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Retorten-Musik: Erfolg nur durch Zufall möglich?

UKW 100

Benutzer
Hallo,

bekanntlich ist es ja so, dass zu einem WIRKLICH großen Erfolg, wie ihn z. B. Madonna, Elton John oder Taylor Swift erreicht haben, auch sehr viel Glück dazu gehört. Aber es ist bei mehr oder weniger "handgemachter" Musik durchaus möglich, sich von einem kleineren Rahmen aus "hoch zu arbeiten": Schon durch das Erlernen des eigenen Instruments knüpft man z. B. in der Musikschule und später evtl. in der Musikhochschule quasi automatisch Kontakt zu anderen Musikern. In allen größeren Städten gibt es zudem Musikkneipen, in denen regelmäßig offene Sessions oder Konzerte von Newcomer-Bands stattfinden. Dort haben Künstler die Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen, und wenn sie wirklich herausragend sind, wird sie schon irgend jemand auf die nächste Ebene "durchreichen". Manche heutige Stars, wie die Kelly Family oder Ed Sheeran, haben als Straßenmusikanten angefangen. Aber die waren halt tatsächlich qualitativ besser als der Durchschnitt. Klar, dass sich die dann durchgesetzt haben.
Selbst Nachwuchs-Schlagersänger können z. B. in einer öffentlichen Karaoke-Bar für Aufmerksamkeit sorgen.
Aber wie sieht das eigentlich bei reiner Retorten-Musik aus, die komplett am PC, ggf. noch mit ein bisschen weiterer Studiotechnik entsteht? Jeder daher gelaufene Computerbenutzer kann heutzutage einen Track produzieren, und da z. B. Techno oft ohne nennenswerte Melodie auskommt, ist auch noch nicht einmal besonderes kompositorisches Know-How erforderlich. Die Veröffentlichung bei Plattformen wie YouTube oder Spotify ist heutzutage auch kein großer Aufwand mehr.
Aber wie geht es dann weiter? Wie schafft ein 08/15-Retorten-Track dann den Sprung vom reinen Spotify-Upload in die DJ-Sets, die dann in Clubs, Lounges, Radiosendern usw. laufen? Und wie wird ein 08/15-Titel dann von dort aus so erfolgreich, dass er es sogar in die Charts schafft? Es reicht ja i.d.R. nicht, wenn EIN bekannter DJ den Song mal irgendwo spielt. Richtig bekannt wird ein Titel ja immer nur, wenn die Leute ihn öfter und an unterschiedlichen Orten mitkriegen. Aber wie ist das bei einem Titel, der eigentlich "nichts Besonderes" ist, möglich? Ein typisches Beispiel für so einen Titel war z. B.:

Entsteht ein solcher Erfolg für so einen Titel (den ja so wirklich fast jeder daheim produzieren kann) letztlich NUR durch puren Zufall? Also ganz nach dem Motto: Wenn es eine Million Leute versuchen, wird irgendeiner davon schon zum Hit? Oder kann man - analog z. B. zu Straßenmusikern - sich als Producer irgendwo hin begeben, wo die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg signifikant steigt?

Für mich ist es quasi ein Buch mit sieben Siegeln, wie einzelne Leute mit unmelodiöser Retortenmusik den Sprung vom Heimstudio und DIY-Veröffentlichung zum Einsatz des Titels in Clubs und evtl. sogar einem Charts-Einstieg schaffen?
Weiß hier jemand mehr?
 
[...]Dort haben Künstler die Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen, und wenn sie wirklich herausragend sind, wird sie schon irgend jemand auf die nächste Ebene "durchreichen".
Na ja, es ist schon mittlerweile ein enorm großes Problem, daß eben solche "nächsten Ebenen" teilweise gar nicht existieren, und fließende Übergänge erst recht nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Künstlern, die irgendwo auf eniem bestimmten Level versauern, weil es einfach keine geeigeneten Plattformen mehr für sie gibt - so leicht ist die Geschichte also da nicht.

