radioeins: "Wie tolerant sind wir?"

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Im Rahmen der ARD-Themenwoche Toleranz empfängt Jörg Thadeusz in dieser Woche täglich zwischen 10 und 11 Uhr Gäste, die laut radioeins "mit ihren Statements für Debatten in der Öffentlichkeit gesorgt haben und mit ihren zugespitzten Meinungen provozieren". Heute war ein ca. 30-minütiges Streitgespräch mit Acin Pirincci zu hören. Der Autor wurde populär mit seinem Buch "Deutschland von Sinnen", in dem er die deutsche Gesellschaft als zu tolerant, fremden-, frauen- und homosexuellenfreundlich bewertet. Das Interview kann hier nachgehört werden.

Sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk jemandem wie Pirincci, der polemisiert, jedoch keine oder nur zweifelhafte bis falsche Belege liefert, eine Bühne bieten? Zeichnet es den rbb aus, dass auch unangenehme Ansichten geäußert werden dürfen? Oder war Thadeusz ohnehin zu voreingenommen, da er selbst Teil der von Pirincci kritisierten "grün-links verseuchten Mehrheitsgesellschaft" ist?
 
Meine Reaktion auf die Themenwoche: abwenden mit Grausen und leckt mich doch...
Aber da ja keiner gezwungen wird, sich das anzuschauen und es auch noch normales Programm gibt, toleriere ich auch die Veranstaltung von Themenwochen. Ich frage mich nur: wer soll sich das eigentlich anschauen? Und warum? Warum sind "tolerante" Filme und Fernsehspiele eigentlich immer so langweilig und vorhersehbar?
 
@iro: Was hat das mit dem Thema oder der von mir verlinkten Sendung zu tun?

Es wäre auch schön, wenn hier Leute schreiben würden, die das "Streitgespräch" - im Radio oder als Podcast - gehört haben.
 
Die Toleranz geht immer so weit, bis sie der eigenen Ideologie widerspricht. Andererseits gilt aber auch der Grundsatz: Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.
Das ist quasi ein Axiom, rein physikalisch gesehen. Insofern ist der goldene Weg: Tolerieren ja, akzeptieren oder gutheissen nein.
 
So ist sie nun einmal die "gute Mutter" ARD. Will uns pösen pösen Deutschen alle Unsitten abgewöhnen. Ja klar sind wir alle zuwenig tolerant. Nur wer stellt das fest? Die PC-Polizei? Selbsternannte Experten? Redaktionen? Die Berufsbetroffenen? Gibt es ein Toleranz-Beurteilungs-Berichtigungs-Diplom?

Ich habe nur aus der SZ gelernt, ich darf einen Ausländer nicht mehr fragen: woher er kommt? Heißt das auch, ich darf einen offenkundig Deutschen Ureinwohner auch nicht mehr fragen aus welcher Region Deutschlands er kommt? Er könnte ja wahlweise Ostfriese, Sachse oder Bremer sein?

Liebe Redaktionen statt die Welt zu verbessern, macht einfach eure Hausaufgaben: Gründliche Recherche, Nachfassfragen bei Interviews statt Sichwortgeber, nennt Dinge beim Namen und macht euch mit keiner Sache, sei sie auch noch so "gut" gemein. Das ist der Job, die Erziehung überlasst den Eltern, Kindergärtnern und Lehrern. Wobei gerade die letzte Berufsgruppe besonders gern Unsinn anstellt. Nicht umsonst sind schließlich Lehrer bei Verkäufern und Vermietern besonders beliebt.

Ansonsten empfehle ich die ARD Themenwoche einfach mal für die Länder/Regionen: Irak, Afganistan, Südsudan, Syrien oder Ost-Ukraine (die Liste lässt sich beliebt erweitern). Komischerweise habe ich nicht einmal etwas von einer Mini-Latsch-Demo der ach so stets betroffenen Deutschen Friedensbewegung gehört. Hier wird jeder daher gelaufene Feldhamster akribisch geschützt, dafür sitzen die Köpfe im Gebiet der IS nicht mehr besonders fest auf den Schultern.
 
Es gibt einen Unterschied dazwischen, solche Schreihälse wie Pirinci zu tolerieren oder ihnen auch noch ein kostenloses Podium zu bieten. Jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern, solange er damit keine Gesetze verletzt, aber niemand hat einen Anspruch darauf, dass seine kruden Thesen von den Medien verbreitet werden.

Und nein, das hat mit Zensur überhaupt nichts zu tun.
 
Wer will mir vorschreiben, was ich jemanden fragen darf? So weit kommts noch. Das mit der Toleranz ist momentan sowieso ein Modewort und keiner weiss so richtig, was man darunter verstehen soll. Was den Akif angeht: Ich fand seine Katzenkrimis natürlich dufte. Hätte er besser mehr davon geschrieben.
 
fotoralf schrieb:
"Es gibt einen Unterschied dazwischen, solche Schreihälse wie Pirinci zu tolerieren oder ihnen auch noch ein kostenloses Podium zu bieten."

