AW: Meinung zu JUMP-Morningshow und JUMP am Nachmittag?
Großartiger Text, twen2705! Fast schon zuviel für mich zu dieser vorgerückten Stunde. Ich stimme Dir in vielen wesentlichen Punkten komplett zu, betrachte die Chancen von Jump aber doch etwas skeptischer. Der Reihe nach...
twen2705 schrieb:
Weiß denn der MDR, wo es mit JUMP hingehen soll?
Die Karten werden gerade neu gemischt. Ich weiß seit ein paar Minuten, daß die auch hier im Forum nachlesbaren Stories über Herrn S. als Kandidaten für den Posten des MDR-Hörfunkchefs keinesfalls Scherze waren. Herr S. war wohl wirklich dafür im Gespräch. So schlecht scheint er mit Jump im ARD-Ranking der Popwellen nicht dazustehen. Und wenn ich das Gehörte richtig interpretiere, dann mußten schon extra Weinkeller und Firmenwagen aufgefahren werden, um die Nominierung zu verhindern. Da ist wohl tatsächlich heftigst schmutzige Wäsche gewaschen worden. Nun also ein neuer Hörfunkchef, einer, der zwar schon einmal beim MDR war, aber mit der Entwicklung der vergangenen 10 Jahre nichts zu tun hat. Ich bleibe gespannt, wie sich die Dinge entwickeln werden und wage die Prognose, daß vieles auf den Prüfstand kommt. Ob das Ergebnis dann uns (oder mich) befriedigt, ist eine andere Geschichte.
twen2705 schrieb:
Die große Frage ist doch, dass man sich erst einmal darüber klar werden muss, für welche Zielgruppe man eigentlich senden will.
Diese Frage entscheidet in der Tat darüber, ob man Erfolg haben kann oder nicht. Die zweite Frage, die darüber entscheiden wird, ist die, ob man sich weiterhin ausschließlich an den Privaten orientieren will. Tut man dies, muß man im Hause MDR entweder besonders genial sein - oder man wird "scheitern", scheitern aus der Sicht des selbst gesteckten Ziels. Der MDR-Popfunk ist seit 1992 ständig daran gescheitert, daß er nie das Feld besetzt hat, auf welchem er als ARD-Mitglied Trümpfe hätte ausspielen können, sondern stets versucht hat, die Privaten noch zu untergraben. "Privater" als MDR ging schon zu Zeiten nicht, als das Programm MDR Life hieß und die selbstgesuchte Konkurrenz noch richtig redaktionellen Aufwand trieb.
twen2705 schrieb:
In den kurzen Minuten, die ich ab und an dieses Programm verfolge (egal zu welcher Tages oder Nachtzeit), hört man immer nur folgende Schlagworte
Daran hat sich das Programm längst zu Tode rotiert. Ich kenne niemanden, der sich ernsthaft für Musik interessiert oder Informationen sucht und dafür Jump nutzen würde. Jump ist allenfalls als akustischer Teppich nahe der Wahrnehmbarkeitsgrenze geduldet, gegen den eigenen Tinnitus vielleicht.
twen2705 schrieb:
Auch die im Programm zur Sprache kommenden Hörer, welche irgendwo interviewt werden, ob auf Konzerten, die von JUMP präsentiert werden oder auf anderen von JUMP präsentierten Veranstaltungen sind immer nur begeistert und grölen hektisch herum
Jedes Programm sucht sich "seine" Hörer aus. Das sind offenbar die gewünschten Jump-Hörer. Rennt der MDR ihnen weiterhin hinterher, kann er nie aus diesem Elend herausfinden, in das er sich hineingefunkt hat. Es sollte allen klar sein: jede Bewegung hin zu einem anspruchsvolleren Programm wird diese Hörer vertreiben. Dem MDR fehlt offenbar Wille und Mut, diesen wichtigen Schritt zu gehen.
twen2705 schrieb:
Gibt in unseren 3 Ländern nicht auch manchmal was, das erwähnenswert wäre?
"Wir machen die gesamte Welt, die unsere Hörer interessiert, in drei Minuten. Ist Krieg, ist kein Krieg, wer wurde auf dem Marktplatz überfallen, und was mache ich heute abend." Michael Schiewack in der TAZ vom 20.10.1998. Noch Fragen?
twen2705 schrieb:
Sie möchten daraus resultierend auch nicht nur einen zähen, sich ständig wiederholenden Musikbrei „genießen“, sondern umfassend informiert werden, was in der Welt und vor ihrer Haustür passiert und gelegentlich auch aktiv ins Programm einbezogen werden, z.B. durch Diskussionsrunden (auch wenn dies vielleicht in einem Pop-Programm schwer, (aber warum eigentlich schwer?) durchsetzbar ist) etc.
