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Neue Orientierung bei Kulturradios

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mistoseb

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Neuerdings will man ja zunehmend jüngere Hörer bei den gehobenen Wellen gewinnen
Deshalb hat Bayern 2 als auch Bayern4 vor kurzem sein Programm reformiert
WDR 3 schon vor längerem
und ab Montag zieht hr 2 nach (Begründung gleich)
und wie in einem anderen Thread zu lesen war zum Oktober auch SWR 2 aus gleichem grund
zum Dezember auch dass Kulturradio von RBB
Welche "jüngeren Leute" meinen die denn? Die die sonst Dudelfunk hören? ne Alternative wäre es ja
ist das aber gegenüber Stammhören auch dann höheren Alters auch vertretbar?
 
Hier noch ein wenig Futter dazu aus der "Welt" von Anfang des Monats:
Jimi trifft Alfred: Wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Kulturwellen reformieren

von Volker Tarnow

Der Erdteil scheint vom Aussterben bedroht: Vorwiegend grauhaarige Geschöpfe hören hier eine Musik, die nicht mehr dem Lebensgefühl unserer Zeit entspricht. Dafür umweht Beethoven & Co. noch immer die Aura des Elitären. Wie klein aber, so fragt man in den von sinkenden Werbeeinnahmen und steigenden Produktionskosten geplagten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wie klein darf eine Minderheit eigentlich werden, um noch als relevant zu gelten? Was tun gegen den Klassikertod?

Die Antwort lautet: Programmreform. Dahinter verbergen sich drei Zauberformeln bzw. Horrovisionen: Demokratisierung, Magazinierung, Entwortung.

Fast alle Programmmacher reden vom "erweiterten Kulturbegriff". Es geht um die überfällige Neubewertung und Demokratisierung der einzelnen Genres. Die Grenze zwischen guter und schlechter Musik verläuft in der Tat nicht zwischen Gustav Mahler und Jimi Hendrix; sie verläuft zwischen Klassik, Jazz, Rock, vielleicht noch elaboriertem Pop auf der einen und Schlager sowie kommerziellem Crossover-Gekrächze auf der anderen Seite. Wunderbare Freundschaften könnten entstehen: Bekennende Klassizisten erleben plötzlich Tom Waits und Michael Nyman als Offenbarung, Fans von Lenny Kravitz laufen zu Alfred Schnittke über.

Gefahrlos ist diese Programmatik indes nicht. Präsentieren die neuen Magazinformate einen zu bunten Mix, dann endet die schicke Schrankenlosigkeit in heilloser Nivellierung. Divergente Stile wie die zeitgenössische E-Musik werden überhaupt nicht mehr ins Tonbild passen. Die Klassik marschiert geschlossen ins Museum und vergnügt sich dort mit der längst entschlafenen authentischen Volksmusik.

Leider widersetzen sich nicht alle Sender einer solchen Entwicklung. So bietet seit Januar NDR Kultur 14 Stunden täglich Klassik-Charts und Service-Tipps, Buchempfehlungen und News. Eine Steinzeitstrategie, an der bereits der seichte Lifestylsender KlassikRadio scheiterte. Es werden noch manche Wellenreiter baden gehen, die auf der Info-Welle surfen.

Rutschfest und glaubenssicher zeigt sich dagegen der Bayerische Rundfunk. Auch nach der Programmreform vom 1. Juli sprechen Bayern 2 Radio und Bayern 4 Klassik gezielt Hörergruppen an; stromlinienförmige Formate wurden vermieden, Berichte zu Theater, Film und Musik thematisch sogar stärker gebündelt als bisher. Gott mit dir, du Land der Bayern!

Andere Reformer steuern einen populäreren Kurs. Angelika Bierbaum, Wellenchefin beim Hessischen Rundfunk, kündigt für September anspruchsvolle, teils offene, teils spartenspezifische Magazine an. Die Dominanz der Klassik auf hr2 wird beendet. Man hat ja noch hr-Klassik! Von einem "anspruchsvollen Tagesbegleitprogramm" spricht Hannelore Steer, Hörfunkdirektorin des kürzlich aus SFB und ORB fusionierten Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB); ein gänzlich neu zu schaffendes Programm löst im Dezember RadioKultur und Radio3 ab. "Die klassische Musik bleibt als Markenkern erhalten", heißt es.

Bei Karl Karst, dem Wellenchef von WDR 3, stößt schon der Begriff "Magazin" auf Ablehnung. Der Westdeutsche Rundfunk will ohne jede Verflachung seine Modernisierung fortsetzen; mehr Sinnlichkeit, mehr Übersichtlichkeit, Ausweitung der einzelnen Genres, so die Stichworte. "Alle künstlerisch innovativen Formate, die 2001 entwickelt worden sind, bleiben nicht nur erhalten, sondern dienen als Folie für die Weiterentwicklung."

Und die gefürchtete "Entwortung"? Sie könnte aufwändig erstellte, akademische Skriptsendungen treffen. Die Öffentlich-rechtlichen wollen stärker das frei gesprochene Wort pflegen, den Dialog. Quassel- und Berieselungswellen werden sie deswegen nicht lostreten. Vorerst nicht!
 
...und weils so schön zum Thema paßt: http://www.hr-online.de/d/specials/hr2/index_jsp.html
Inklusive Interview mit Angelika Bierbaum, Wellenchefin hr2.


Man hat ja noch hr-Klassik!

Den kaum einer empfangen kann. Ich habe mich selbst davon überzeugen können, daß z.B. die Wiesbadener UKW-Funzel dieses Klassik-Auslagerungsdienstes hinter der nächsten Straßenecke (wenige 100 m trennten mich von der freien Sicht auf die Antenne) spurlos verschwunden ist. Das dient allenfalls der Gewissensberuhigung, und ADR hat nicht jeder.

