Politik und Reporter - geht das?

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Kam über ddp:

Günther Koch will SPD-Abgeordneter sein und BR-Sportreporter bleiben. Die Reporterlegende will Mikro nicht abgeben und droht BR mit Wechsel zum Privatfunk.
Nürnberg/München (ddp). Das Rekordergebnis des für die SPD in den Bayerischen Landtag gewählten Nürnberger Sportreporters Günther Koch sorgt für neuen Streit um die Vereinbarkeit von Mandat und journalistischer Tätigkeit. Koch sagte am Dienstag auf ddp-Anfrage, er wolle sein Mikrofon nicht abgeben, sondern weiter Fußballspiele für den Bayerischen Rundfunk (BR) moderieren. Doch der BR will "die Stimme Frankens" nicht mehr über den Äther schicken. Die "Unvereinbarkeit von BR-Tätigkeit und Mandat" sei in einer Dienstanweisung auch auf freie Mitarbeiter ausgedehnt worden, sagte BR-Sprecher Rudi Küffner.

Der politische Senkrechtstarter Koch hatte bei den Landtagswahlen am Sonntag ein Rekordergebnis eingefahren. Ohne eigenen Wahlkreis gewann er 54 199 Zweitstimmen und schob sich mit knapp 4000 Stimmen Vorsprung vor die Listenführerin und mittelfränkische SPD-Spitzenkandidatin Christa Naaß.

Der pensionierte Lehrer gab sich zuversichtlich, bei einem entscheidenden Gespräch am Donnerstag mit BR-Intendant Thomas Gruber einen Kompromiss zu erreichen. Er habe in der letzten Zeit "zumindest keine gegenläufigen Signale" bekommen, die einer Verbindung von Mandat und Reportertätigkeit im Wege stünden.

Koch unterstrich seine Kompromissbereitschaft und betonte, er sei bereit, im Sender kürzer zu treten. Sollte er sich mit dem BR aber nicht einigen, käme auch ein Wechsel zum Privatradio in Frage. "Ich habe von den Wählern ein deutliches Mandat bekommen. Nun hoffe ich, dass man mir das nicht verbietet, denn man weiß, dass meine Priorität das Sportmikrofon ist", betonte Koch. Eine Klage gegen seinen Arbeitgeber ziehe er aber nicht in Betracht.

BR-Sprecher Küffner bezeichnete den Fall Koch als "schwierig", weil sich an den grundsätzlichen Gegebenheiten nichts geändert habe. So habe Gruber dem Sportreporter bereits Ende vergangenen Jahres "nicht in Aussicht gestellt, im Falle eines Einzuges in den Landtag weiter beim BR moderieren zu dürfen". Dies wurde seitdem in einer auf freie Mitarbeiter erweiterten Dienstanweisung festgeschrieben. Demnach sei ein politisches Mandat und die Arbeit am Mikrofon oder einer Kamera "nicht vereinbar". Dies gelte auch "für Herrn Koch", betonte Küffner.

Der frischgebackene Landtagsabgeordnete Koch will sein Festhalten an der Sportreportertätigkeit auch als "demokratisches Prinzip" verstanden wissen. Sollte er tatsächlich zu einem Privatradio wechseln müssen, "wäre das ein falsches Signal an die Menschen im Land und der Demokratie abträglich". Statt die "elende Verkrustung der Inzuchtgesellschaft Politik aufzuweichen", werde es dadurch "noch mehr Nichtwähler geben". Schon jetzt seien viele Bürger der Wahl fern geblieben, weil sie glaubten, die Berufspolitiker würden ihr Geschäft "als Selbstbedienungsladen" betreiben.<

Was nun? Ist das vereinbar? Hat der BR recht, wenn er Koch nicht mehr on air lässt? Muss man Sport und Politik voneinander trennen und Koch weiter ranlassen? ...
db
 
Daß Politik und Medientätigkeit nicht zu trennen sind, zeigt ja schon Kochs Wahlergebnis, oder glaubt er etwa, er habe die ganzen Stimmen wegen seiner politischen Vorhaben bekommen? Hier hat einer, der seine Bekanntheit einem öffentlich-rechtlichen Medium verdankt, diese Bekanntheit genutzt, um sich den Einstieg in die Politik zu sichern - das ist schon nicht ohne Hautgout.