Das sehe ich anders, denn da geht es ja schon los: Ist Pirinci wirklich ein "Schreihals", nur weil ich es glaube? Wie tolerant ist das denn? Als Anbieter einer öffentlichen Plattform ermöglicht die ARD einen Diskurs, indem sie zeigt, was es an unterschiedlichen "Schreihälsen" alles gibt. Das finde ich vollkommen richtig und es auszuhalten ist eine Anforderung an meine Toleranz.
 
"Toleranz" heisst doch nicht tolerant allem und jedem gegenüber zu sein und keineswesgs jede krude Meinung als gleichberechtigt zuzulassen, denn damit würde sich Toleranz ja selbst aufheben, weil sie jedwedes Äußerungsverhalten auf die selbe schützenswerte Stufe stellt.

Eine Toleranz der Intoleranz, d.h. zu behaupten, man 'müsse doch jemand seine Meinung sagen lassen' wenn diese Meinung rassistisch oder diskriminierend ist, ist völliger Schwachsinn. Allerdings schwappt diese "Argumentation" ja gerade (wie immer begann es in den USA) zu uns herüber und wird in diversen Internetforen von Dumpfbacken nachgetrötet: "Ja, Moment einmal, wenn du jetzt etwas gegen meine Meinung, dass Schwule alle in den Gulag gehören, sagst, dann bist du ja selbst intolerant."

Toleranz gegenüber Anderslebenden und ihrer Möglichkeit des Meinungsausdrucks gebietet unsere demokratische Staatsform. Dies endet an der Stelle, in der diese Toleranz in die freiheitliche Lebensgestaltung anderer eingreift, diese angreift oder herabwürdigt. Die Grenze dafür ist durch den zivilgesellschaftlichen Vertrag, den ein Staatsgebilde darstellt, zu ziehen. Und dies ist ein ständiger Prozess.

Einfacher ausgedrückt: Dumpfen Vorurteilsreitern wie Pirincii keine Plattformen für sein Geschwätz zu bieten, ist keine Intoleranz nach dem Motto "naja, das ist ist halt seine Meinung und dann muss man die ja auch stehen lassen", weil er mit seiner Meinung Menschen beleidigt, verunglimpft und sich rassistisch und diskriminierend äußert. Leider führt man in der ARD gerne große Worte im Munde, hat aber wohl nicht genug qualifiziertes Personal, um dann auf dieser philosophischen Ebene argumentationsstark mit Idioten umzugehen. Lieber lädt man sie ein und läßt sie mal faseln. Wie sehr da die Fähigkeit zum Durchdenken fehlt, zeigt ja auch bereits diese erschütternde Plakatkampagne.
 
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Als Anbieter einer öffentlichen Plattform ermöglicht die ARD einen Diskurs, indem sie zeigt, was es an unterschiedlichen "Schreihälsen" alles gibt.

Dazu würde bei Leuten wie ihm ein einziger Auftritt reichen. Spätestens dann, wenn solche Gestalten der Reihe nach durch sämtliche Talkshows gereicht worden sind, ist die Motivation offenbar eine andere, als nur zu zeigen, was es in diesem Land alles für seltsame Vögel gibt.

Zumal das ja eben die Kandidaten sind, die das genaue Gegenteil von Toleranz, Akzeptanz oder konstruktivem Zusammenleben predigen - mit Ausnahme ihrer selbst, versteht sich.
 
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Es gibt keine Interpretationsfreiheit beim Thema Toleranz. Toleranz ist es, das andere auszuhalten, und sei es noch so anders. Jede andere Haltung ist Intoleranz.

Es gibt allerdings die Option der Null-Toleranz. Das ist etwas anderes als Intoleranz. Null-Toleranz ist die von einer Gesellschaft einvernehmlich definierte rote Linie, die man nicht überschreiten darf. Zum Beispiel ist sie bei Gewalt überschritten, bei Pädophilie, bei Diskriminierungen etc. Aber sicher noch nicht beim öffentlichen Absondern von Spinnereien.
 
Du verstehst das nicht.
Das hat mit Toleranz überhaupt nichts zu tun: "Alles auszuhalten" ist keine Toleranz, denn damit stünde alles auf der selben Stufe der Berechtigung und somit wäre Toleranz wiederum gänzlich obsolet, würde also ihre eigene Auslöschung hervorbringen. Dann machte der Toleranzbegriff keinerlei Sinn mehr.

Abgesehen davon werden von Gesellschaften auch keine "roten Linien" definiert, es gibt innerhalb der Toleranz-Begrifflichkeit keine "Null-Toleranz-Option" (Du meinst wahrscheinlich sowieso "Null-Toleranz-Politik", was aber hiermit auch überhaupt nichts zu tun hat) und generell heissen auch irgendwelche "Linien" nicht "Null-Toleranz".