Meine private Meinung: mir geht es mit vielen Versuchen, Hochkulturprogramme für weitere Hörerkreise zu öffnen, ausgesprochen schlecht. Die Mischung aus "Edel-Pop" und Klassik-Häppchen ist schwer verdaulich für mich, da ihr die Glaubwürdigkeit fehlt. Das, was ich auf den plattformatierten Wellen vergeblich suche, werde ich auch nicht bei den reformierten Klassikwellen finden, zumal dort zuweilen noch eine erschreckend yuppieske Ansprechhaltung an den Tag gelegt wird, die mich gleich zum Ausschalter greifen läßt.

Was dabei herauskommt, wenn man z.B. Berater auf Kulturwellen losläßt, kann man beim DeutschLandRaDio BerLin im RDS lesen, zumindest liegt der Verdacht nahe...
 
Welt-Artikel: Gefahrlos ist diese Programmatik indes nicht. Präsentieren die neuen Magazinformate einen zu bunten Mix, dann endet die schicke Schrankenlosigkeit in heilloser Nivellierung.

Welch elaborierte Polemik. Und doch nur Trash vom Feuilletonisten.

Aber mal ernsthaft:
Ich persönlich habe den (gewiß recht pauschalen) Eindruck die Führungsgremien der Anstalten sehen in den Kulturwellen zwei Dinge:
- Müllschlucker für aus formatierten Programmen entsorgten Inhalte
- Feigenblatt für die (Medien-)Politik

Das sich die Wellen verändern, liegt an einer dritten Eigenschaft: Kulturwellen sind an sich sehr teuer und im Verhältnis Kosten pro Hörer exorbitant teuer. Der Rotstift motiviert zu Programmneuerungen.

Grundsätzlich sind Kulturwellen sinnvoll und könnten auch eine größere Akzeptanz erfahren, wenn man es richtig anstellt. Es gibt einen Riesenmarkt für Hörbücher und Hörspiele (weiß ich). Es gibt auch ein intellektuelles Publikum für albumorientierte Spezialsendungen von Musikredakteuren (vermute ich). Mit entsprechendem deutschlandweitem Programmaustausch wäre gutes Programm günstig im Verbund zu machen. Hochwertige Hörspiele und Features werden schon ausgetauscht, moderierte Sendungen könnten folgen.
Die geringe Reichweite der Kulturwellen liegt aus meiner Sicht daran, dass sie zu verquer und undurchschaubar programmiert sind, dass sie ein kaputtes Image haben und dass dort teilweise unerträgliche Realsatire-Figuren moderieren, die außer dem Elfenbeinturm und der deutschen Bibliothek vom Leben noch nichts gesehen haben, selbst aber davon ausgehen demnächst fürs Bundesverdienstkreuz am Bande nominiert zu werden. Mit den entsprechenden Veränderungen wäre es ein leichtes den Kulturwellen (bzw. ihrem Image) etwas mehr Esprit in Richtung Stuckrad-Barre, Harald Schmidt, Harry Rowolt o.a. einzuhauchen, denkt sich die Jasemine.
 
Jasemine, ich stimme Dir zu ! ( sonst nicht immer der Fall !)

Vielleicht sollte man auch mal folgendes Beispiel aus Österreich studieren:
In Wien ist die Kulturwelle Ö1 quotenmäßig stärker als der beste Privatradiosender ! Was ist da los ?
 
Mal der Reihe nach

Wunderbare Freundschaften könnten entstehen: Bekennende Klassizisten erleben plötzlich Tom Waits und Michael Nyman als Offenbarung, Fans von Lenny Kravitz laufen zu Alfred Schnittke über.
Radio Brandenburg...

Gefahrlos ist diese Programmatik indes nicht. Präsentieren die neuen Magazinformate einen zu bunten Mix, dann endet die schicke Schrankenlosigkeit in heilloser Nivellierung.
Redet man da über das Programm aus der Kufsteiner Straße in Berlin...?

Angelika Bierbaum, Wellenchefin beim Hessischen Rundfunk, kündigt für September anspruchsvolle, teils offene, teils spartenspezifische Magazine an. Die Dominanz der Klassik auf hr2 wird beendet.
Häbitte? Man vergleiche mit dem neuen Programmschema. Die Frage ist, welche Musikfarbe die künftig unter dem Sendetitel "Mikado" arbeitstäglich sechs Stunden ("Passagenzeiten" nennen sie das) kultivierte Magazinitis haben wird. Ansonsten findet man 10.05-12.00 Uhr die Klassik-Matinée, 13.15-14.00 Uhr den Klassik-Boulevard, 15.05-17.00 Uhr das Klassik-Panorama... wo, bitte, wird dort die "Dominanz der klassischen Musik beendet"?!

Man hat ja noch hr-Klassik!
Wo die Tendenz auch arg in Richtung der größten Hits des 17., 18. und 19. Jahrhunderts geht, wie man so hört.

Und die gefürchtete "Entwortung"? Sie könnte aufwändig erstellte, akademische Skriptsendungen treffen.
Zum Beispiel wurden bei hr2 auch die Mediensendungen mit dem Reisigbesen rausgekehrt, wenn ich nichts übersehe...

Die Öffentlich-rechtlichen wollen stärker das frei gesprochene Wort pflegen
Aaah-ja, so macht man das: Nicht mehr mit einen hypschen Manuskript zur Lesestunde ins Produktionsstudio, sondern gleich mit ein paar Wurschtzeddeln ins Sendestudio und sich dort dann richtig in die Hosen machen :D :rolleyes:

Ist schon was dran, wenngleich mir scheint, daß man anderenorts damit, BmE's gleich ganz auf den Index zu setzen, das Kind mit dem Bade ausschüttet. Hier ist die Frage allerdings, ob es den Kulturprogrammen hilft, sich solche Herangehensweisen abzuschauen. Davon alleine wird's auch noch nicht grundsätzlich anders, behaupte ich da mal.

