Redakteur - geschützte Berufsbezeichnung?

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Knoxville

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Hallo Radioszene,

während meiner bisherigen Radiolaufbahn habe ich bei vielen Stationen zu hören bekommen, daß "Redakteur" eine geschützte Berufsbezeichnung ist. "Journalist" kann sich jeder nennen, aber für "Redakteur" bedarf es eines abgeschlossenen Volontariats, hieß es.

1. Stimmt das?
2. Wenn ja, auf welcher Grundlage basiert das? Ein Volontariat ist ja keine staatlich anerkannte Ausbildung.


Bin auf Eure Meinung und Eure Fakten gespannt.


Schöne Weihnachten!
Knoxville
 
Siehe zum Beispiel hier:

Journalist: Sammelbegriff für unselbständige publizistische Berufe. Man unterscheidet Festangestellte (Redakteure, s. dort) und Freie, die in wechselndem Ausmaß an einen oder mehrere Arbeitgeber gebunden sind. Journalismus entsteht in einem Professionalisierungsprozess, dessen wichtigste Antrieb das Bestreben der Verlage (s. dort) ist, die pubfizistischen Inhalte in Eigenregie zu produzieren.

Redakteur: Festangestellter Mitarbeiter einer Redaktion, Entlehnung des 18./19. jh. aus dem Französischen. Tätigkeit ist das Redigieren von Fremdtexten, Verfassen eigener Texte und administrative Redaktionstätigkeit. Daniel Hartnack (Ende des 17. jh.) kann als einer der ersten professionellen R. bezeichnet werden. Nachdem im 18. Jahrhundert erst einzelne Zeitungen, z.B. der HUC, eine größere Zahl von R. einstellte, gehen im 19. Jahrhundert immer mehr Zeitungen hierzu über. Eine Ausdifferenzierung der Redaktionen in Ressorts (s. dort) bildet sich heraus.

Geschützt ist meines Wissens nichts. Grund: Historisch waren die Berufe nie geschützt. Die Nazis führten 1933 das Schriftleitergesetz ein, schützten den Schriftleiterberuf und vernichteten mit diesem und anderen Eingriffen die Pressefreiheit. Diese schlechte Erfahrung ist für alle Zeiten guter Grund dafür, dass in Deutschland direkter staatlicher Zugriff auf journalistische Berufe, die publizistische Tätigkeit, Meinungsfreiheit oder Programmhoheit nicht akzeptabel sind.

Auch ohne gesetzliche Regelung ist (oder war) es in vielen Sendern aber Usus, dass einem Redakteursjob ein Volontariat vorausging, was die Jasemine legitim findet.
 
Der von Jasemine verlinkte Text sagt explizit aus, dass die in Art 5 GG garantierte Pressefreiheit zugleich die Verpflichtung jedes Journalisten mit sich bringt, die Bürger zu frei und unabhängig informieren.

Daraus ergibt sich automatisch die moralische Verpflichtung der als Journalisten tätigen Menschen, sich entsprechend aus- und weiterzubilden.

So gesehen kann man aus dem Grundgesetz zwar eine ideelle, jedoch keine unmitelbare Verpflichtung ableiten, eine Ausbildung zum Beruf des Journalisten resp. Redakteurs zu absolvieren.
 
Also, ich kenne genügend ausgebildete Journalisten, die schlechte Journalisten sind und reichlich Seiteneinsteiger, die gute Journalisten sind. Eine journalistisdhe Ausbildung vermittelt zwar die Grundfertigkeiten (allerdings offenbar in immer geringerem Maße), macht aber noch lange keinen guten Journaisten, ebensowenig, wie ein Medizinstudium automatischen einen guten Arzt hervorbringt.

Aus dem GG eine Verpflichtung für Journalisten zur entsprechenden Berufsausbildung herzuleiten, ist doch ein wenig weit hergeholt. Freie und unabhängige Information hängt nicht von der absolvierten Ausbildung, sondern vom Willen des Betreffenden ab, diese zu liefern.

Ich habe übrigens auch eine Menge freie Redakteure in diversen Redaktionen kennengelernt. Wie ist das bei Euch - stimmt die von der Jasemine gepostete Lexikongleichung "Redakteur = Festangestelllter" noch?
 