Es ist nicht schwer. Fritz macht z.B. seit vielen Jahren Talkradio. Schwierig könnte es beim MDR trotzdem werden: die in vielen Jahren konsequenter Arbeit "herangezüchtete" Hörerstruktur dürfte jegliches Experimentieren mit redaktionellem Inhalt im Radio zum erfolglosen Projekt werden lassen, zumindest so lange, wie man nicht bereit ist, diese "Hörer" (die keine Hörer sind) zu verlieren.
twen2705 schrieb:
Die Programmmacher sollten endlich begreifen, dass der Hörer sehr viel genauer zuhört, als schlechthin gemeint. Er möchte sich die nötigen Informationen nicht immer nur aus dem Internet, dem Nachrichtenradio, Fernsehen oder Zeitungen holen wollen.
Und eben weil der wirkliche Hörer genau zuhört, holt er sich im MDR-Sendegebiet halt Kultur und Information von überall her, nur nicht vom MDR. In Sachsen wird gern Radio EINS gehört, nur mal am Rande erwähnt.
twen2705 schrieb:
Der MDR beweist doch mit seinen MDR1-Landeswellen auch schon sehr gut, dass er es kann.
100% Zustimmung. Die Wellen sind rund und stimmig und genießen bis auf die üblichen kleinen Unstimmigkeiten, die es immer gibt, hohe Akzeptanz. MDR 1 Radio Thüringen und das Thüringen-Journal im TV sind wirklich in Thüringen zu Hause. Wenn die ihre Außenveranstaltungen (z.B. Rennsteigwanderungen) machen, ist Thüringen tatsächlich auf den Beinen. Freilich in der Zielgruppe 40 aufwärts nebst zugehörigen Kindern.
twen2705 schrieb:
Warum sollte das mit JUMP nicht auch funktionieren?
Weil es dann nicht mehr Jump wäre. Oder andersrum: solange es Jump heißen soll, kann es nicht funktionieren. Und versuchte es dennoch, so zu sein, würde es nicht ernstgenommen. "Imageschaden", da ist der MDR echter Profi drin.
twen2705 schrieb:
Warum probiert man es nicht einfach aus, z.B. mit 2-3 Informationsstunden täglich (natürlich auch mit Musik), wie es die Landeswellen auch machen?
Weil man dazu halt bereit sein muß, auch bestimmte Hörer zu verlieren. Und weil man aufgeben muß, sich ausschließlich am Kräftemessen mit den Privaten auszurichten. Letzteres ist aber so hübsch einfach, man hat einen Feind, den es zu bekämpfen gilt, das schafft ohne viel Intelligenz sofort klare Fakten. Und so schön knackig soll die Positionierung offenbar sein.
twen2705 schrieb:
Kurz gesagt: Man muss erstmalig in Mitteldeutschland ein Pop-Programm schaffen, welches Informationen bietet, mit denen der Hörer gut durch den Tag kommt.
Kleine Präzisierung: erstmals, seit der MDR dort regiert. Vorher gab es ein solches Programm. Aber das ist eine andere Geschichte.
twen2705 schrieb:
Die ARD mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und dem gut ausgebauten Reporternetz bietet dafür eine gute und solide Grundlage, auf die kein Privatsender zurückgreifen kann. Das ist man dem Gebührenzahler gegenüber einfach schuldig.
Eben. Und das duale System würde auch ganz gut funktionieren, wenn man endlich davon wegkäme, seinen Erfolg nur darin zu sehen, möglichst viel vom Privatsender-Kuchen wegzuschnappen. Zu deutsch: die, die vom MDR wegen ihrer zu hohen Ansprüche an den Hörfunk nicht versorgt werden, werden auch bei den Privaten nicht heimisch. Hätte der MDR eine Welle im Stile von Radio 1 zu bieten, könnten die, denen das zu heftig ist, immer noch auf eines der zahlreich vorhandenen Privatfunk-Angebote zurückgreifen.
Ich glaube, es ist auch für mich Zeit, nun zu Bett zu gehen. Der Wecker klingelt sowieso wieder um 6.