Meine private Meinung: mir geht es mit vielen Versuchen, Hochkulturprogramme für weitere Hörerkreise zu öffnen, ausgesprochen schlecht. Die Mischung aus "Edel-Pop" und Klassik-Häppchen ist schwer verdaulich für mich, da ihr die Glaubwürdigkeit fehlt.
Ja, und ich fürchte, das hat etwas mit der Prägung, der Sozialisierung der Verantwortlichen zu tun. Sie sehen voller Erschrecken auf ihr, wenn man so formulieren darf, vergreisendes Publikum, versuchen gegenzusteuern, bekommen es aber nicht hin, neue Hörerschichten anzusprechen. Tragisch ist dabei, daß ggf. das Potential vorhanden ist, daß sie im eigenen Haus Leute haben, die ohne irgendeine Verrenkung den Bogen von Klassik bis Techno spannen können, sie aber diese Leute nicht auf ihrem Sender haben wollen. Schade eigentlich.

bei den reformierten Klassikwellen finden, zumal dort zuweilen noch eine erschreckend yuppieske Ansprechhaltung an den Tag gelegt wird
Das ist die Folge aus dem vorher gesagten. Gerade die Ansprechhaltung war bei Radio Brandenburg eben eine ganz andere. Wer fragt, wie man einem Kulturprogramm völlig neue Hörerschichten erschließen kann, der braucht nur einmal die magnetischen Hinterlassenschaften dieses Senders zu studieren, denn man kann eigentlich kaum schildern, was für eine fesselnde Sendung z.B. ein Wissenschaftsredakteur machen kann, wenn nur die Herangehensweise eine gewissermaßen unklassische ist.

Am Rande bemerkt halte ich es für nur folgerichtig, daß sich bei Radio Brandenburg die DT64-Aristokratie versammelt hatte. Auf der Hörerseite sah das dann übrigens auch nicht anders aus; ich kenne Leute, die sind damals nahtlos gewechselt.

Was dabei herauskommt, wenn man z.B. Berater auf Kulturwellen losläßt, kann man beim DeutschLandRaDio BerLin im RDS lesen, zumindest liegt der Verdacht nahe...
Als ich hörte, daß die auf der Kundenliste von Kreklau&Fitzek stehen, dachte ich im ersten Moment, das ist der Untergang des Abendlandes... Aber letztlich ist auch das eigentlich nur folgerichtig, wie es auch weiter folgerichtig sein dürfte, daß der Deutschlandfunk fast viermal so viel Hörer hat.
 
@ Radiowaves

> und ADR hat nicht jeder.

Dann kauft man es sich halt, wo ist das Problem?? Die gebeutelte Geräteindustrie freut sich schon.....

:D
 
Huch?!

Jetzt wurde mir doch glatt bei der Erstellung meines Elaborates dazwischengefunkt... Also Teil zwo:

Welch elaborierte Polemik. Und doch nur Trash vom Feuilletonisten.
Aber Edeltrash. Wie er einer renommierten Zeitung halt angemessen ist.

Aber mal ernsthaft:
Ich persönlich habe den (gewiß recht pauschalen) Eindruck die Führungsgremien der Anstalten sehen in den Kulturwellen zwei Dinge:
- Müllschlucker für aus formatierten Programmen entsorgten Inhalte
Dazu wäre noch zu sagen, daß das neue Programmschema von hr2 eine kurze Halbwertszeit haben könnte, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Müllschlucker in Aktion zu treten hat.

dass sie ein kaputtes Image haben und dass dort teilweise unerträgliche Realsatire-Figuren moderieren, die außer dem Elfenbeinturm und der deutschen Bibliothek vom Leben noch nichts gesehen haben
Hart, aber leider nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auf das, was ich bei meiner letzten hr2-Hörprobe vernahm, paßt es in der Tat. Wenn jemand auf dem Sender so klingt, daß man annehmen muß, es interessiert ihn selbst nicht im geringsten, was er da gerade absagt ("Moderation" kann man das wirklich nicht nennen), dann... ja, dann weiß ich es auch nicht mehr.
 
Ich möchte mal Nordwestradio von Radio Bremen und dem NDR ins Gespräch bringen...

Also ich finde, dass die ein ausgezeichnetes Programm machen, mit dem sie sicherlich erfolgreich sein könnten, wenn sie nur wollten, aber es gibt keinerlei Promotionaktionen. ( Wer den Sender nicht kennt: Musikmix aus Klassik, Jazz, Blues und anspruchsvollem Pop, dazu Information, Wetter, Verkehr, Interviews, Kultur, Journale. Am Abend Spezialsendungen. Am Programmschema sind sicher noch einige Verbesserungen nötig. Wer dort oben im Nordwesten dennoch eine Kulturwelle der alten Schule hören will, kann ja dann NDR Kultur hören. Und Nordwestradio sollte auch dann für den Süden und Westen Niedersachsens zu hören sein. NDR Kultur sollte sich dann eher an WDR5 orientieren, aber bei den musikal. Inhalten auf klassische Klassik setzen. Neue Frequenzen brächte der NDR auch nicht.
Des weiteren bin ich der Auffassung, dass jede ARD Anstalt so handeln sollte, also sollte der RBB auch beide Programme behalten, ich kann RadioKultur aber nicht beurteilen, weil nur selten spezielle Sendungen dort gehört.

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http://www.radiobremen.de/nordwestradio/
 
Ich habe mich immer gegen Adornos Theorie der "Kulturindustrie" und Benjamins Beschwörung des "Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduktion" gewehrt, habe immer gedacht, dass sich innerhalb des kulturellen Systems eine Art Selbstregulierungsmechanismus befindet. Aber ich muss zugeben, dass auch mich in der letzten Zeit eine Spur von Kulturpessimimus überkommt. Muss wohl das Alter sein.