Du kannst nicht einfach Begriffe in irgendeiner Weise verwenden, die Du persönlich irgendwie zutreffend findest, und daraus dann irgendetwas ableiten. Bzw: kannst Du natürlich meinetwegen gerne machen, Du kannst auch für Dich persönlich definieren, das Katzen die Tiere sind, die immer bellen. Macht aber dann eben in einer Diskussion keinen Sinn.
 
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Ihr wollt tolerant sein, aber gleichzeitig bestimmen, was im Rahmen dieser "Toleranz" zu tolerieren ist und was nicht. Ein sehr seltsames Verständnis.

@666
Natürlich gibt es in unserer Gesellschaft abgesteckte Null-Toleranz-Linien (die wiederum mit Intoleranz nichts zu tun haben). Wer sich ein bisschen damit beschäftigt, was Dir ja auch offensteht, der weiß, dass in der Sozialethik und in der politischen Philosophie damit die Grenze gemeint ist, die jemand überschreitet, der den Wert der Menschen unterschiedlich bemisst und danach handelt. Das umfasst also alle Aspekte von Rassismus, Diskriminierung, Missbrauch Wehrloser etc.
 
Jetzt kommen wir der Sache schon näher: @fotoralf definiert den Grad seiner eigene Toleranz. Gut! Statthaft!
Wenn er jetzt noch davon ablässt, von allen anderen Menschen die exakt gleiche Definition zu erwarten, ist ja alles gut. Dann kann er bei der Umfrage "Wie tolerant sind Sie" auf der Skala von eins bis zehn etwas ankreuzen. Und ich kreuze wahrscheinlich was anderes an. Und @StabsstelleIV oder @666 kreuzen nochmal was anderes an.
 
Mich treibt die Frage um: "Kann ich intolerant und trotzdem ein guter Mensch sein?"

Also wohlgemerkt, "guter Mensch" - nicht "Gutmensch"!

"Gutmenschen" fallen ja wohl unter die Kategorie "Intolerant", zumal sie ja alle anderen Meinungen, die ihrem "Gutmenschentum" nicht bedingungslos zustimmen, aufs Schärfste missbilligen.

Aber vermutlich dürfte jetzt der Einwand kommen, dass der Begriff "Gutmensch" völlig inakzeptabel und der rechten Klientel zuzuordnen sei - oder seid Ihr so tolerant, mir dessen Verwendung zuzugestehen?
 
Jetzt kommen wir der Sache schon näher: @fotoralf definiert den Grad seiner eigene Toleranz. Gut! Statthaft!
Wenn er jetzt noch davon ablässt, von allen anderen Menschen die exakt gleiche Definition zu erwarten, ist ja alles gut.

Warum sollte ich? Nur damit ich anschließend bei der Umfrage "Wie Blabla sind sie?" auch die 10 ankreuzen kann? Wenn jemand meint, er müsse aus philosophischen oder anderen Gründen Intoleranz tolerieren, dann muss er das halt tun. Dass er damit in meiner Wertschätzung nicht besonders weit kommt, dürfte demjenigen sowieso egal sein.
 
Aber vermutlich dürfte jetzt der Einwand kommen, dass der Begriff "Gutmensch" völlig inakzeptabel und der rechten Klientel zuzuordnen sei - oder seid Ihr so tolerant, mir dessen Verwendung zuzugestehen?

Ich bestreite nicht dass es Leute mit... sagen wir mal... überdurchschnittlich ausgeprägtem Sendungsbewusstsein gibt. Trotzdem sagt die Tatsache, dass Herr A verkündet, Frau B sei ein Gutmensch, für mich eher etwas über Herrn A aus.
 
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Aber vermutlich dürfte jetzt der Einwand kommen, dass der Begriff "Gutmensch" völlig inakzeptabel und der rechten Klientel zuzuordnen sei - oder seid Ihr so tolerant, mir dessen Verwendung zuzugestehen?
Einwandlieferung wird hiermit zugestellt :D
Ja, inakzeptabel.
Ja, rechte Klientel.
Nein zur Verwendung, ich hatte mal ein wenig zur Entstehung dieses Unwortes nachgeforscht, letztlich geht es auf Arschdolf Hitler zurück, damit verbietet sich eigentlich jegliche Verwendung, außer man möchte sich nicht nur zur rechten Klientel zuordnen lassen, sondern gleich als Nazi outen. Zumindest meine Einordnung anderer Leute als Nazi beginnt genau bei der Verwendung dieses Wortes. Auch wenn deren Gegeifer mit dem Spruch "Ich bin ja nicht rechts, aber..." anfängt.

fotoralf schrieb:
Ich bestreite nicht dass es Leute mit... sagen wir mal... überdurchschnittlich ausgeprägtem Sendungsbewusstsein gibt. Trotzdem sagt die Tatsache, dass Herr A verkündet, Frau B sei ein Gutmensch, für mich eher etwas über Herrn A aus.
Wer "Gutmensch" als Schimpfwort verwendet muss dann ja im Umkehrschluss entweder ein "Schlechtmensch" oder gar ein "Bös'mensch" sein...
 
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