Manche heutige Stars, wie die Kelly Family oder Ed Sheeran, haben als Straßenmusikanten angefangen. Aber die waren halt tatsächlich qualitativ besser als der Durchschnitt. Klar, dass sich die dann durchgesetzt haben.
"Qualitativ besser" - kann man drüber streiten. Was aber ganz bestimmt der Fall war und ist: sowohl die Kellys als auch Ed Sheeran können aufgrund ihrer Erfahrungen mit ihrem Handwerkzeug umgehen und sind in der Lage, mit Hopplas umzugehen. Daß irgendwo das Playback ausgeht und Sheeran bzw. die Kellys die Mikros sinken lassen nach dem Motto "Nu kömmer nimmer" - wird nicht passieren.

Ein typisches Beispiel für so einen Titel war z. B.:

Entsteht ein solcher Erfolg für so einen Titel (den ja so wirklich fast jeder daheim produzieren kann) letztlich NUR durch puren Zufall?
Nö, eigentlich nicht. Wobei das natürlich noch andere Zeiten waren. Bin gerade zu faul zu recherchieren, aber wenn ich mich richtig erinnere, ist das eine Nummer, die bei Sven Väth herausgekommen ist, also bei Cocoon oder einem der Sublabels. Und damals lief das noch alles über persönliche Kontakte bzw. die entsprechenden Netzwerke des Labels, also mit dem Rausschicken von zum damaligen Zeitpunkt bereits tendenziell digitalem Promo-Material an die interessierten DJs oder die geeignete Journaille, und natürlich eine Menge über Mund-zu-Mund, denn als DJ hat man sich ja praktisch ständig mit Kollegen oder Konsumenten über Musik unterhalten.
Damals gab es auch noch so eine Erfindung, die nannte sich "Foren" im Internet, da konnte man sich auch manchmal tolle Anregungen holen, wobei sehr viele davon damals ziemlich kurzlebig waren, da oft genug von privaten Händen betrieben. Mehr oder weniger zwangsläufig, denn als DJ wollte man sich ja in die Breite informieren und nicht ausschließlich von einem einzigen Label gesagt bekommen, was gerade Phase ist. Die Kommunikation über Foren ist anschließend verstärkt in Richtung Facebook und die dortigen Promo-"Pools" gewandert, und aus den Muster-Singles und -CDs wurden irgendwann mal Links, zuerst zu MySpace, später zu Material auf labeleigenen Servern ...

Gruß
Skywise
 
Sehr aufschlussreich und traurig zugleich:


"Vielleicht mal ein paar Zitate aus den Gesprächen mit den Labels in den vergangenen Monaten, wenn wir Künstler:innen angefragt haben: „Nee, mit dem haben wir nur einen Deal über zwei Singles, weiß nicht, ob wir den weiterarbeiten oder wie es da weitergeht.“ „Haha, nein, der kann keine ganze Stunde spielen. Der hat ja nur seine zwei TikTok-Hits bislang, das kann man bestenfalls auf 25 Minuten strecken.“ „Ach du meine Güte, auf gar keinen Fall! Die hat noch nie live vor Publikum gespielt und das erste Konzert sollte nicht grad eins mit Livestream und TV-Aufzeichnung sein!“ "
 
Jeder daher gelaufene Computerbenutzer kann heutzutage einen Track produzieren, und da z. B. Techno oft ohne nennenswerte Melodie auskommt, ist auch noch nicht einmal besonderes kompositorisches Know-How erforderlich.

Das ist zwar so, aber ein Hit wird deshalb noch lange nicht daraus. Im Gegenteil. Die Hits, die am Computer entstehen, erfordern höchste Professionalität und ein fundiertes musikalisches Können.
Mein Geschmack ist es zwar nicht, was dabei herauskommt, aber diejenigen, die damit erfolgreich sind, beherrschen ihr Handwerk, soviel steht fest.
 
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