Hallo Knoxville,

das Volontariat ist als Ausbildung vom Staat anerkannt. Es war ein langer Kampf und es ist auch noch nicht lange so (ich glaube, seit Ende der 90er Jahre). Es ist keine Berufsausbildung nach dem dualen Prinzip, weil es keine Berufsschule und Prüfungen gibt und der Berufsbegriff ist nicht geschützt. Aber wenn Du als Volo bspw. Ansprüche auf Kindergeld geltend machen willst, bist Du Auszubildender. Das selbe gilt auch für Trainees, die nach einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium z. B. bei Verlagen arbeiten.
Solltest Du zufällig Volontär sein, dann schau mal in Deinen Arbeitsvertrag: Dort ist idR vermerkt, dass es eine Ausbildung mit einem vereinbarten Berufsziel ist.

@ alquaszar

Aus den von Jasemine genannten Gründen gibt es keine einheitliche Ausbildung zum Journalisten. Auch das Journalistikstudium ist nur eine berufsqualifizierende Ausbildung, d.h., sie gibt nicht die Richtung vor, in die Du gehen wirst/kannst. So arbeiten Dipl.-Journalisten in der Marktforschung, in Musikredaktionen, beim Stern oder sonstwo. Die Postition erarbeitest Du Dir im Anschluss an das Studium praktisch. Weshalb ich es für sinnvoller halte, sich auf einem Spezialgebiet Wissen anzueignen, und dann praktisch einzusteigen. Es gibt aber auch Politologen, die schließlich in der Wirtschaftsredaktion landen.

@ makeitso
Es ist auch meine Erfahrung, dass der Begriff nicht so streng auf den Status ausgelegt wird, als mehr auf die aktuelle Tätigkeit. Allerdings weiß ich von Kollegen der Printbranche, dass dort idR klare Grenzen gezogen werden.

Viele Grüße
Die Hexe
 
@ makeitso

also ich hoffe das auch weiterhin nicht an freien redakteuren gespart wird.
bin selber derzeit freier - vorher angestellter - davor freier - davor angestellter und so weiter...
bessser wäre es allerdings wenn alle freien plötzlich fest angestellt wären, macht sich schon bei der arbeit bemerkbar

@all
zum glück sind journalist / redakteur / sprecher / usw. keine reinen ausbildungsberufe, denn sonst wäre die vielfalt der medien, mit allen hoch und tiefs, noch mehr dahin als heute...
und was ist nun wirklich schlechter journalismus? die bild? nein- denke ich nicht - selbst bei der coupe hut ab vor den äääh sagen wir mal ehrlich ausgedachten storys...
was ist guter journalismus? der stern - die faz - wo kein mindergelehrter etwas damit anfangen kann?
für jeden den journalismus den er verdient und will

euer weihnachtsmannmützetragender oops

ps. ja da war ironie mit im spiel :)
 
Zur Eingangsfrage die Meinung des DJV:
"Journalismus" als Sammelbegriff (...) schließt viele andere Berufsbezeichnungen ein, die zumeist auf besondere Aufgaben innerhalb des Berufes verweisen.So bezeichnet man die hauptberuflich bei Presse, Rundfunk oder Agenturen angestellten Journalistinnen und Journalisten als "Redakteure". "Reporter" werden die vorwiegend im Außendienst arbeitenden Journalisten genannt. Auf spezielle Arbeitsgebiete deuten Bezeichnungen hin wie Feuilletonist, Leitartikler, Korrespondent, Kolumnist, Bildjournalist, Online-Redakteur, Infografiker oder Moderator. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit für Wirtschaft, Verbände oder Verwaltung sind Pressesprecher oder -referenten tätig.
 
@radiohexe

Stimmt genau. Es lässt sich eben keine geschützte Berufsbezeichnung ableiten, höchstens eine unverbindliche moralische Verpflichtung, es einem anerkannten Beruf gleichzutun.

Richtig ist aber auch makeitso's Einwand, dass Ausbildung allein keine Qualitätsgarantie ist. Dies ist aber in allen anderen Berufen auch so.

In dem eigentlich streng geregeltem deutschen Berufsrecht (beispielsweise Meisterbrief als Voraussetzung für Selbständigkeit im handwerlichen Bereich etc.) ist der Beruf des Journalisten/Redakteurs somit gar nicht geregelt.

Entscheidend ist aber auch die Frage, ob ich mich "Journalist" oder "Redakteur" nennen darf, nur Aufgrund der Tatsache, dass ich hier in dieses Forum schreibe -- als extremes Beispiel.

Und es ist entscheidend bei Fragen wie: Darf eine Schülerzeitschrift vom Rektor der Schule zensiert werden, und wenn ja: Warum? Wenn die Schülerzeitungsredakteure denn Journalisten wären, dann wäre es dem Rektor kaum möglich.

So aber sind sie "Insassen" einer öffentlich-rechtlichen Anstalt (denn eine solche ist die Schule) und an das Anstaltsrecht gebunden, nachdem der Rektor eindeutig die Verantwortung alleine trägt.

