Hallo, anbei ein Artikel eines freien Journalisten, der im dju-Vorstand in NRW
ist...
Kiepenkerl mit Konkurs
Das dritte Lokalradio in NRW muss in diesem Jahr Insolvenz anmelden
Coesfeld/ Dülmen. Düster sieht es bei „Radio Kiepenkerl" in Dülmen aus. Nachdem die Betriebsgesellschaft (BG) des Lokalradios einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht gestellt hat, weiß niemand so recht, wie es weitergehen soll. Das Sagen im Sender hat zur Zeit der Insolvenzverwalter. Und der erstellt im Moment ein Gutachten über die finanzielle Lage der BG. Der Sender sei mit fünf Stunden Lokalprogramm nicht wirtschaftlich zu führen gewesen, sagt BG-Chef Burckhardt Schmidt, zugleich Geschäftsführer des „Westfälischen Anzeigers" in Hamm, der zur Ippen-Gruppe gehört. Zudem habe es die branchenüblichen Umsatzeinbrüche gegeben. Die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, deshalb habe er pflichtgemäß den Insolvenzantrag stellen müssen.
Die BG soll nach dem Zwei-Säulen-Modell für den Lokalfunk in NRW die Technik bereitstellen und den Senders vermarkten. An ihr sind neben der Münchener Ippengruppe (35%) auch örtliche Verleger beteiligt.
Mit der aktuellen Situation kann die Veranstaltergemeinschaft (VG), die Verantwortung das Programm trägt, natürlich nicht zufrieden sein. Handelseinig war man sich schon mit einem neuen Investor aus der Modebranche . Eigentlich. Der Überraschungscoup platzte aber in letzter Sekunde. Jetzt muss wieder mit einem Partner verhandelt werden, von dem man sich nach zehn Jahren Ehe trennen wollte: Der Münchener Ippengruppe. Die hat ein neues Angebot unterbreitet.
Vor Radio Kiepenkerl hatten schon zwei weitere Lokalfunksender in Aachen Insolvenzantrag stellen müssen (die SZ berichtete). Auch die VG für Radio EN (Ennepetal) ist nach Angaben von Peter Widlok, Pressesprecher der Landesanstalt für Medien in Düsseldorf weiterhin vergeblich auf der Suche nach einem Geldgeber, die Zukunft des Senders ungewiß. Radio EN trägt regelmäßig das Schlußlicht im Reichweiten-Ranking der NRW-Lokalsender.
Trotz dieses insolvenzreichen Jahres - von einer Krise des Lokalfunks will offiziell niemand reden. Bei der LfM nicht, und bei den Betreibern auch nicht. „Strukturelle Probleme haben wir nicht“, widerspricht Dr. Udo Becker vom Verband der Betriebsgesellschaften auf Anfrage der SZ. Noch im letzten Jahr habe das Rahmenprogramm Radio NRW sechs Prozent Umsatzplus gemacht. Inzwischen sei man auf einem „nüchternen Fundament“ angekommen. Konkrete Zahlen für 2002 wollte Becker nicht nennen. Das NRW-Modell für den Lokalfunk sei immer noch erfolgreicher, als das in Baden-Württemberg oder Bayern. An den Aachener Sendern seien die Zeitungsverleger nicht beteiligt gewesen. Die Probleme im Ennepetal und Dülmen seien lösbar, zum Beispiel durch einen neuen Zuschnitt der Verbreitungsgebiete. In den derzeit laufenden Gehaltstarifverhandlungen für den Lokalfunk NRW mussten sich die Mitglieder der Tarifkommission von DJV und ver.di von Arbeitgeberseite ganz andere Töne anhören. „Die Rechtsberatung in Insolvenzfällen ist jetzt unser Tagesgeschäft. Das System Lokalfunk verträgt keine Gehaltserhöhungen “, hieß es dort von Arbeitgeberseite.
Frank Biermann