Stellen wir uns mal vor, Koch sei kein Sportreporter, sondern politischer Moderator bei, sagen wir, "Panorama". Könnte er dann, nach seinem Einzug in den Landtag, in dieser Position weiterarbeiten? Wahrscheinlich nicht, und das zurecht, denn niemand würde ihm mehr die journalistische Neutralität abnehmen, die er an dieser Stelle an den Tag legen müßte.

Dieses Problem ergibt sich bei einem Sportreporter sicherlich nicht, dennoch habe ich ein ungutes Gefühl, ohne es genau begründen zu können. Würden wir es gut finden, wenn Gottschalk seine Popularität nutzen würde, um ins Parlament einzuziehen? Würden wir es gut finden, wenn er danach darauf bestünde, weiterhin "Wetten, dass...?" zu moderieren? Eher nicht, denke ich. Wäre es etws anderes, wenn Koch bei einem Privatsender arbeiten würde?

Nach deutschem Recht darf einem Mandatsträger aus diesem Mandat kein beruflicher Nachteil erwachsen. Andererseits haben die Gesetzgeber wohl nicht den Fall einer Vermischung zweier öffentlicher Tätigkeiten, nämlich Mandat und öffentlich-rechtlicher Journalismus, vorhergesehen.

Schwierig...
 
Original geschrieben von Makeitso
Daß Politik und Medientätigkeit nicht zu trennen sind, zeigt ja schon Kochs Wahlergebnis, oder glaubt er etwa, er habe die ganzen Stimmen wegen seiner politischen Vorhaben bekommen?
Das fehlte mir auch in dem obigen Artikel. In den USA ist so was natürlich völlig normal - siehe Reagan oder Schwarzenegger.
Prinzipiell sehe ich keinen moralischen Grund, warum ein Sportreporter kein Mandat haben sollte. Ein Problem ist natürlich die Gleichbehandlung der Mitarbeiter innerhalb des BR. Und ein weiteres Problem sehe ich darin, wenn ein ein ÖR-Mitarbeiter im Landtag über die nächste Gebührenerhöhung abstimmt. Wenigstens sitzen bei ihm nicht wie bei Gottschalk Interviewpartner aus der Politik auf der Couch.
Was mir aber richtig weh tut, ist das Zitat "...denn man weiß, dass meine Priorität das Sportmikrofon ist." Das tut deshalb weh, weil hier ein gewählter Volksvertreter ungewöhnlich offen sagt, dass das Mandat für ihn nur eine Nebensache ist. Dadurch rückt er sich selbst in die Nähe des von ihm kritisierten "Selbstbedienungsladens. Wie soll der Bürger Wahlen ernst nehmen, wenn der Vertreter, dem er seine Stimme gibt, selbst ein paar Tage nach der Wahl immer noch nicht weiß, ob er das Mandat überhaupt annimmt? Koch hätte die Angelegenheit vorher klären müssen. Die BR-Bestimmungen kannte er ja auch vorher.

Aber mal ne andere Frage: Darf sich der bayerische König äääääh Ministerpräsident eigentlich so einseitig auf die Seite eines Fußballclubs schlagen? Ich vermute, nach 2006 wird Uli Hoeneß sowieso Wirtschaftsminister.
 
Was mir aber richtig weh tut, ist das Zitat "...denn man weiß, dass meine Priorität das Sportmikrofon ist." Das tut deshalb weh, weil hier ein gewählter Volksvertreter ungewöhnlich offen sagt, dass das Mandat für ihn nur eine Nebensache ist. Dadurch rückt er sich selbst in die Nähe des von ihm kritisierten "Selbstbedienungsladens.
Sehr richtig, das hatte ich vergessen.
In den USA ist so was natürlich völlig normal - siehe Reagan oder Schwarzenegger.
Aber Reagan hat keine Filme mehr gedreht, nachdem er in die Politik gegangen war und auch Schwarzenegger wird, gesetzt den Fall, er wird Gouverneur, wohl kaum "Terminator 4" machen. Wäre Peter Bond für die FDP in den Bundestag eingezogen, hätte ich auch kein Problem damit gehabt, da er das "Glücksrad" schon seit Jahren nicht mehr moderiert. Wäre er noch im Fernsehen aktiv, sähe ich das ein wenig anders.
 
