"Nicht wirklich" – neue Unart!

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Dudelmoser

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Hallo Kollegen,

seit längerem schon fällt mir eine neue sprachliche Unart auf: Die Formulierung "nicht wirklich".

"Merkel macht das nicht wirklich schlecht"
"Die Waldbrandgefahr in Griechenland ist nicht wirklich gebannt"
"Die Umfragewerte der SPD sind nicht wirklich gut"

Was mir dabei auffällt: Nicht nur Interviewpartner benutzen diese Wortkombination, sondern auch Moderatoren bzw. Interviewer - sogar in ö.-r. Nachrichtenkanälen wie z.B. WDR 5. Was wollen mir die Journalisten sagen?

Ich weiss, diese Unart ist "nicht wirklich" neu, sie nimmt aber auch "nicht wirklich" ab, sondern die Ausbreitung ist "nicht wirklich" gestoppt.
 
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Wer diese Phrase ständig benutzt, hat einfach nicht den Arsch in der Hose, es beim "nicht" zu belassen.
 
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Ach Gott, da ist mal wieder ein "geflügeltes Wort" endlich auch in der Medienzunft angekommen und einige sehen gleich wieder den Untergang des Abendlandes... :rolleyes:
 
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Das Abendland ist sicher nicht in Gefahr, eher langweilt der inflationäre Gebrauch.:rolleyes:
 
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Interessante Artikel. Was mich dabei wundert, dass Journalisten/Moderatoren (die eigentlichen Sprachgenies) diese Formulierung immer häufiger verwenden.
 
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Was meinste denn, das Moderatoren nicht wirrklich die Sprachgenies sind oder sein sollten oder das sie die Formulierung nicht wirklich immer häufiger verwenden?
 
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Also, es wird Zeit, dass ich mir ein paar neue Feinde mache ;)

Ich finde ein "nicht wirklich" erfrischender als das umständliche deutsche "eigentlich nicht", das auch eigentlich nicht wirklich Sinn ergibt. Uneigentlich doch? Und ich sehe schon noch eine Differenzierung zwischen "Hast Du Lust?" "NEIN!" und Hast Du Lust?" "Nicht wirklich". Da schwingt mehr mit, das lässt Freiraum, eventuell doch noch einmal die Ablehnung zu überdenken bzw überredet zu werden.
Welchem Schüler würde der Lehrer eher milde verzeihen?
"Hast Du Deine Hausaufgaben gemacht?" "NEIN!"
"Hast Du Deine Hausaufgaben gemacht? "Nicht wirklich..."

Kurz: Für mich ein Anglizismus, der mich eigentlich nicht stört.
Ansonsten aber natürlich und auf ewig immer einer Meinung mit den Damen und Herren Postern:
Onkel Otto :D
 
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Welchem Schüler würde der Lehrer eher milde verzeihen?
"Hast Du Deine Hausaufgaben gemacht?" "NEIN!"
"Hast Du Deine Hausaufgaben gemacht? "Nicht wirklich..."

Ich dem ersten. Der hat wenigstens den A* in der Hose, das Verpennen der Aufgaben zuzugeben. Der zweite nervt, wie die drei Punkte illustrieren, nur mit ausfluchtsreichem Gelaber.

Dort wo guter Journalismus Dinge auf den Punkt bringen will, sollte man solche Floskeln vermeiden. Aber was hat guter Journalismus noch mit Radio zu tun?
 
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Nun will ich mich nicht Deiner Analyse verschließen, Grenzwelle. Objektiv hast Du recht. Aber, wenn es "zwischenmenschelt", ist die Konnotation von "nicht wirklich" doch recht hilfreich, Kategorisches zu relativieren (finde ich jedenfalls...).
 
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"Not really" ist aber umgangssprachlich nicht so gebräuchlich wie die Übersetzung (ist mein Hör- und Leseeindruck).
 
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Logo kommt es daher. Es entspricht aber für mich weniger einer teuflischen Tendenz zu Anglizismen, als mehr der um sich greifenden Unart der sprachlichen Unklarheit. Dazu gehört auch "ein bisschen" oder "ein wenig", wo es vollkommen fehl am Platze ist. Es ärgert mich natürlich vor allem, wenn ich es selbst vollkommen unbewusst verwende. Z.B. "Herr Borstenstein, wir möchten uns gerne ein wenig über ihre Erlebnsse an der Front unterhalten", das hört sich doch eigentlich schwachsinnig an. Also entweder möchten wir uns unterhalten, oder nicht. Kurz: Das sind Formulierungen, die bewusst eingesetzt auch Sinn machen: "Heute hat es ein bisschen weniger stark geregnet als die letzten Tage, aber...", auf die oft unpassend eingesetzt werden, wo man darauf auch verzichten könnte, oder die sogar eine Furcht vor sprachlicher Präzision ausdrücken. Stimmt, damit geht das Abendland nicht unter. Aber wird Sprachkünstler schon an unseren Formulierungen feilen, könnten wir das ja auch berücksichtigen.
 
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Nicht wirklich? *lol* ja das iss doch ein nettes Wort. Kann dennoch aber tierisch nerven, das gleiche hat man ebenso auch mit solchen Aussagen wie z.B. "eigentlich schon"

Ich finde selbst, "eigentlichen schon", "so garnicht" oder "es ist ja nun so" sind um einiges ätzender als "nicht wirklich". Trotz alledem nerven sie alle doch jeder benutzt sie...

Irgendwie sagen diese Worte "nicht wirklich" was aus. Allein wenn man präzise Antworten geben soll, passt "eignetlich schon" z.B. nicht. Eigentlich klingt wie so "ja, der Schuhe passt, aber irgendwie passt er auch nicht".
 
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Hoch interessant, Divy. "Die Furcht vor sprachlicher Präzision". Vielleicht kommt meine Sympathie für Formulierungen, die "Fluchtwege" offen lassen, auch daher, dass ich jeden Tag in der Nachrichtenredaktion am Ringen um präzise, glasklare und eindeutige Aussagen beteiligt bin und in Wahrheit die gemütliche Sofa-Ecke des Ungefähren bevorzuge.
Danke für den Denkanstoß!
Außerdem geraten wir hier unmittelbar in die Sub-Ebene der gesprochenen Sprache. Du hast es trefflich analysiert!
 
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Nö, das liegt wohl auch daran, dass sich beim "Eindeutschen" ein leichter Bedeutungswechsel vollzogen hat. Das deutsche "nicht wirklich" hat ja die Konnotation von "nicht vollständig, nur ein bisschen, nur in Ansätzen", während das englische "not really" oft die höfliche Art ist, "ganz im Gegenteil" zu sagen...

Vor über zehn Jahren stand übrigens schon "nicht wirklich" als Charaktermerkmal neben meinem Foto in der Abi-Zeitung.

Ich war's also.
 
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Vor über zehn Jahren stand übrigens schon "nicht wirklich" als Charaktermerkmal neben meinem Foto in der Abi-Zeitung.

Ich war's also.

Billyray, sofort bei Qualiton anrufen, die Kleidergröße Deines Büßergewandes ermitteln und in die Hauptstadt pilgern. Wenn Du in Frankfurt vorbei kommst, gibt es noch einen Sack Asche von mir!
 
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