Das Problem ist nicht die Formatierung als solche (in Deutschland), sondern die Tatsache, dass (hier) Formate fehlen.
Am Anfang unterschieden sich die Radiostationen in den USA nur graduell. Mit steigender Zahl wuchs der Druck, sich zu positionieren, um noch wahrgenommen zu werden, parallel zur Erkenntnis, es nicht allen Hörern gleichzeitig rechtmachen zu können.
Top 40 bspw. entwickelte sich aus der Beobachtung, junge Leute wollen zu einem erheblichen Teil am liebsten immer wieder die gerade aktuelle Musik hören; ein Radiomacher beobachtete vor Jahrzehnten, für welche Titel junge Leute immer wieder bereit waren, Geld in die Jukebox zu werfen und zimmerte dann dieses Format.
Neben Top 40, AC und Oldies gab es als Antwort auf die "Plastik"-(Hit-)Sender in den 70ern die Rock-Stationen, die ganz anders auftraten.
Nun das Problem in Deutschland. Da gibt es an den meisten Standorten für diverse Altersgruppen ein ÖR, zusätzlich Info- und Kulturwellen. Darunter meist ein Hitradio, das gegen ein oder mehrere private Hitradios antritt.
Aber die in den USA oben beschriebene "Gegenbewegung", also die Gründung von privaten Nicht-Hitsendern, findet mangels Konkurrenz / politischem Willen / Frequenzoptimierung nicht statt. Hinzu kommen die spezifischen deutschen "Belastungen" (Auflagen), denen Private hier unterliegen.
Die ÖRs, die in der Vergangenheit oft ohne Format im engeren Sinne Programm gemacht haben, hatten (vorrangig in eben dieser Vergangenheit) auch die alternativen Formate Modern Rock, Classic Rock, R&B, Jazz, Blues, Country usw. abgedeckt, entweder in Form von Spezialsendungen oder indem einfach Musik "wild" gemischt wurde. Diese Form des Sendens wurde von der breiten Masse nie besonders angenommen. Wo immer eine halbwegs formatierte Alternative zu empfangen war ("SWF 3-Effekt") setzten Massenbewegungen zu dieser Alternative ein.
Hörer erwarten nunmal auf Knopfdruck ein ihnen genehmes Programm. Aber IMMER dann, wenn ich mische, werden die meisten Hörer bei zig Titeln aufheulen. Der Dance und Hip Hop Freak wird bei Sop-Pop Rhythmus vermissen, Oldies sind ihm sowieso zu alt usw. Derjenige, der auf Handegemachtes steht, kann mit der Musik vorhergenannter Person nichts anfangen.
Also muss der Hörer im Idealfall die Möglichkeit haben, sich seine 1 bis x Formate selber auszuwählen. So kann er sichergehen, immer "seine" Musik zu hören. Derjenige von eben, der hangemachte Musik favorisiert, hört dann Adult Alternative- und Modern Rock- Sender und gegelegentlich die rockigen Blues-Sendungen auf seinem Jazz-Sender.
Die, die Radio Eins so geil finden, weil dort "alles" läuft, sind eine Minderheit.
Wenn die privaten (Hit-)Sender zu einem überwiegenden Teil kritikwürdig sind, dann insbesondere deshalb, weil sie hörbar an guten Moderatoren sparen. Zudem fehlen oft professionelle Jingles. Was "Wortprogramm" erinnert an Kindergeburtstag.
Es gibt nur ein Heilmittel: Auflagen eliminieren, überall unzählige UKW-Frequenzen neu vergeben, eine Frequenzbereinigung vorausgesetzt. Ein Standort mit dann 20-30 Programmen zwingt zur Segmentierung, und die Hitsender sind wie in den USA oder Kanada in der Minderzahl.