Da hast Du natürlich Recht - ich bezog das auf die Tatsache, dass Menschen aufgrund ihrer Popularität als Schauspieler oder eben Reporter gewählt werden und nicht aufgrund ihrer politischen Kompetenz oder eines Wahlprogramms.
 
Das stimmt zumindest im Falle Reagan nicht, denn erstens war er kein so super-populärer Schauspieler wie Schwarzenegger und zweitens lag seine Filmkarriere schon 15 bis 20 Jahre zurück, als er Gouverneur wurde. Einen Zusammenhang zwischen seiner Schauspiel- und seiner Politikkarriere sehe ich daher nicht.

Aber zurück zum Thema: Wundert mich, daß hier so Wenige etwas dazu zu sagen haben. Im übrigen würde es mich interessieren, zu welcher privaten Konkurrenz Koch gehen wollen würde - wer von denen macht denn schon noch redaktionelle Sportberichterstattung außerhalb der 90-Sekunden-Headlines?
 
wäre doch mal interessant zu sehen, wie viele mandatsträger und parteibuchbesitzer gleichzeitig als journalisten tätig sind. da ist doch versuchung äußerst groß, politik im job zu betreiben. beim sport mag das ja noch angehen, aber sonst? gleichzeitig sollte man sich wohl ohnehin keine illusionen über die politische färbung der arbeit in einzelnen sendern machen.

und dann noch ein anderer aspekt: es kommt wohl immer drauf an, was man wann und wo macht/gemacht hat. siehe die stasi verwicklungen diverser mdr moderatoren. als das vor knapp drei jahren bekannt wurde, mussten einige gehen, andere durften bleiben. zu ddr zeiten haben die kollegen ja nichts "verbotenes" gemacht. aber ein schönes beispiel dafür, daß "politische tätigkeit" und journalismus eigentlich nicht zusammen gehen...
 
Die Rundfunk-Illustrierte "Gong" hat Ende der 80er eine solche Untersuchung veröffentlicht; danach war die ARD zu 2/3 rot und das ZDF mehrheitlich schwarz.
 
@Tom2000:
Was sind das für Umfragen? "Zu 2/3 rot und mehrheitlichen schwarz". Was bitteschön ist rot und was schwarz? Und wer bestimmt das? Ist derjenige der das festlegt vielleicht auch rot oder schwarz?

Natürlich kann keiner seinen politischen Standpunkt bei seiner Berichterstattung ausblenden - selbst wenn er/sie das wollte. Genau deshalb gibt es aber auch so etwas wie eine Medienvielfalt. Bei vielen Privaten spielt das aber ohnehin keine Rolle, weil zum großen Teil nur Verlautbarungsjournalismus betrieben wird.

Bedenklicher finde ich da auch schon das Thema "Stasi-Vergangenheit". Muss man sich zum Moralapostel aufschwingen und rigoros sein?
Oder muss man Unterschiede machen? So nach dem Motto "Was der getan hat war schlimm, was der andere getan hat weniger". Schwierige Frage und im Zweifelsfall wohl generell "gegen den IM" zu urteilen.
 
Also rot ist SPD, schwarz Union.
Das war aber doch nicht schwer zu verstehen, oder? ;)
Und überraschen dürfte das auch niemanden.
 
Also ich denke, insbesondere Makeitso hat es auf den Punkt gebracht. Ich stimme dem voll und ganz zu

In einem Punkt möchte ich ergänzen: Sicherlich macht es einen Unterschied, ob nun Koch als Sportreporter oder als Moderator eines politischen Magazins ein Mandat innehat. Ich halte es aber für nachvollziehbar, wenn der arbeitgebende BR dazu eine generelle Haltung formuliert. Denn wer will denn in jedem Einzelfall überprüfen, ob ein journalistischer Mitarbeiter in seinem Arbeitsgebiet nun befangen wäre oder nicht.