Zur Sache: Die Diskussion um Speicherung und Distribution von Musik ist schon ziemlich alt. Das hat mit dem Abspielen von Musik auf mechanischen Instrumenten (z.B. die berüchtigten mechanischen Klaviere) begonnen. Der Vorwurf lautete stets, dass Musik ihren performativen Charakter und damit ihre "Aura" verliert. Oder, von der Rezipientenseite betrachtet, dass die ästhetische Erfahrung einer Musikaufzeichnung der direkten Erfahrung des Werkes nicht gleich kommt. Auch der Rundfunk war Gegenstand der Kritik. Ich verweise da auf einen Aufsatz von Robert Wangermée (war Generaldirektor des Belgischen Rundfunks und Präsident der Rundfunkprogrammkommission der Europäischen Rundfunkunion) aus dem Jahr 1975: "Rundfunkmusik gegen Kulturmoralisten verteidigen". Der Aufsatz endete mit Fragen: "Entspricht die so oft kritisierte Klangkulisse, wenn sie aus guter Musik besteht, nicht der Idealvorstellung von einer schönen Umwelt, die es dem Menschen erlaubt, sich der unversehrten Natur oder eines harmonischen Stadtbildes zu erfreuen? Und ist es für den, der es will (und der durch vorangegangene Ausbildung vorbereitet wurde) die Klangkulisse des Rundfunks nicht in einem gewissen Sinn 'Kunst im Leben'?"

Wangermée sprach bereits damals einige wichtige Punkte an.

1.) Die Legitimation des sinnlich-emotionalen Hörens
2.) Den Unterschied zwischen den Medien der Musik (Musik ist ja selbst kein Medium, aber sie hat eine mediale Funktion) bei Performance, Speicherung und Rezeption. Den Energietransfer eines Live-Events (Menschmedium -> Primärmedium), also die Kommunikation zwischen Publikum und Musiker kann kein technisches Medium (Tertiärmedium) - weder Radio noch Tonträger - ersetzen. Aber Musik erhält eine neue Qualität. Sie ist einem weitaus größeren Publikum zugänglich und sie kann beliebig oft wiederholt werden (vielen erschließt sich Musik nur über beständige Repetition).
3.) Die Vorbereitung des Hörers durch vorangegangene Ausbildung

Diesen dritten Punkt halte ich für äußerst bedeutsam. Wangermée
schreibt über die Liebhaber ernster Musik: "Ist es also eine Sache der Begabung, wenn es 'gute' Rundfunkhörer gibt, die zu dem 'wirklichen Hören' fähig sind? Die zahlreichen Untersuchungen über Musik im Rundfunk zeigen deutlich, daß die Gaben der Natur nicht die einzig bestimmenden Faktoren sind." Er zitiert eine Umfrage des Süddeutschen Rundfunks, nachdem sich die Hörer "in sehr entscheidendem Maß aus Vertretern höchster Bildungsschichten und der Großstädte" zusammensetzen.

Die Zahl der Abiturienten und Hochschulabsolventen steigt ständig. Trotzdem wird ein sinkendes allgemeines Bildungsniveau beklagt. Das ist wohl ein gesamtgesellschaftliches Problem: ich würde dafür (ganz kulturpessmistisch) die BWLisierung der Bildung anführen. Musische Ausbildung und damit verbundene "Herzensbildung" (ich weiß, seltsamer und altmodischer Begriff) kommen eindeutig zu kurz.

Das ist eine Zwickmühle. Einerseits sollten die Kulturprogramme dagegensteuern und sich dem Trend entziehen. Andererseits findet sich in der Gesellschaft ein immer geringeres Bedürfnis nach Anspruchsvollem. Also versucht man, durch Anbiederung an den Massengeschmack neue Rezipienten einzufangen. Die Erziehungsfunktion kann nicht nur durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geleistet werden. Den "guten Rundfunkhörer" muß man sich heranziehen und nicht seiner angeborenen Trägheit folgen. Das gilt sowohl für die öf-re's, als auch für die Privaten. Dann könnte Radiomachen nämlich wieder richtig Spass machen.

Das waren jetzt "ganz alte Kamellen". Hoffentlich habe ich euch damit nicht zu sehr gelangweilt.
 
Zunächst mal ist es nicht verwerflich, dass sich eine Kulturwelle einen jüngeren Hörerkreis zu erarbeiten versucht als es der bisherige ist.
Dass das mit einer grundsätzlichen Profiländerung verbunden ist, liegt auf der Hand.
Dass die bisherigen Kulturwellen aus dem berühmten Elfenbeinturm gesendet haben, bleibt unbestritten.
Dass jüngere Hörerschichten noch nicht ganz oben auf diesem Turm angekommen sind, ist offensichtlich.
Dass sie dort auch gar nicht ankommen wollen, ist zu erwarten, wenn man die von postit so treffend bezeichnete "BWLisierung der Bildung" bedenkt.

Damit sinkt die Rezipierfähigkeit des neuen Ziepublikums gegenüber der des bisherigen.
Damit müssen neue Formen der Prorammgestaltung gesucht werden. Begriffe wie "Tagesbegleiter" wecken natürlich beim gewohnten "Einschalthörer" ablehnende Gefühle, weil er sich als Hörer, der jetzt "mit seichtem Programm abgespeist werden kann", in seinen inhaltlichen Bedürfnissen nicht mehr ernst genommen fühlt.
Deshalb müssen die Reformen der Kulturwellen zum Ziel haben, Programm nicht nur zu senden, sondern dafür zu sorgen, dass es auch ankommt, gehört werden kann, selbst wenn man nebenbei etwas anderes macht - ohne dadurch zum Begleitmedium zu werden. Das hätte zur Folge, dass jüngere Hörer eher dran bleiben und die bisherigen dennoch in ihren inhaltlichen Bedürfnissen befriedigt werden.
Mir scheint nämlich, dass die meisten Inhalte zwar fachlich korrekt formuliert sind, aber nur dann verstanden werden können, wenn man sehr bewusst und vor allem äußerst konzentriert zuhört. Das wird aber nicht der typischen Hörsituation gerecht.
Die Kunst(!) besteht darin, komplizierte Inhalte sofort verstehbar zu machen und den Hörer durch die Darstellung zu fesseln, und nicht darin, den Hörer zum Zuhören zu zwingen, weil er sonst nicht mehr mitkommt.
Wenn die Reformfreude der Kulturwellen darauf abzielt, halte ich sie für richtig und erfolgversprechend.
Das sind natürlich jetzt rein methodische und keine inhaltlichen Gesichtspunkte.
db
 
@ beobachter

Zitat: "Die Kunst(!) besteht darin, komplizierte Inhalte sofort verstehbar zu machen und den Hörer durch die Darstellung zu fesseln, und nicht darin, den Hörer zum Zuhören zu zwingen, weil er sonst nicht mehr mitkommt.
Wenn die Reformfreude der Kulturwellen darauf abzielt, halte ich sie für richtig und erfolgversprechend."

