Wohin rollt die Ostseewelle?
Privatradio in M-V sucht Auswege aus der Bredouille
Rostock (OZ) Die Ostseewelle hat Stimmen verloren. Das Privatradio verzichtet auf Moderatoren, die das Image des Senders mitbestimmt haben. Ihre Kündigung erhielten u.a. Oliver „Olli“ Schubert, Klaus Urban, Marcus Hoffmann und Ralf Markert. Nach Auskunft der neuen Geschäftsführerin Liane Simon – sie löste am 10. September Thomas Schnell-Burian ab – wurden insgesamt sechs Kollegen entlassen. Die Betroffenen berichten von einem nur wenige Sekunden dauernden Rauswurf-Akt, in dem der Kündigungsgrund als „betriebsbedingt“ bezeichnet wurde. Man habe nur jene Sprecher behalten, die bei einer Umfrage „von den Leuten als nett empfunden wurden“, sagt Frau Simon, die zuvor bei BB Radio (Potsdam) für den Einkauf von Werbung zuständig war.
Spitzenwerte bei der Hörer-Untersuchung erhielten, so Liane Simon, die moderierenden Mitarbeiter Dana Taubert und Mario Paap, jetzt im wochentäglichen Morgenprogramm bis 10.00 Uhr zu hören. Die Gefeuerten wissen zu berichten, dass nun vorwiegend ehemalige Volontäre, Praktikanten und eine Sekretärin den immer geringer werdenden Wortanteil bestreiten. Die wenigen noch verbliebenen gestandenen Redakteure sollen, so erzählt man sich im Funkhaus in der Rostocker Kröpeliner Straße, mit Gehaltseinbußen weiter beschäftigt werden.
Damit scheint für das landesweite Hörfunkprogramm der letzte Konsolidierungs-Versuch angebrochen zu sein. Der Sender geht derzeit, das bestätigt auch die neue Geschäftsführerin, von 60 000 Hörern aus. Zum Vergleich: Etwa viermal soviele Hörer hat nach der letzten Media-Analyse im August der andere landesweite UKW-Privatsender, Antenne Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem beläuft sich nach Insider-Berichten die Schuldenlast der 1995 gestarteten Ostseewelle auf mehr als
20 Millionen Mark. Hauptgläubiger sind Banken und Dienstleister, sowie kleinere Firmen, bei denen sechsstellige Außenstände direkt die Existenz gefährden.
Vor sechs Jahren gegründet, erlebt die Ostseewelle nun ihre vierte Geschäftsführung, ohne dass der Break Even erreicht wurde, also jener wirtschaftliche Stand, ab dem Gewinne eingefahren werden. Die Geduld der Gesellschafter – die wichtigsten sind Burda und Neue Welle Bayern – scheint am Ende zu sein. Intern verlautet, auf einer Gesellschafterversammlung habe man keinen Konsens mehr für weitere Kapitalspritzen gefunden.
Nun also Liane Simon (40) von BB Radio. Mit diesem wirtschaftlich im Land Brandenburg recht erfolgreichen Privatradio, dessen Programmchef der aus DDR-Zeiten bekannte Entertainer Jürgen Karney ist, gibt es eine gemeinsame Verbindung über den Gesellschafter Burda. Die 40-jährige Diplomingenieurin aus dem Osten, die in
Eberswalde Bereichsleiterin für den Verkauf von Werbezeiten war, noch nie einen Sender führte, und der von Mitarbeitern sehr bescheidene Kenntnisse
im Programmbereich nachgesagt werden, sieht die Chance der Ostseewelle vor allem in einem „flotten Format für die 20- bis 39-Jährigen. Das ist eine für die Werbewirtschaft besonders interessante Altersgruppe“, weiß sie.
Jetzt soll eine bereits im
Juni von BB Radio und Ostseewelle gegründete Vermarktungsfirma für Werbung den
Sender aus der Bredouille
bringen. Mit dieser IR Media will man Synergie-Effekte
nutzen. Hoffnung vielleicht auch für die zahlreichen
Gläubiger, ihr Geld doch noch zu bekommen.