Und schon sind wir beim öffentlich-rechtlichem Rundfunk, wo politische Färbungen bekanntermaßen eine Rolle spielen und man so in der Frage der Verantwortung und Eingriffsmöglichkeit von "Anstaltsvorgesetzten" schnell ins Schleudern kommen könnte, wenn man dies unter dem Gesichtspunkt Art 5 vs. Anstaltsrecht betrachten würde.
 
Liebe(r) Alquaszar,

diese Frage spielt niemals eine Rolle, egal welchen Status jemand hat und ob er nun Journalist genannt wird oder nicht. Zensur findet nicht statt (natürlich nur solange, wie nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird, z.B. in Form von Beleidigungen, Aufrufen zu Straftaten etc.). Das gilt für Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern und selbstverständlich auch für Schülerzeitungen. Der Rektor hat das Hausrecht und kann den Schülern untersagen, die Zeitung auf dem Schulgelände zu verteilen/zu vertreiben und er kann seine Unterstützung verweigern, in dem er den Schülern verbietet, die Schulcomputer für die Zeitung zu nutzen. Aber er darf niemals, niemals zensieren.
Sicher hat der Rektor das, was Du die Verantwortung für das Anstaltsrecht nennst. In Deutschland gilt die Gewichtung der Gesetze und Regelungen aber von oben nach unten. D.h. ebenso, wie Kommunalgesetze nie gegen Landes- oder Bundesgesetze, Bundesgesetze nicht gegen Europäisches Recht verstoßen dürfen, kann auch ein Schulrektor nicht willkürlich Regelungen treffen, die gegen Bundesrecht verstoßen. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Schüler sich dessen bewußt werden und sich gegen Zensurversuche wehren.
Alles andere ist eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz. Wenn Du von Dir behaupten willst, Du seist Journalist, weil Du in ein Forum postest oder Flugblätter druckst, dan wird Dich niemand wegen Titelfälschung oder Betrug rankriegen. Du musst aber damit rechnen, dass Dich Dein gegenüber nicht für voll nimmt. Da sollten "wahre" Journalisten aber selbstbewusst genug sein, als dass sie sich von solchen "Möchtegern-Journalisten" in ihrer Berufsehre gepackt sehen.
Viele Grüße
Die Hexe
 
Liebe Radiohexe,

wir widersprechen uns nicht. Habe das Beispiel mit der Schülerzeitung nur gebracht, weil ich Lehrer bin und damit selbst so ein Insasse einer öffentlich-rechtlichen Anstalt.

In der Schule kollidieren dauernd die Grundrechte mit dem Anstaltsrecht. Natürlich kann ein Rektor untersagen, dass eine Schülerzeitung auf dem Schukgelände verteilt wird, aber dies ist eigentlich schon eine Form der Zensur. Im Internetzeitalter ist das natürlich eine lächerliche Maßnahme, aber sie ist immerhin theoretisch denkbar.

Seis drim, das ist eigentlich ein Nebenkriegsschauplatz. Es geht halt -- um die Sache wieder auf den Punkt zu bringen -- um die Unabhängigkeit von Journalisten bzw. Redakteuren, deren wirtschaftliche bzw. politisch-juristische Abhängigkeit vom jewiligen Vorgesetzten und Brötchengeber.

Hier spielt, denke ich, es eine eher untergeordnete Rolle, ob die Berufsbezeichnung nun besonders geschützt ist oder nicht. Mein theroetisches Hauptargument für einen geschützten war halt die besondere gesellschaftliche Verantwortung, aber ich denke es gibt einen ungliche gewichtigeren Grund GEGEN eine geschützte Berufsbezeichnung: Denn dann wären Journalisten noch kontrollierbarer, weil man ihnen sozusagen Berufsverbot erteilen könnte, ähnlich Ärzten, denen man die Approbation entzieht.

Bei Journlisten aber wären solche Maßnahmen sehr kritisch, da sie ja nie völlig objektiv begründbar wären und immer einen Angriff auf die journalistische Freiheit beinhalteten.

Daher ist -- wie gesagt -- die Frage einer geschützten Berufsbezeichnung eher zweirangig.
 
Dann sind wir uns in allen Punkten einig. Aber Du kannst eine Schülerzeitung natürlich auch vor dem Schulgelände verteilen. Ist das pädagogisch wertvoll? Ich wünsche mir ganz viele gute Gemeinschafts- oder Gesellschaftskundelehrer, die ihren Schülern vermitteln können, wie wichtig und welche Errungenschaften die Grundrechte sind.
 
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