Klar. Aber wenn man alle ungewöhnlichen Musikgeschmäcker im Programm abbilden wollen würde, bräuchte man extrem viel mehr Geld.
Komisch, wie
ByteFM, das inzwischen nicht-mehr-nur-Online-Radio mit dem extrem vielfältigen Musik- / musikjournalistischen Popkultur-Programm die Finanzierung hinbekommt ausschließlich aus dem, was über den Förderverein "Freunde von ByteFM" und ggf. mal irgendwelche öffentlichen Kulturfördertöpfe reinkommt:
RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich sprach mit dem ByteFM-Senderchef Ruben Jonas Schnell über Programmkonzept und Perspektiven.
www.radioszene.de
Ruben Jonas Schnell: ByteFM finanziert sich im Wesentlichen durch den Förderverein „Freunde von ByteFM“ mit aktuell rund 9.500 Mitgliedern, die den Sender mit 60 € pro Jahr unterstützen. Diese „Freunde von ByteFM“ sorgen dafür, dass der Sender unabhängig bleibt und der Verein wächst stetig, jedes Jahr um rund 800 neue Mitglieder. Für diese Unterstützer*innen von ByteFM, aber auch für uns Programm-Macher ist wichtig, dass es bei uns keine Werbespots gibt. Das wird sich nicht ändern.
Klar, abgesehen von einem Kernteam, das den Tagesbetrieb und die Administration am Laufen hält, bekommt da soweit mir bekannt niemand Geld für die musikjournalistische Arbeit. Dafür zahlt man inzwischen sogar für lokale terrestrische Verbreitung.
Wenn jetzt jemand (möglicherweise sogar noch aus nem Gremium) kommt und was von "extrem viel mehr Geld" erzählt, das man bräuchte, um in der ARD das zu machen, was ByteFM in Extremform ohne Rundfunkbeitrag stemmt, was vor 30 Jahren noch zumindest im Abendprogramm selbstverständlich in der ARD war und heute für viele Anstalten nicht mehr gilt, nämlich Musikjournalismus auf der Popwelle, wirkt das auf mich einfach nur peinlich. Das ist eine Bankrotterklärung - aber keine finanzielle, sondern eine kulturelle und eine ethische. Das ist einfach nur noch Ausdruck von absoluter Verwahrlosung der ARD und eines es-gar-nicht-mehr-anders-Kennens. Wer so argumentiert, kennt kein Radio. Wer so argumentiert, kennt nur akustische Umweltverschmutzung, kennt nur Massenideologie als Programmplanungskriterium.
Es geht dabei nicht darum, irgendwas zu vergolden. Es geht dabei nur darum, Menschen mit Erfahrung, Authentizität, Szene- und Branchenkenntnissen, persönlichen Kontakten zu KünstlerInnen, Neugier, Lust und Leidenschaft für "ihre" musikkulturelle Nische und einer Persönlichkeit, die einem entweder als "musikkulturelle Instanz" oder als "vertrauter ferner Freund" (oder idealerweise beides) ans Herz wächst, ans Mikrofon zu lassen - an Stelle des Automaten, der die aktuelle Hit-Grütze dudelt.
Man hat solche Inhalte teils bei der ARD komplett entsorgt (das Jugendradio des hr, hr-XXL, hatte da z.B. etliches im Angebot, auch die Abendschiene auf hr1 war einst so bestückt, wenn auch entsprechend "reifer") oder aus den Programmen mit UKW-Verbreitung abgeschoben in neue Digitalwellen, z.B. in Form von NDR Blue, wohin der NDR Nachtclub gehen musste (und dabei auch ca. 50% der AutorInnensendungszeit einbüßte).
Das kostet Geld: neue Welle, weitere Studio- oder wenigstens Ausspielsysteme, weitere Capacity Units im DAB+ (oder halt "kostenneutral" dafür allen Wellen schlechtere Übertragungsqualität geben), weitere Livestreams. Und das nur, um auf den vorhandenen Wellen durchgehend Einheitsbrei dudeln zu können (oder im Falle des NDR halt die 24-Stunden-Inforadioversorgung zu machen).
So hat sich das System der ARD-Hörfunkwellen auch aufgebläht: Popkultur raus aus den vorhandenen Wellen, dafür günstigstenfalls eine neue Musikwelle, die als "digitale Resterampe" relevanten Inhalts unter beinahe Ausschluss der Öffentlichkeit fungiert. Schlager raus aus den älteren "Heimatwellen" (das "polarisiert" ja), dafür eine neue seelenlose automatisierte Schlagerwelle (und bitte dafür neue Radios kaufen).
Kinderprogramm raus aus der UKW-Welle (fragen Sie
"die Füchsin", Sie finden sie im "Geschäftsbereich I"), dafür und für andere auf der UKW-Welle als "störend" empfundene Inhalte noch eine "Spezialwelle". Undsoweiter.
Das geht ja soweit, dass eine ARD-Anstalt 3 musikalisch weitgehend identische belanglose Kiddie-/Jugendwellen veranstaltet, aber kein wertvolles Jugendkulturprogramm mehr (das hatten sie von 2006-2010, das kostete tatsächlich Geld, da ging es nicht nur um Musikjournalismus, da ging es auch um intensiven, journalistisch fundierten Wortanteil).
Eine hübsche Blähung, die man jetzt abschneiden kann, womit man die letzten störenden Inhalte auch noch entsorgt bekommt. Übrig bleiben die entkernten Massenwellen. Ich könnte mir fast vorstellen, dass Politik und ARD da beide recht glücklich mit sind: endlich nur noch allerbilligsten inhaltefreien Massenfunk, der auch frei von jeglichen menschlichen Regungen ist (außer dass mal eine Whatsapp vorgelesen wird von Susi, die gerade auf der A4 unterwegs ist und nen Blitzer gesehen hat - danke Susi).
Ich behaupte: wir hätten nicht dieses Ausmaß an gesellschaftlichen Verwerfungen und Perversionen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht schon seit Jahren genau mit den Methoden Programmgestaltung machen würde, die die zunehmend nach der Macht greifenden politischen Kräfte auf ihren "Spezialgebieten" auch anwenden: Minderheiten diskriminieren, entwürdigen, "entmenschen" und als "Kostenfaktoren" abstempeln, ausschließliche Orientierung an einem "Massengedanken", Vielfalt vernichten, Kultur zurückdrängen - und damit Menschsein erschweren.
Ich habe das zu den Zeiten, in denen ich noch ARD-Radio hörte, bei jeder "Programmreform" (außer einer) direkt gefühlt: diese Verachtung, die denen entgegengebracht wurde, die man als "unwert" für eine Berücksichtigung im auch von ihnen bezahlten ARD-Hörfunk betrachtet hat. Diese Verachtung, die denen, die da hochwertiges, menschliches Programm veranstaltet haben, entgegengebracht wurde. Und diese unendliche geistige Dumpfheit, mit der man dem Hörfunk die Seele ausgetrieben hat. Die Ausnahme: der Neustart von MDR Sputnik 2006 unter Eric Markuse. Das ging in genau die entgegengesetzte Richtung und war für 4 Jahre richtig gut in vielerlei Hinsicht. Danach wurde es handstreichartig wieder beendet.