PR-Aktion TAZ

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postit

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Habe gerade in der Frankfurter Rundschau einen Artikel über den taz-Geburtstag gefunden.
Hat zwar nix mit Radio zu tun, ist aber (wenn ich so an die Geschichte mit dem flotten Dreier denke) eine gelungenere PR-Aktion. Auf jeden Fall eine witzige Idee. Auch wenn die FR das eher zitronensüß kommentiert. Steht, denke ich, für Selbstironie und Souveränität. (Also: die taz-Aktion, nicht der Kommentar) :D
Was haltet ihr davon?


Die letzte Spaßgesellschaft
Unter "Bild"-Chef Kai Diekmann durfte sich als Geburtstagsgabe jeder mal an der "taz" vergehen
Von Oliver Gehrs

Man kann das so sehen - dass der taz wieder einmal ein echter PR-Coup gelungen ist, dass die kleine Zeitung wieder mal im Rampenlicht stand und sämtliche Medien darüber berichtet haben, dass ausgerechnet der Bild-Chef Kai Diekmann für einen Tag das linke Blatt gemacht hat. Die Berichte wirkten allerdings etwas schmallippig - schließlich fällt einem die taz andererseits ja auch gehörig auf die Nerven mit ihrer ständigen Geburtstagsfeierei (immer zweimal: erst das Jubiläum der Nullnummer, wenige Monate später der Jahrestag des ersten täglichen Erscheinens) und der überbordenden Eigen-PR, die Grenzen nicht zu kennen scheint. "Call me motherfucker, but spell my name correctly", scheint das Motto der Stunde zu sein.

Die "Titten-taz" gab es ja schon, nun also Diekmann bei der taz und mit ihm ein ganzes Gruselkabinett - nämlich im Grunde sein kompletter Laden samt Dieter Bohlen und Ralph Siegel, angereichert mit ausgewiesenen Borderline-Journalisten wie Pastor Jürgen Fliege und Georg Gafron.

Natürlich hat es Gegenstimmen gegeben in der taz, die in Chefredakteurin Bascha Mika und ihren Stellvertretern Peter Unfried und Thomas Eyrich weniger Journalisten als vielmehr bis zur Selbstentblößung tätige Öffentlichkeitstiere sehen, die den Ausverkauf der eigenen Ideale betreiben, nur um abends in der Tagesschau ein Sternchen zu bekommen. Die Eingaben der Kritiker druckte man in der "Bild-taz" einfach ab, für alle zum Mitlachen: Schaut mal, bei der taz gibt es noch Leute, die Kai Diekmann zum Kotzen finden. Putzig.

Tatsächlich bleibt bei allem Sinn für originelle Einfälle ein schaler Geschmack zurück, wenn sich die taz ausgerechnet jenem Mann andient, der so ziemlich das Gegenteil von dem verkörpert, was die taz für verantwortliches Zeitungsmachen hält. Der die Republik jeden Tag aufs Neue mit Erzählungen von Dieter Bohlen und "Naddel" verdummt und fast jeden Kindesmissbrauch zum Anlass nimmt, im Volk Selbstjustiz-Stimmung zu erzeugen.

Und ist es glaubwürdig, wenn die taz in eben dieser Wochenendausgabe den Verleger von Pornoheftchen, Heinz Bauer, an den Pranger stellt, aber ausgerechnet den Mann ans Ruder lässt, in dessen Blatt nicht minder sekretiert wird? Muss man den wirklich ins Haus lassen, nur damit alle rufen: Die trauen sich was. Vor allem: Abos bringt das ja auch nicht.

Diekmann hat die Chance genutzt und eine unsittliche publizistische Berührung inszeniert. Unter seiner Ägide durfte sich jeder mal an der taz vergehen und sie für eigene Zwecke nutzen: Kohl schimpfte in einem Interview mit seinem Hagiografen Diekmann auf stern, Spiegel und Zeit, der Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner gestand taz-Chefin Bascha Mika seine Zuneigung, Guido Westerwelle nutzte einen Artikel im Feuilleton über den Maler Norbert Bisky, um seine eigene Kunstsammlung aufzuwerten, und Georg Gafron sah die Chance, noch einmal seinen ältesten Kalauer loszuwerden: "Ich mag die Frauenbewegung, vor allem die rhythmische."
Der Einzige, der den Tag genutzt hat, mal eine andere Perspektive einzunehmen, war der als RTL-Chefredakteur auch für die Formel 1 zuständige Hans Mahr. "Wirkt Rennsport nicht animierend für die privaten Raser", fragte er Umweltminister Jürgen Trittin.

Ansonsten lässt sich der Erkenntniswert dieser Jubiläums-taz in zwei Sätzen zusammenfassen: Otto Schily trägt Narben von Hungerödemen am Bauch, und die taz ist die letzte Spaßgesellschaft
 
Ein PR-Ereignis, das sicher Radioresonanz gefunden hätte, wenn entsprechende Sender über taz UND Bild-lesende Hörer verfügten. So ist es leider verpufft. Ein Highlight für die taz, ein Spaß für Kai Diekmann und ein Nichts für den Rest der Welt. Schade eigentlich, die Aktion fand ich ganz witzig.
db
 
Wie hoch war eigentlich die Auflage der taz vom Sonnabend? Erstaunlicherweise haben sie sich darin mit der Gewinnung von neuen Abonnenten angenehm zurückgehalten und es nicht übertrieben, obwohl die Ausgabe zum 25. Jubiläum sicher viele Gelegenheitsleser hatte. Das Jubiläumsblatt finde ich übrigens gelungen und lesenswert und habe es aus Neugier gekauft, ansonsten ist die taz gutgemacht und witzig; man kann sich herrlich an der darin herrschenden Meinung reiben...;)
 
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