Freut mich, zu sehen, dass die Diskussion hier jetzt doch noch recht lebendig geworden ist.
Wenn mich ein Thema "bewegt", dann google ich Infos, suche mir entsprechende Podcasts oder Dokus oder frage die KI.
Ich glaube ehrlich gesagt, dass da wirklich jeder nur für sich selbst sprechen kann. Ich zum Beispiel bin wissenschaftliche Bibliothekarin und als Fachreferentin für Naturwissenschaften tätig, und ich verbringe an der Arbeit den Großteil meines Tages damit, am Bildschirm fachliche und bibliotheksbezogene Informationen zu recherchieren, zu sondieren und dann weiter zu verarbeiten, z.B. wenn es um die Literaturauswahl für den Bibliotheksbestand geht oder darum, Nutzerfragen zu beantworten. Und ihr könnt mir glauben: das Allerletzte, was ich in meiner knappen Freizeit tun möchte, ist, diese ständige Informationsrecherche fortzusetzen und mich durch irgendwelche Mediatheken oder Streamingdienste zu wühlen, auf der Suche nach Inhalten, die mich vielleicht interessieren könnten. Statt dessen mache ich am Liebsten das Radio an und hoffe, dass es mich überrascht, unterhält, inspiriert und vielleicht sogar ein bisschen herausfordert, weil da im Idealfall auf der anderen Seite Menschen tätig sind, die es als ihre Aufgabe betrachten, ein vielfältiges, interessantes und gehaltvolles Programm mit einem gelungenen Mix aus Anspruch und Entertainment zu gestalten. Bloß klappt das bei den ÖR Programmen leider so gut wie gar nicht mehr, weil es dort zunehmend an Inhalt, Substanz und selbst an ein bisschen neuer Musik mangelt. Zugegebenermaßen höre ich gerne ein Programm, bei dem der Musikanteil überwiegt, was aber deshalb noch lange nicht heißt, dass ich keinen Wortbeitrag von mehr als 30 Sekunden Länge ertrage, und ich will auch nicht immer nur die Lieder hören, die in meiner Jugend mal in waren - ich höre ja jetzt auch nicht mehr die selben Alben, die ich damals mit 20 gehört habe. Wie auch schon einige Vorredner hier sagten: bin ich dankbar für jegliche Horizonterweiterung, ge4ade weil meine Zeit nicht reicht, mich in irgendwas zu vertiefen, und für ein bisschen Vielfalt nehme ich den Beifang, der mich vielleicht mal nicht so anspricht, gerne in Kauf. Ich entdecke gern neue Themen und auch Musik, die ich vorher noch nicht kannte oder bereits vergessen geglaubt hatte. Und ist das nicht auch die Kunst, um die es beim Radiomachen eigentlich geht? Ein Programm zu gestalten, dass Gehalt, Substanz und Information bietet und das dann so geschickt zu verpacken, dass die Menschen nicht nur nicht gelangweilt sind, sondern immer noch mehr davon wollen? Aber was aktuell stattfindet, ist irgendwie das genaue Gegenteil davon. Die Order scheint nur noch zu lauten "Bloß nicht anecken, möglichst nicht unangenehm auffallen, niemals aus der Reihe tanzen und auf keinen Fall irgendwas am durchgestylten Ablauf ändern, aber dabei bitte IMMER vor guter Laune nur so sprühen". Gerade letzteres, diese gespielte Fröhlichkeit, die vor allem in den Morningshows praktiziert wird, geht mir manchmal so auf den Keks, dass ich das Radio ausmachen muss. Aber nach und nach werden nun offensichtlich alle nicht so aufgedrehten hr1 Mods durch Leute ersetzt, die damit anscheinend kein Problem haben. Und dann werden die Inhalte auch noch dermaßen zusammengespart, dass man dieselben Comedy-Einspieler, Telefon-Interviews und Boulevard-Nachrichten mitunter in einer Woche oder noch am selben Tag zwei- oder dreimal hört. Baukastensystem? Klar, kein Thema, aber dann doch bitte nicht ständig auf einem Sender dieselben Beiträge wiederholen! Ich weiß nicht, ob es schon irgendwem aufgefallen ist, aber selbst beim "Rätselhaften Samstagsding" auf hr1 werden jetzt anscheinend nur noch alte Rätsel wiederholt. Homer Simpson würde sagen "LAAAAAAANGWEILIG!"
Aber was ich daran am allerschlimmsten finde - und das ist mir als Hörerin eigentlich auch erst durch die Lektüre hier im Forum klar geworden - ist, dass man offensichtlich zu allem Überfluss eine Beraterfirma dafür bezahlt, um dieses eingedampfte etwas von einem Programm herzustellen. WTF...?!?
Okay... statt den Menschen, die beim Radio arbeiten, und deren Aufgab3 das eigentlich wäre (und früher definitiv war, oder nicht?) liefern also heutzutage offenbar irgendwelche externen kommerziellen Marketingspezialisten die Programm-Konzepte, was mich auch direkt zu der brennenden Frage führt, was das denn eigentlich kostet. Das erklärt dann natürlich so einiges, unter anderem die weitgehende Abwesenheit von Authentizität und Herzblut bei gleichzeitig zunehmender Sterilität, die ich beim hr1-Hören mehr und mehr empfinde. Das Ganze ist wirklich ein Desaster, wenn man so darüber nachdenkt, und diese meine Sicht als Hörerin ist es, die ich gerne an den Rundfunkrat vermitteln und darüber in den Dialog gehen möchte (um mal zum Thema dieses Threads zurück zu kommen

). Wird das etwas ändern? Vielleicht nicht, und nach wie vor weiß ich nicht, ob die Mehrheit der Hörerschaft so wie ich empfindet; aber die meisten dürften ja auch ähnlich wie ich früher die Zusammenhänge gar nicht kennen.
Fazit: Ich will nach wie vor nicht einfach so aufgeben, was eigentlich erstaunlich ist, da ich sonst auch eher zum Fatalismus neige. Doch in diesem speziellen Fall zähle ich mich einfach lieber zu den Einwohnern des kleinen gallischen Dorfes, als mich ohne Wiederstand dem römischen Imperium zu ergeben (beim Teutates!)