Wenn die jetzt bei Koch sagen, naja als Sportreporter ist der ja nicht befangen, dann hätte automatisch jeder freie oder feste Mitarbeiter einen Anspruch darauf, dass bei ihm im Einzelfall geprüft würde, ob ein politisches Amt im Widerspruch zu seiner journalistischen Tätigkeit steht.

Was ist mit dem Sprecher, der Nachrichten nur vorliest, aber nicht selbst redaktionell vorbereitet, auswählt, schreibt und gewichtet?

Was ist mit dem Moderator, der kein politisches Magazin moderiert, sondern nur die sonntägliche Musikwunsch-Sendung?

uswusw.

Ein Medium, insbesondere ein öffentlich-rechtliches, sollte überparteilich sein. In der Realität sieht das natürlich anders aus, denn zehntausende von Mitarbeitern können nicht ihre politische Meinung abschalten. Auch eine Mitgliedschaft in einer Partei (sofern sie verfassungskonform ist) halte ich für kaum verhinderbar. Es liegt in der Veranwortung eines jeden einzelnen Journalisten, trotzdem so differenziert wie möglich damit umzugehen. Schließlich gibt es ja auch erlernbares journalistisches Handwerk, dessen man sich bedienen kann. Inwieweit ein Sender oder ein bestimmter Reporter/Kommentator politisch "eingefärbt" ist, liegt dann im Auge des Betrachters.

Insofern müsste aber auch jedem (zumal auch noch erfahrenen) Journalisten klar sein, dass sich die Verbindung von Job und öffentlichem Amt gegenseitig ausschliessen. Für mich ist es nicht verständlich, dass der Kollege Koch sich dieser Konsequenz nicht bewusst ist, geschweige denn sie nicht von vornherein von selbst gezogen hat. Stattdessen macht er jetzt auch medialen Druck, in meinen Augen ganz offensichtlich mit dem Ziel, eine breite Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen und den BR in Zugzwang zu bringen ("Die können doch nicht den beliebten Günther Koch..."). Für mich realitätsfern, selbstherrlich, verantwortungslos und schlechter Stil.
 
Hallo Makeitso,

ich wollte Dir schon zustimmen, dann kam ich jedoch ins Grübeln und wollte Dich fragen: Wie groß sind eigentlich die Verknüpfungen von Politik und Sportvereinen? Ich meine jetzt besonders die Großen und deren Vorstände etc.?! Kannst Du mich da bitte mal aufklären? Ich bin in Sachen Sport nämlich total unerfahren.
SPORT FREI!
 
Günni for President!

Ach kommt schon Leute....besonders hängen geblieben ist mir das Wort "Verkrustet".
Ich finde, das trifft zum Teil auch auf eure Meinungen.
Sicher hat Günther Koch als "Stimme Frankens" viel Popularität eingeheimst. Aber ist es falsch, dass er diese jetzt nutzt? Schauts euch doch mal das Wahlergebnis an! Es muss sich in Reihen der Roten was tun. Es ist ja nicht so das G.K. ein reiner Sportreporter ist, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Gerade als pensionierter Pädagoge. Ich bin mir sicher, dass im Bayerischen Landtag viel zu viele sitzen, die da nur ihre Zeit absitzen und wirklich nicht besonders belesen sind.
Günther Koch dagegen ist jetzt für viele eine Art Hoffnungsträger. Er hat diese Popularität nicht umsonst. Die Menschen, die ihn gewählt haben kennen ihn und mögen seine direkte Art. Wenn er es schafft, diese in die Politik zu tragen...wer weiß? Vielleicht ist so etwas ein Ansatz endlich mal ein bissi was zu verändern.
Das er als Roter im "Sprachrohr" des Herrn Stoiber (BR) evtl. nicht unbedingt glücklich wird, dass dürfte wohl jedem klar sein. Wie wäre diese Diskussion innerhalb des BR wohl, wenn er Erzkatholisch und Tiefschwarz wäre? Nicht existent möchte ich meinen.
Sollte der BR G.K. wirklich abservieren, wäre das nur wieder ein weiterer Beweis, was für ein Krustenbraten der BR wirklich ist. Von wegen Meinungsfreiheit und freier Journalismus!
Ich bin gespannt, wie das sich entwickelt.