Gut beobachtet! Die Präsentation ist der Knackpunkt. Leider war man bei den Kulturwellen bisher bemüht, den akademischen Duktus zu bewahren und damit "Kultur" als Exklusivterritorium einer kleinen Bevölkerungsgruppe zu erhalten (sozusagen angewandter Artenschutz im Reservat der Bildungsbürger). Nur ist dieses Territorium inzwischen overprotected, es kommt kaum noch Nachwuchs über die aufgebauten Zugangsbarrieren.

Dem gesellschaftlichen Wandel müssen auch die Kulturwellen Rechnung tragen. Eine ausgewogene Mischung von anspruchvollem Inhalt (übrigens nicht nur Wort, Musik ist auch Content) und Unterhaltung ist, denke ich, geboten.

Nur sollte man nicht den Fehler machen, sich am Konzept des "Formatradios" zu orientieren. Rotation halte ich für unangebracht. Sicher, das bisherige Verfahren ist aufwendig und teuer. Mancher fragt sogar, ob die Klangkörper der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht besser abgeschafft werden sollten. Aber diese stehen für eine Verbindung des Rundfunks (als Verbreiter von Musik) zum Produktionsprozess. Denn das ist der große Unterschied zu Klassik Radio: Hier beschränkt man sich auf die Distribution von bereits fertigen Tonträgern. Was für ein kommerzielles Radio völlig OK ist. Das ist reine Unterhaltung und Begleitung - verbunden mit Service-Anteilen (z.B. Wirtschaft, Verkehr), die bei einer öf-re-Kulturwelle deplatziert wären, aber bei KlaRa die Verbindung zum realen Lebenskontext der Masse herstellen. Die öfr-re-Kulturwellen haben hingegen einen Bildungsauftrag, den sie auch mit der Produktion von Kultur erfüllen. Sie sollten sich nicht zu sehr am kommerziellen Radio orientieren, aber trotzdem an der Präsentation arbeiten. Wenn KlaRa und die Öf-Re sich etwas weniger als Konkurrenten begreifen würden, könnten die sich wunderbar ergänzen.
 
Original geschrieben von dopw
Ich möchte mal Nordwestradio von Radio Bremen und dem NDR ins Gespräch bringen...

Als gutes Beispiel?? Das ist Grottenfunk allererster Güte, jedenfalls tagsüber.

Also ich finde, dass die ein ausgezeichnetes Programm machen, mit dem sie sicherlich erfolgreich sein könnten, wenn sie nur wollten, aber es gibt keinerlei Promotionaktionen. ( Wer den Sender nicht kennt: Musikmix aus Klassik, Jazz, Blues und anspruchsvollem Pop, dazu Information, Wetter, Verkehr, Interviews, Kultur, Journale.

Tut mir leid, aber die Musik ist unglaublich schlechte Fahrstuhlmusik. Die Mischung, die Bremen 2 hatte, die war gut, da hätten sie sich anlehnen sollen und das ganze etwas durchgängiger machen sollen. Das was die jetzt senden, ist schaurig, jedenfalls, was das Tagesprogramm angeht.

Die Infohäppchen sind wirklich toll: Über das Weltgeschehen wird man in den Nachrichten miserabel informiert, denn: Nachrichten aus dem Nordwesten (Landfunk...) und Kulturnachrichten nehmen den Platz weg.

Die Quoten sind eingebrochen und das liegt nicht daran, daß sie keine Promotion machen (das stimmt nicht!) sondern daran, daß sie alle Bremen 2-Hörer sofort beim Programmstart vergrault haben.

Aber das Nordwestradio ist ja nicht mit dem Vorsatz gestartet, gutes Kulturradio zu machen, sondern als Sparmaßnahme.

Am Abend Spezialsendungen.

Das ist das, was vom alten Programm übrig geblieben ist. In der Tat sehr gut und nicht nur abends, sondern auch am Wochenende, wirklich hörenswert.

Am Programmschema sind sicher noch einige Verbesserungen nötig.

Ja, in der Tat. Die sind so derbe inkonsequent: In der Morgensendung Musikzeit gibt es politische Informationen. In der Infosendung Kulturberichte und in der Kulturschiene dann wieder politische Infos. Quark. Die Moderatoren klingen seit dem ersten Tag (passend zur Mucke) so, als wenn sie unter Drogen stehen. Die Krönung ist der Jingle mit Dagmar Berghoff.

Wer dort oben im Nordwesten dennoch eine Kulturwelle der alten Schule hören will, kann ja dann NDR Kultur hören.

Das ist es ja wohl auch nicht mehr, eine Kulturwelle der alten Schule. Eher ein Klassikdudler.

Und Nordwestradio sollte auch dann für den Süden und Westen Niedersachsens zu hören sein.

Warum?

NDR Kultur sollte sich dann eher an WDR5 orientieren, aber bei den musikal. Inhalten auf klassische Klassik setzen. Neue Frequenzen brächte der NDR auch nicht.

Würde der NDR sowas wollen, hätten sie NDR4 in der ganz alten Form nicht aufgeben müssen.
 
