Dritten so schlecht geworden ist und man sich angewidert, kopfschüttelnd zu Arte und 3sat flüchten muss. Und, warum lineares Fernsehen bei der ARD so gut wie keine Rolle mehr spielt. Möglicherweise haben sie auch kein Radio mehr.
Ich habe irgendwie den Eindruck, die wollen jetzt alles mit aller Gewalt ins Non-Lineare pressen. Diejenigen, die es gewöhnt sind, linear zu konsumieren, haben sich, so ist mein Eindruck, nun modernen Sehgewohnheiten anzupassen. Will dabei bemerken, dass es die ARD bislang auch nicht sondernlich interessiert hat, da man ja irgendwie seine Marktanteile hatte. Und nun sind plötzlich Apple, Google und Facebook die "bösen" Gegner. Gniffke verpackt das natürlich als einen gewissen Angriff auf die Demokratie, der er ja schützen, stärken und hochhalten möchte.
Dabei finde ich es schon unfair den Generationen gegenüber, die jahrelang gefühlt gut genug waren, denen die Treue zu halten und nun werden dann insb. ältere Leute im Prinzip vernachlässigt. Nicht jeder ist fit in solchen Dingen, nicht jeder hat Internet und die Kompetenz es zu bedienen. Das wird zunehmend ausgeblendet und wenn man böse wäre, könnte man sagen, erledigt sich das "Problem" aus biologischer Sicht von selbst. Irgendwann sind nur noch Menschen übrig, die nicht mehr in analogen Zeiten sozialisiert worden sind.
Die haben aber dann wahrscheinlich ein Orientierungsproblem, denn durch den Dschungel digitaler Angebote was Passenden zu finden, benötigt ohne eine intelligente und intuitive Oberfläche und Struktur Zeit und da ist man heutzutage wohl eher genervt.
Die ARD könnte dieses Problem ja selber lösen, indem sie nicht jede Welle oder jedes Programm vielfach sendet (etwa auf den Dritten). Dann sollen die halt 15 Hörfunkwellen und 5 TV-Kanäle eindampfen und auf der restlichen Spielfläche ein schönes kuratiertes, hochwertiges Programmangebot bieten.
Aber da will ja sicher keiner nachgeben, es ist ja so "Tradition". Zur Not beruft man sich darauf, dass Rundfunk Ländersache ist und damit Hoheitaufgabe der jeweiligen Landesrundfunkanstalt. Man muss schließlich nicht kooperieren.
Ich denke, die Leute würden denen mehr zuströmen, wenn man auch mal was wagt, und das Altbackene (etwa die Nachmittags- oder Kochshows oder Sendungen, die es vielfach gibt) mal strafft. Dann wäre auch Resource da für was Neues. Und da man ja ohnehin modern und hip und online sein möchte, wäre dann vielleicht auch was für die Jüngeren drin.
Ich persönlich mag ZDF Magazine usw. besser. Aber man könnte ja das Beste aus ARD und ZDF mal zusammenpacken. Im Übrigen auch in der Mediathek. Wieso braucht man hier zwei? Erschließt sich mir nicht.
Und ein Intendant mit mehr als 30.000 Euro Monatseinkommen braucht sich wahrscheinlich dafür nicht zu interessieren, er kann sich ja aufgrund der finanziellen Lage Kultur und alles andere sicherlich öfter leisten als eine Reinigungskraft in Brandenburg.
Eine Debatte mit dem Publikum im großen Stile findet zu Änderungen auch nicht statt. Im Hörfunk habe ich schon die eine oder andere Sendung gehört, die zum Thema hatte, was sich Hörer wünschen und wie sie zu Reformen stehen, aber das ist ja nicht umfassend und direkt Grundlage für tatsächliche Veränderung. Man redet und dann macht man eh, was man vorhat.
Andererseits finden sich bestimmt für viele Formate Zuschauer und -hörer, wo keiner verzichten will. Insofern wird das nicht zielführend sein. Aber mal ne Reportage, die alle Angebote, die Strukturen, die Änderungsmöglichkeiten im tatsächlichen Sinne, die Kosten usw. beleuchtet fänd ich schon mal spannend. Inside ARD oder so
Aber man vertraut bestimmt mehr Businessleuten anstatt man ein Gespür für Probleme, Regionen, die Unterschiedlichkeiten hat. Ein WDR wird anders agieren, als ein RBB. Die Kassenlage und damit die "Meinungsmacht" ist ungleich. Und das spiegelt sich sicher auch in der Akzeptanz der Programme wider.
Kurzum: viel Hoffnung, dass da viel Gutes bei Herrn Gniffke rauskommt, habe ich nicht. Hierzu halte ich das System viel zu verkrustet und die Dinge die Jahrzehnte lang so liefen, werden sich doch nicht jetzt schlagartig aus den Angeln heben lassen. Insofern kann Herr Gniffke sagen was er will, ich halte es für Populismus.