Mfg
 
Günther Koch ist ein Gott am Mikrofon. Es gibt weit und breit keinen zweiten, der es versteht die Emotionalität und Leidenschaft des Sports so authentisch zu vermitteln. Koch beherrscht die hohe Kunst der Radioreportage und wäre ein riesiger Verlust für die Radiowelt.

Koch erscheint ein wenig naiv, wenn er jetzt überrascht tut, weil der BR ihn vor die Entscheidung stellt. Das war ja wohl vorher schon ziemlich klar.

Mir persönlich ist egal, ob er ein Landtagsmandat hat oder nicht. Aber als Mitarbeiter einer 18 %-Fraktion ist einer wie Koch ohnehin pure Verschwendung. Den Leuten in Bayern nützt er gar nichts.

Als Sportfan sage ich: Günther, lass den Landtag Landtag sein und fahre raus ins Olympiastadion zum nächsten CL-Spiel der Bayern. Wir haben dich beim letzten Mal schon vermisst und auch beim Frankenderby hast du uns gefehlt.
 
Günther Koch nicht in den Landtag

Grade hat der BR eine Pressmitteilung rausgegeben; darin heißt es, Koch bleibt Reporter und nimmt sein Landtagsmandat nicht an. Es sei ihm nicht leicht gefallen, sich so zu entscheiden. Aber wenn das Herz nun mal am Radio hängt (und bei Günther Koch hört man das ja nun wirklich), dann kann's anders wohl nicht gehen.
 
Dann hätte er den Scheiß mit der Kandidatur gleich lassen sollen. Gerade in Bayern, wo die Wähler Listenkandidaten ganz gezielt wählen und nicht nur Listen ankreuzen können, ist das m.E. eine Veralberung der Wähler. Hätte ich ihn gewählt (was schon deshalb nicht geht, weil ich nicht in Bayern wohne), wäre ich jetzt stinksauer.

Vermutlich ist auch Koch dem "Schreinemakers-Syndrom" verfallen, einer extremen Form der Selbstüberschätzung, die bei "Medienpersönlichkeiten" besonders häufig auftritt und dazu führt, daß die Betroffenen sich für mindestens den Nabel der Welt halten. Er hatte wohl erwartet, daß der BR zusammen- und zurückzuckt, wenn er mit Weggang droht und ihn entgegen aller vorherigen Festlegungen beides machen läßt. Nun hat der Sender anders reagiert und Koch hatte ein Problem. Wo, wie ich weiter oben schon ausgeführt habe, hätte er auch hingehen sollen?

Wieder einer auf Normalmaß zurechtgestutzt. Schön... :D
 
Spezieller Fall

Unter dem Deckmäntelchen der "Grundsatzentscheidung" verbirgt sich im "Fall Koch" die "falsche" Parteizugehörigkeit.
Kann mir nicht vorstellen, dass der BR so reagiert hätte, wenn Koch für die CSU kandidiert hätte.

Das ist die eine Seite der Medaille, die andere:
Koch wusste von Anfang an, dass er im Erfolgsfall vor diese Entscheidung gestellt würde. Wenn er die "Eier" gehabt hätte, wäre seine Entscheidung VOR DER WAHL gefallen.
In letzter Konsequenz hat er mit ca. 54 000 Menschen gespielt, die ihm das politische Vertrauen geschenkt haben.
Das ist eine ausgesprochen schwache Leistung und weder politisch, noch journalistisch professionell!
 