Ach je, das NordWestradio ist nun tagsüber wirklich entsetzlich. Das kleinkarierte NDR1 Niedersachsen mit Häppchenbeiträgen und merkwürdiger Musik in einer 1500er Rotation von der Festplatte. Scahde, daß man nicht in der Lage ist, sich tagsüber am gutgemachten (auch musikalisch) MDR Kultur zu orientieren.
 
Es ist aber durchaus massentauglich und das war mein Anliegen. Und auch ich habe gesagt dass man noch einiges Verbessern muss. Man sollte meinen Post zusammenhängend bewerten ! Ich stimme hier allem zu. Musikauswahl sollte sicher noch erweitert werden, aber kein anderer Stil. Die Mischung passt, finde ich. Aber es ist nur meine Meinung, die nicht so sehr viele hier teilen. naja egal. Ich höredas Programm des öfteren
 
Und so heißt es bei ddp dazu:

Kulturradios der ARD im Umbruch
Frankfurt/Main (ddp). Wenn es um die Entwicklung der Kulturradios der ARD geht, dann machen sich die meisten Sender keine Illusionen. Ganz offen gibt man zu, dass sich die Einschaltquoten inzwischen im kaum noch messbaren Bereich bewegen. Für zusätzliche Alarmstimmung in den Funkhäusern sorgt das seit Jahren zunehmende Durchschnittsalter der Hörer - bei vielen Programmen liegt es im Bereich der Pensionsgrenze. "Es besteht echter Handlungsdruck", bringt es einer der Senderverantwortlichen auf den Punkt. In fast allen Anstalten werden jetzt die Kulturprogramme reformiert.

Massenprogramme waren Kulturradios noch nie - und werden es wohl auch nie sein. Doch das die Akzeptanz der ARD-Kulturprogramme bislang so niedrig ist, wie sie ist, dass wollen die Senderchefs nicht mehr auf sich sitzen lassen. "Schließlich kosten die Kulturprogramme auch eine Menge Geld", sagt Gernot Romann, Programmdirektor Hörfunk beim Norddeutschen Rundfunk (NDR).

Laut der Medienforschung interessieren sich 19 Prozent der Bundesbürger sehr für Kunst und Kultur. Die Reichweite der Kulturradios pendelt aber nur zwischen 2,5 und 0,5 Prozent - und das bei einer statistischen Schwankungsbreite der Messungen von 1,5 Prozent. "Bei einer gemessenen Reichweite von 1,5 Prozent könnte das theoretisch bedeuten, dass sie tatsächlich 0 Prozent beträgt", sagt der Hörfunkdirektor des Hessischen Rundfunks (hr), Heinz Sommer. Woher kommt also der gravierende Unterschied zwischen dem Kulturinteresse der Deutschen und der Nutzung der Radioprogramme?

Nicht wenige der Programme haben mehr als zehn Jahre lang nach dem gleichen Schema funktioniert: viel klassische Musik, dazwischen vorproduzierte und zum Teil mehrstündige Lesungen und Hörspiele, selten Live-Moderation und immer wieder eine behäbige, bisweilen belehrende Ansprache.

Doch damit soll jetzt Schluss sein. Anfang des Jahres krempelte der NDR sein Kulturprogramm um. Aus dem gemeinsam mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) produzierten "Radio 3" wurde das in Eigenregie betriebene "NDR Kultur". Tagsüber prägen jetzt großflächige Magazinsendungen das Bild mit Premierenberichten, Interviews, Reportagen, Tipps und Nachrichten. Nach einem ähnlichen Schema hat der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) sein Kulturprogramm konzipiert. Und auch der hr schlägt mit der am Montag in Kraft tretenden Reform seiner zweiten Hörfunkwelle diesen Weg ein.

Im Unterschied zum NDR setzen MDR und hr allerdings auf ein erweitertes Musikspektrum. "Wir haben festgestellt, dass es viele - vor allem jüngere - Menschen gibt, die mit Interesse Ausstellungen besuchen, statt klassischer Musik aber lieber anspruchsvollen Pop, Jazz und Weltmusik hören", sagt die Wellenchefin von hr2, Angelika Bierbaum. Fairerweise muss man hinzufügen, dass dem hr und dem MDR das Zurückfahren klassischer Musik leichter fällt als dem NDR, besitzen diese beiden Programme doch seit einiger Zeit eine eigene Klassik-Welle.

Der hr will nicht aber nicht nur mehr Musik-Vielfalt in seinem Kulturprogramm erreichen. Vielmehr soll auch die Frage, was Kultur ist, insgesamt anders beantwortet werden. Der Kulturbegriff habe sich in den vergangenen Jahren verändert, betont Bierbaum. Dies müsse sich im Programm widerspiegeln. Und so sollen künftig auch gesellschaftspolitische, Bildungs- und Wissenschaftsthemen im Programm vorkommen. "Ich möchte, dass wir auch darüber berichten, wenn Wolfgang Joop seine Autobiografie vorstellt oder ein interessantes Sachbuch erscheint", sagt Bierbaum.

Einen weiten Kulturbegriff verfolgt neben dem Bayerischen Rundfunk (BR) und dem MDR auch der Mitte des Jahres auf Sendung gegangene Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) für sein neues Kulturradio. Dieses soll am 1. Dezember starten und die Kulturprogramme vom ehemaligen Sender Freies Berlin (SFB) und dem ORB, "Radio 3" und "RadioKultur" ablösen. Oberstes Ziel der Programmmacher ist nach eigener Darstellung, ein "zeitgemäßes und zukunftsfähiges" Kulturradio zu gestalten, das auch jüngere Hörer anspricht.

Trotz der angestrebten Verjüngung wollen die meisten Sender nicht, dass ihre Kulturradios nach dem gleichen Schema wie die Massenprogramme funktionieren. Werbe-Jingles wie "die besten Hits der...." oder Personality- und Gewinnshows sollen auch in Zukunft nicht über den Äther gehen.
 
