Nachstehend (und
hier) ein Artikel aus der heutigen "Welt" (Berlin-Teil). Dieser hat zwar nicht direkt mit Presserabatten zu tun, zeigt aber m.E. sehr schön, welche Anspruchshaltung manche Kollegen an den Tag legen: Essen muß reichlich da und natürlich erstklassig sein, alkoholische Getränke dürfen nichts kosten und "Straßenpublikum" (igitt!) hat gefälligst draußen zu bleiben.
In welcher Welt leben solche Leute eigentlich?
Pirellis peinliche Premium-Party
Zu wenig Essen für die Gäste, die ihre Getränke auch noch selbst zahlen müssen
Hugo Boss, die Modefirma aus dem schwäbischen Metzingen hat mit ihrer gigantischen Fashion-Show am Donnerstagabend im Alten Postbahnhof Maßstäbe gesetzt. Das Fest für die Sinne auf internationalem Niveau hatte sich Boss 1,6 Millionen Euro kosten lassen. Die Berliner jubelten, die Modeexperten gerieten in Ekstase. Am Sonnabend holte dann allerdings die Party von Pirelli, einer Weltmarke mit Hauptsitz in Mailand, die Hochstimmung jäh wieder auf den Boden zurück.
Im Rahmen der Modemesse "Premium" hatte Pirelli am Sonnabend zur Präsentation seiner neuen Accessoires (Jacken, Schuhe und Uhren) ins Restaurant "Felix" geladen. Die Deutschen sollen wissen, dass Pirelli nicht nur Gummi verarbeiten kann. Schicke kartonierte Einladungskarten wurden versandt, zur "Premium & Friends-Party". Von Premium konnte indes keine Rede sein. Freunde dürfte sich Pirelli auch nicht gemacht haben. Die Party ging in die Hose. In der Hauptstadt hat Pirelli Gummi gelassen.
"Der Kaffee ist auf Selbstzahlerbasis. Möchten Sie ihn trotzdem?" Der blonden Kellnerin hinter der Bar im Restaurant "Felix" ist die Situation sichtlich peinlich. Flüsternd schiebt sie nach: "Weine, Cocktails und normales Wasser müssen die Gäste auch bezahlen." Kostenlos gibt es Wasser mit Rosen- und Granatapfelduft. Schmeckt wie verdünnter Hustensaft. "Afri Cola und Beck's gibts auch umsonst. Aber nur bis Mitternacht. Danach darf nämlich auch Straßenpublikum kommen, dann müssen alle Getränke bezahlt werden." Pirelli, Straßenpublikum, Kaffee auf Selbstzahlerbasis. Ach ja, da wäre noch das Essen zu erwähnen. Es gibt Risotto, das nicht für alle reicht und eine nicht näher definierbare, curryfarbene Suppe, in der vereinzelt skeptische Gäste rumstochern.
Nur so am Rande bemerkt: Wir befinden uns im "Felix", das vom noblen Hotel Adlon betrieben wird. Wir sind zu Gast bei Carlo Corti, dem Managing Director von Pirelli, einer Firma, die 40 000 Mitarbeiter in 24 Ländern auf fünf Kontinenten beschäftigt. Mehr Stil hätte es gehabt, wenn die Gastgeber das Messe-Publikum zu einer Currywurst an die nächste Pommes-Bude geladen hätten. Da wären auch die vielen Badelatschen-Träger nicht aufgefallen, die normalerweise an der Tür des "Felix" abgewiesen werden.
"Meine Frau und ich haben gerade überlegt, ob wir uns vielleicht in der Location geirrt haben", sagt Egon F. Freiheit, der Lebensgefährte von Schauspielerin Maren Gilzer. Die beiden nehmen den ganzen Wahnsinn mit Humor und bauen sich mit dem Gedanken an den bevorstehenden Urlaub auf Rügen auf. Sie bleiben noch ein bisschen, weil die Koffer ja schon gepackt sind. Auf Plakaten wirbt Pirelli mit einer geballten Faust aus Gummi. Passt irgendwie zur Stimmung des Abends im "Felix". mut