Heute dazu in der Netzzeitung:

BR-Sportreporter verzichtet auf Landtagsmandat
25. Sep 14:51, ergänzt 15:02


Sportreporter Günther Koch wird nicht für die SPD in den Landtag einziehen. BR-Intendant Gruber wollte ihn andernfalls nicht mehr als Fußball-Kommentator arbeiten lassen.
BR-Sportreporter Günther Koch darf wohl als prominentester Listenkandidat der bayerischen SPD bezeichnet werden. Obwohl er bei der Landtagswahl am Sonntag sogar mehr als 54.000 Stimmen erhielt und damit Listenführerin Christa Naaß überholte, will er nun sein Mandat nicht wahrnehmen. Das teilte der Bayerische Rundfunk (BR) am Donnerstag nach einem Gespräch Kochs mit BR-Intendant Thomas Gruber mit.
Gruber hatte schon vor der Wahl angekündigt, ein Landtagsmandat sei mit dem Job eines Sportreporters nicht vereinbar. Nun gab er sich erfreut über Kochs Entscheidung: Koch könne wieder «in seiner unverwechselbaren Art als Markenzeichen der Fußballreportage» im Radio auftreten. «Das freut mich als Intendant und als Fußballfan!»
Koch kommentierte seine Entscheidung, sie sei ihm «alles andere als leicht» gefallen. Er sagte dem Berliner «Tagesspiegel», er sei «sehr unzufrieden über die Umstände» des Mandatsverzichts. «Das ist eine Sauerei.» Die bayerische SPD und der BR hätten ihn bis vor kurzem im Glauben gelassen, dass es einen Kompromiss geben werde. Die bayerische SPD-Generalsekretärin Susann Biedefeld warf dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) vor, hinter der BR-Dienstanweisung zu stehen. (nz)
 
Und hier noch ein Kommentar aus der Frankfurter Rundschau:

Peinlich
Von Stefan Behr

Aus, aus, das Spiel ist aus. Günther Koch bleibt dem Fußball erhalten, und das Parlament bleibt ihm erspart. "Das freut mich als Intendant und als Fußballfan", heuchelt BR-Intendant Thomas Gruber, denn vor allem freut es ihn als Chef eines nachtschwarzen Hofschranzensenders, dem alles links von Günther Beckstein zutiefst suspekt ist. Die angebliche Unvereinbarkeit von Fußball-Moderation und Politik ist so lächerlich, dass man gar nicht darauf eingehen muss. Wie hätte Koch die Live-Schaltungen auch für Parteipropaganda nutzen können? "Von links kommt Sebastian Rau, müsste schießen, schießt: Tooor! Von links. Links wie die SPD. Wählt SPD!" Ja, in der Gedankenwelt des Thomas Gruber ist das wohl so. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht, denn sein bekanntester Herold, die unsägliche Duz-Maschine Waldemar Hartmann, darf schließlich auch ungestraft in jeder Talk-Show seine Nebensitzer mit der Information belästigen, dass er selbstverständlich wie jeder aufrechte Bayer CSU wähle - und tut das auch recht schamlos.

Während mittlerweile allerdings auch der letzte Zuschauer der Moderationen Hartmanns überdrüssig ist, ist das bei Koch nicht der Fall. Der mittelfränkische Zweitstimmenkönig ist trotz seiner in Bayern eher belächelten politischen Gesinnung beliebt, das hat die Sonntagswahl gezeigt. Die Angst, dass ein Teil seines Glanzes auf eine Partei fällt, die sich im freien Fall ins Bodenlose befindet, scheint beim Bayerischen Rundfunk doch ganz enorm zu sein. Der seltsame BR-Eiertanz im Vorfeld der Wahl konnte selbst durch den CSU-Triumph nicht beendet werden - Feind bleibt Feind, und wehe den Besiegten. Diese Entscheidung ist eine politische, keine sachliche, und sie beweist eines: Die bayerischen Rauten sind weiß und blau, beim BR sind sie zudem erbärmlich kleinkariert. Aus, das Spiel ist aus. Und Gruber ist Peinlichkeits-Weltmeister!
 