Original geschrieben von der beobachter Werbe-Jingles wie "die besten Hits der...." oder Personality- und Gewinnshows sollen auch in Zukunft nicht über den Äther gehen.
Na wenigstens das nicht......

Was mich aber bedenklich stimmt, ist die Tatsache, dass ein Altersdurchschnitt an der Pensionsgrenze für "Handlungsdruck" sorgt. Wer, wenn nicht die ÖR, soll denn diese Altersgruppe beliefern, die demnächst die Hälfte der Bevölkerung stellt?
 
Das hat zwar nicht der beobachter geschrieben sondern ddp, für die er nicht arbeitet... ;) ...egal.

Die "Neuorientierung" der ÖR-Kulturwellen halte ich grundsätzlich für nicht schlecht, weil immer weniger Hörer "nachwachsen", im Sinne von "den Sender einschalten, wenn sie älter werden". Man muss die zukünftigen Hörer offenbar früher von sich überzeugen, um sie später zu haben. Das ist ein berechtigtes Interesse und eine nachvollziehbare Strategie. Wenn DAS die Strategie ist und es sich nicht um weitere Jugendwahnverjüngung handelt.
Es fragt sich, wie sie mit ihren "alten" Hörern umgehen, ob sie einfach davon ausgehen, dass die schon bleiben werden - sind ja nicht mehr so flexibel ;). Oder ob sie sich eben nicht nur um neue jüngere Hörerschichten Gedanken machen, sondern auch darum, wie sich ein gutes Programm für die 50 bis 70-Jährigen anhört, die bei der vermuteten geringeren Flexibilität auch nicht mehr alle Veränderungen mitmachen und abschalten.
Wenn ich den Ausdruck lese "mehr Musik-Vielfalt ", dann wird mir schlecht, aber ich assoziiere damit hoffentlich etwas gaaanz Falsches.
db
 
Original geschrieben von der beobachter: Das hat zwar nicht der beobachter geschrieben sondern ddp, für die er nicht arbeitet... ;) ...egal.
Da siehst Du mal, wo die Automation (in diesem Falle der Radioforen) hinführt....:D

Natürlich ist es lobenswert, wenn sich ÖR-Sender um eine Hörerschaft bemühen, die weder von den "alten" Kulturradios noch vom Dudelfunk erreicht wird. Bei mir schleicht sich nur die Befürchtung ein, dass man analog zur Privat-Denke (nur eben eine Generation weiter) die Älteren hinten runter fallen lässt - so nach dem Motto "Die hören sowieso schlecht, haben bald auch kein Geld mehr für ein Radio und sterben eh demnächst". Das wäre genau das Gegenteil des ör Auftrags.
 
Original geschrieben von der beobachter
Die Kunst(!) besteht darin, komplizierte Inhalte sofort verstehbar zu machen und den Hörer durch die Darstellung zu fesseln, und nicht darin, den Hörer zum Zuhören zu zwingen, weil er sonst nicht mehr mitkommt.

Find ich richtig. Ich denke aber, dass wir hier mit dem "typischen Nebenbei-Hörer" oftmals falsch liegen. Da ich vermute, dass bei diesen Sendern andere Hörsituationen vorliegen, möchte ich annehmen, dass viele dieser Hörer anders und von vorn herein aufmerksamer zuhören. Kann man einen Hörer zum hören zwingen? Ich denke nicht. Wird es zu unverständlich, schaltet er ab. Ob mental oder über die Off-Taste.

@ berlinreporter

Muss ja nicht alles in einem Radio stattfinden.
 
Da gebe ich Dir recht, Hexe - es sollte keine Kunst, sondern Handwerk sein.

Und natürlich muss es nicht in einem Sender stattfinden - aber das ist eben meine Befürchtung.
 
Einspruch Euer Ehren!
Natürlich ist es für einen gelernten und fähigen Radiomacher (soll es ja noch geben) einfach sein Handwerk, so darzustellen, dass man wie von selbst gerne zuhört und nicht erst hohe Kunst. Die Darstellung bei den Kulturwellen ist aber alles andere als das.
Wenn ich dann aber einige Kulturwellen höre, höre ich oft weder Handwerk noch Kunst, sondern eine Aneinanderreihung von Inhalt, die offenbar von der Hoffnung getragen sein muss, dass der Hörer das schon irgendwie mitmacht.
Es ist doch eine Binsenweisheit, dass auch viele ZUhörer ein Thema oft "nur so mitnehmen", vielleicht gespannt sind, welches Thema der Sender jetzt gerade hat und zuhören, auch wenn es sie nicht brennend interessiert. Und genau diese Hörer sollten durch ein gute Darstellung gehalten werden. Außerdem: Natürlich wird niemand gezwungen Radio zu hören, aber wir können es Hörern leicht machen zuzuhören und wir können es ihnen leicht machen abzuschalten. Letzteres ist einfacher sicher, aber ersteres ist unser Job.

berlinreporters Befürchtung, dass die Kulturwellen die ältere Hörerschicht unter der Hand hinten runter fallen lässt, teile ich trotz meines Verständnisses für die "Verjüngung" der Kulturwellen.
db
 
Zitat berlinreporter: "...es sollte keine Kunst, sondern Handwerk sein."

Für mich kommt "Kunst" von "Können".

Zitat Radiohexe: "Ich denke aber, dass wir hier mit dem "typischen Nebenbei-Hörer" oftmals falsch liegen. Da ich vermute, dass bei diesen Sendern andere Hörsituationen vorliegen, möchte ich annehmen, dass viele dieser Hörer anders und von vorn herein aufmerksamer zuhören. "

Das war, denke ich, mal so. Die Hörgewohnheiten ändern sich. Und damit auch die Fähigkeit, konzentriert zuzuhören. Sinn der Kulturwellen ist es nicht nur, die bisherigen Hörer zu bedienen, sondern auch neue Rezipientenschichten für andere Inhalte als "Popstars" zu erwärmen. Letztlich soll die Medienkompetenz des Einzelnen gestärkt werden: die Fähigkeit, aus dem vorhandenen Angebot situativ zu selektieren und dieses gegebenenfalls zu hinterfragen. Aber dafür muss zunächst einmal Interesse geweckt werden, was am ehesten über eine ansprechende Präsentation gelingt (-> Edutainment).