Politik & Medien

Also, liebe Freunde, obwohl ich - und das sage ich offen - kein Fan von SPD, Koch o.ä. bin :

Ich muss schon sagen, dass die Meinungen mir hier teilweise befremdlich erscheinen. Warum soll ein Sportreporter (bei geeigneter Qualifikation) nicht auch parallel ein Mandat als Politiker erfüllen ? Man wünscht sich einerseits Politiker, die die Bevölkerung verstehen, die nicht "abgehoben" sind, und die noch einen Bezug zum realen Leben haben.
Andererseits ist die Quintessenz einiger Beiträge hier der typische Berufspolitiker, der schon seit Jugendjahren in einer Partei aktiv ist (bei welchem der Moderationskollegen kann man das 100%ig ausschließen ?) und der bitte keinen anderen Job macht, vor allem keinen im Bereich Medien. Dabei hätte doch auch jeder Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens und jeder Mittelständler aus nicht-medialen Bereichen (auf Kommunal-Journalistischer Ebene) genausoviele Möglichkeiten, politische Tendenzen zu äußern, wie ein Mitarbeiter im Medienbereich.

Sicher ist die Hörerschaft im genannten Fall größer, aber - und das ist mein zweiter Punkt - wer glaubt denn, dass jemand, der einen Job im Medienbereich erfolgreich ausfüllt, wirklich die Möglichkeit und Betriebsblindheit hat, diesen Job für Propagandazwecke zu nutzen ?! Und warum sollte er das tun ? Wenn er doch offensichtlich sowieso seit Jahren in bestimmter Richtung denkt : Hätte er nicht sowieso schon schon in eine bestimmte Richtung moderieren können, wenn er das gewollte hätte ? ("Ball kommt von LINKS/RECHTS/MITTE, toll" ?).

Nein. Ich denke, es kann der deutschen Politik nur gut tun, wenn sich mehr Menschen aus der Mitte der Bevölkerung engagieren. Menschen, die jeden Tag den Hörer erleben, Menschen, die wissen, was in Deutschland läuft. Nicht zu vergessen : Politiker bekommen kein "Gehalt", sondern "Diäten", weil ein politisches Amt nicht als Vollzeitjob/Beruf fürs Leben angesehen wird, sondern als Lebensabschnitt. Es gibt m.E. - insbesondere in den großen Parteien - schon mehr als genug 'Berufspolitiker'. Nichts dagegen, dass Junge Leute in die Politik einsteigen, im Gegenteil. Aber wer wirklich garnichts anderes im Leben hat, wer nicht die Querelen eines "normalen" Berufs erlebt hat, wer nicht weiss, wie sich harte Zeiten anfühlen : Wie soll ein solcher Mensch verstehen, wie eine Bevölkerung empfindet (als "Volksvertreter") ?!

Darum :

Es sollte keine Hemmschwelle geben - aus welchem Beruf auch immer - in die Politik einzusteigen.

Im Gegenteil :

Man sollte mehr Politikern Jobs in den Medien geben. Weil eine echte Talksendung noch zu echter Konfrontation mit Schicksalen führt, weil man da noch ein Stück weit die "Abgründe des Lebens" erfahren kann.

Mehr Politiker in die Medien - nicht umgekehrt.
 
In Auszügen eine AFP-Meldung zum Mandatsverzicht Günther Kochs und den Hintergründen, was Termine, Fristen und die Kommunikation zwischen Koch und anderen Beteiligten angeht:

München, 25. September (AFP) - (...) BR-Intendant Thomas Gruber erklärte, die von ihm bereits im vergangenen Jahr geäußerte Unvereinbarkeit von politischem Mandat und Reportertätigkeit gelte weiter. Er habe dies noch vor der Wahl in einer Dienstanweisung formuliert.
(...) "Das ist eine Sauerei", sagte der 61-Jährige (...). Die bayerische SPD und der BR hätten ihn bis vor kurzem im Glauben gelassen, dass es noch einen Kompromiss geben werde. "Ansonsten hätte ich mich doch gar nicht erst wählen und schon am 17. Juli von der Landesliste streichen lassen. Danach ging das nicht mehr." Von der Dienstanweisung habe er erst am Dienstag erfahren. Die bayerische SPD-Generalsekretärin Susann Biedefeld warf dem wie Koch aus Franken stammenden bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) vor, hinter der BR-Dienstanweisung zu stehen. Es sei ein "unerträglicher Vorgang", solch eine neue Anweisung noch schnell am Donnerstag vor der Wahl zu erlassen. Außerdem werde damit gegen das bayerische Abgeordnetengesetz verstoßen. (...)
Gruber erklärte, Koch habe wohl "aufgrund von Kommunikationsdefiziten" bis zuletzt geglaubt, beide Jobs machen zu können. (...).---

Sollte das stimmen, was Koch allerdings als ein wenig naiv aussehen ließe, dann ist er durchaus in gutem Glauben davon ausgegangen, dass er beides machen kann. Dann hat er nicht, wie von einigen oben angenommen, auf einen Promi-/Medienbonus gesetzt. Die Vorgehensweisen einer tiefschwarzen, bzw. blau-weißen bayrischen Dauerregierungspartei verwundern mich zudem nicht, sollten sie wie dargestellt zutreffen. Es wäre nichts weiter als ein Zeichen dafür, was bei allzu großer und allzu lang anhaltender Machtfülle zwischen Politik und Medien geschehen kann.
Ich will Günther Koch damit nicht rundum verteidigen, im Gegenteil, seine Hoffnungen sind vielleicht hochidealistisch, aber eben nicht sehr realistisch.

Trennen muss man aber, die grundsätzliche Trennung von Reportertätigkeit und politischem Mandat einerseits und die individuelle Vorgehensweise Kochs unter erhofften, aber letztlich ungeklärten Bedingungen in die Landtagswahl zu gehen.

Um verspätet noch auf Kanals Posting einzugehen:
Dear Channel, das Problem lag ja nicht darin, dass Koch seinen Bekanntheitsgrad durch seine Reportertätigkeit ausgenutzt hat, sondern darin, dass er auch nach der Wahl noch beides machen wollte.

db
 
Ich sage es in diesem Zusammenhang gerne noch einmal. Natürlich ist ein Waldemar Hartmann an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Sollte er sein Wahlverhalten tatsächlich in dieser Form betonen, ist es schlicht gesagt eine Sauerei, wenn der BR das durchgehen lässt.

Den entscheidenden Punkt in der Koch-Debatte finde ich diesen: Natürlich darf ein Journalist in die Politik wechseln. Es muss aber m.M.n. zum Selbstverständnis eines Journalisten gehören, dass man bei Übernahme eines politischen Mandats nicht mehr journalistisch arbeiten kann. Vor allem dan nicht, wenn man bei einer Anstalt beschäftigt ist, die der Überparteilichkeit verpflichtet ist.

Ich gehe übrigens davon aus, dass der BR sich genauso verhalten würde, wenn ein Mitarbeiter ein Amt für die CSU übernehmen würde. Falls nicht, wäre das allerdings ein Skandal.

Ich möchte übrigens ausdrücklich betonen, dass ich von CDU/CSU ungefähr so weit entfernt bin wie der Jadebusen von der Wies´n.
 
Keek, da liegst du mMn völlig richtig. Dieses und dein voriges Posting werfen eine Frage auf, die ich schon mehrfach mit Sportreportern dikustiert habe: Sind Sportreporter Journalisten?
Soll ganz und gar nicht gegen Sportreporter gehen. Es ist nur so, dass ich solche Exemplare sagen hörte, sie machten Sportunterhaltung und arbeiteten nicht journalistisch, dafür seien andere zuständig. Ebenso sagte mir ein PD, für den sportjournalistischen Teil hätten wir andere Leute.
Ein Journalist, der gleichzeitig Politiker ist, geht nicht. Und das ist für mich - wie offenbar auch für dich - keine Frage einer Senderrichtlinie, das ist journalistische Verantwortung.
db
 
@beobachter

ist prinzipiell ja richtig. In meinem ersten Posting hatte ich nur dazu geschrieben, dass ich verstehen kann, wenn ein Arbeitgeber eine generelle Lösung für seine Mitarbeiter (ob fest oder frei) anstrebt.

Aus Sicht des BR ist nachvollziehbar, dass die auf deutsch keinen Bock haben, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich die journalistische oder sagen wir redaktionelle Tätigkeit mit einem politschen Mandat vereinbaren lässt oder nicht.

Deshalb kann ich ein grundsätzliches "Nein" vollkommen nachvollziehen.

Und dann gilt eben die Regel, wenn Amt, dann alte Tätigkeit ruhen lassen.
 
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