Euch alle möchte ich fragen, mit welchen Kulturbegriff Kulturradio verbunden wird. Häufig werden "Kunst" und "Kultur" synonym gebraucht. Oder im Fall des Musikprogramms: klassische Musik (als die "künstlerisch hochwertigere") - das halte ich für zu eindimensional.

Kultur, wie ich sie verstehe, hat als Schlüsselbegriff den "Geist" und umfasst die kollektiven Vorstellungen von sozialen Institutionen, Gebräuchen und Lebensordnungen (natürlich stark vereinfacht dargestellt). Medien erschaffen zwar nicht die Realität, aber sie vermitteln die Vorstellung, die die Menschen von der Wirklichkeit haben. Dadurch wirken sie immer kulturbildend. Das gilt besonders für das Radio, welches (als Nebenbeimedium) eine starke suggestive Wirkung hat. In diesem Sinne wäre auch das schlimmste "Hitradiotralala" Kulturradio.

Zitat beobachter: "Wenn ich dann aber einige Kulturwellen höre, höre ich oft weder Handwerk noch Kunst, sondern eine Aneinanderreihung von Inhalt, die offenbar von der Hoffnung getragen sein muss, dass der Hörer das schon irgendwie mitmacht."

Ich bleibe jetzt mal bei der Aufgabe des Kulturradios, sogenannte "Hochkultur" zu vermitteln. Diese erschöpft sich nicht in klassischer Musik. Zur "kulturellen Vollversorgung" gehören auch andere Musikstile (z.B. Jazz und Chanson), Literatursendungen, Berichte von Ausstellungen etc, also das ganze Spektrum künstlerischen Schaffens. Eine Perlenkette von Inhalten, die von Knoten durchzogen ist. Ich halte ein gut gemachtes Radioformat übrigens für ein Artefakt, weil sich hier das Prinzip der "Harmonie" in dem Willen zu Formgliederung manifestiert. Die Macher der Kulturwellen könnten einiges von dem Machern der Privatradios lernen, was die einheitliche und ansprechende Gestaltung des Programmes betrifft. Formatradios sind erfolgreich, weil sie für die Hörer berechenbarer, wiedererkennbarer und leichter zu konsumieren sind als herkömmliche Vollprogramme. Ältere Hörer schalten sich in Vollprogrammen ein, jüngere präferieren Formatsender. Wer also junge Leute errreichen will, muss stärker formatieren, ohne seinen Anspruch aufzugeben. Ich möchte hier einmal betonen, dass "Radioformat" nicht zwingend identisch mit "Rotation" ist!
 
Mit der Unterscheidung zwischen "Kunst" und "Handwerk" meinte ich, dass die Fähigkeit, Menschen Inhalte per Wort zu vermitteln - und das in gebotener Kürze - zum Handwerkzeug gehören sollte. Wird dies als Kunst empfunden, heißt das für mich: Es gibt zu viele, die es nicht können.

Was erwarte ich von einem Kulturradio? Ähnliches wie Du - also nicht nur Klassik. In musikalischer Hinsicht erhoffe ich mir besonders Hilfen beim Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Ich möchte gerne von Moderatoren und Redakteuren für Musik interessiert werden, zu der ich bislang keinen Zugang hatte - also durchaus auch zeitgenössische Musik z.B. aus anderen Ländern.

Aber auch bestimmte Teile der Pop- und Rock-Kultur sollten dort ihren Platz finden. Beispielsweise haben etliche Rockmusiker auch Klassik nahe Stücke produziert - ich denke da an Emerson, Lake and Palmer oder an Jon Lord. Ich denke an Konzept-Alben á la Lamb Lies Down On Broadway oder A Passion Play. Ich denke an gute Musiker, die ihre üblichen Pfade verlassen haben - ob es Sting, Gianna Nannini und Jack Bruce sind, die die Dreigroschenoper interpretieren - oder ob es John McLaughlin ist, der sich in die Gesellschaft von Paco de Lucia und Al di Meola wagte.

Das, was in den üblichen Schubladen liegt, kennt man - ein Kulturradio sollte mir die Dinge bieten, die ich nicht in den Schubladen finde.

Nicht zuletzt wünsche ich mir von einem Kulturradio, dass es auch in der aktuellen Musikszene die Perlen findet, die zweifelsohne immer noch wachsen - "Künstler", die diesen Namen verdienen.
 
Habe eben ein (wieder einmal ganz altes) Zitat zum kulturkritischen Streit um die (vermeintliche) Oberflächlichkeit des Hörfunks gefunden.

Rudolf Arnheim in "Radio" (1936):
"Der Rundfunk enthebt den Hörer von der Notwendigkeit, ein Gedankengeschäft aufzunehmen. Statt eines bestimmt gerichteten Individuums, das, dieser seiner Richtung entsprechend, gewisse Dinge sucht, andere verwirft, gewisse assimiliert, andere unverdaut ausscheidet, treibt der Rundfunkhörer wie ein Kork auf den Wellen, hört hintereinander weg eine unendliche Reihe gänzlich unzusammenhängender Dinge, und so ohne Atempause, daß er auch darum herumkommt, das Gehörte nachträglich zu verarbeiten, zu beurteilen [...]. Der Rundfunk ist Dauergast, und mit einem solchen macht man bekanntlich keine Umstände. Das Leben geht weiter, als wäre er gar nicht da."

Begleitmedium zum Nebenbeihören wurde Radio demnach nicht erst durch die Privatsender. Passt vermutlich auch zum Thema "Warum war früher alles besser".
 
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