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Kein Rock mit Gabriel? (Die Welt, 14.11.2003)
Partei auf Sendung: Unionsländer wollen die SPD mit neuen Mediengesetzen aus den Privatradios drängen
von Guido Heinen
Die "dritte Enteignung der SPD" - nach Kaiserreich und Nationalsozialismus - steht kurz bevor. Glaubt man dem SPD-Fraktionsvorsitzenden in Niedersachsen, Sigmar Gabriel, greift diesmal nicht Bismarck oder Goebbels nach dem Vermögen der Partei, sondern Christian Wulff. Doch, solche Vergleiche zieht Gabriel, der zugleich auch "Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs" seiner Partei ist, in diesen Wochen, wenn er das geplante Mediengesetz in Niedersachsen attackiert. Die Regierung Wulff will zukünftig verhindern, dass sich "eine politische Partei oder eine Wählergruppe still, durch ein Treuhandverhältnis oder mittelbar gleich jeder Form" an einer privaten Rundfunkanstalt beteiligt, sollte dies zehn Prozent der Kapital- oder Stimmrechtsanteile überschreiten.
Da kann Gabriel mitreden. Vielleicht weil er früher mal Rockkonzerte mitorganisiert hat und dabei auf den altlinken Barden Klaus Lage getroffen ist. Denn Lage ist das beste Beispiel dafür, wie verdeckte Rundfunkbeteiligungen von Parteien aussehen können. Über die Klaus Lage GbR war die SPD über ihre Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) bis Anfang 2001 an der Radio Tele FFH beteiligt. Diese veranstaltet das wahrscheinlich wichtigste Privatradio Hessens. Die Beteiligung der DDVG von umgerechnet 2,12 Prozent war nicht die einzige. Über zwei weitere Verlage und dahinter stehende Verschachtelungen war die größte und finanzstärkste deutsche Partei ebenfalls bei FFH im Geschäft. So klein diese wirtschaftlichen Beteiligungen auch waren, sie verstießen doch gegen das neue hessische Privatrundfunkgesetz der Regierung Koch. Folge: Die DDVG musste sich von ihren Anteilen an der Klaus Lage GbR trennen.
Die Hessen stehen damit an der Spitze einer Welle von Gesetzesinitiativen, mit denen unionsregierte Bundesländer derzeit versuchen, den Einfluss von Parteien in den Medien zurückzudrängen. Ihnen folgte Baden-Württemberg, Bayern arbeitet intensiv daran. Hingegen hatte Thüringen vor kurzem sein Rundfunkgesetz geändert und nur Unternehmen die Zulassung verweigert, die mehrheitlich von Parteien beherrscht werden.
Dabei richten sich die Mediengesetze zwar immer generell gegen alle Parteien. Faktisch aber treffen sie nur die SPD, die als einzige Partei über eine Hunderte Millionen Euro schwere Medienholding wie die DDVG an zwölf deutschen Verlagshäusern mit einer Vielzahl von Zeitungstiteln beteiligt ist. Zusätzlich hält die Partei über ihre DDVG in acht Bundesländern direkte oder indirekte Beteiligungen an 27 Hörfunkwellen - von Antenne Sachsen bis Radio Rockland Pfalz. Nur eine Beteiligung ist direkt, alle anderen laufen über Verlagshäuser, an denen die SPD über ihre DDVG beteiligt ist. Damit ist die SPD eigentlich fein raus: Während die meisten Rundfunkgesetze die direkte Beteiligung von Parteien an Radio und Fernsehen untersagen, wurde die indirekte Beteiligung bisher oft nicht erfasst. Wenn sich das demnächst auch in Niedersachsen ändert, träfe das die Sozialdemokraten besonders hart. Denn die SPD-Verbindungen ins deutsche Radiogeschäft laufen zu einem großen Teil über den 20,4-Prozent-Anteil am Madsack-Verlag Hannover.
Mit einer Klage auf "abstrakte Normenkontrolle" vor dem Bundesverfassungsgericht versucht die SPD-Bundestagfraktion nun, die für sie so günstige Lücke offen zu halten und beschlossene oder geplante Gesetze zu Fall zu bringen. In dem Antrag verweist der Staats- und Finanzrechtler Joachim Wieland für die SPD darauf, dass auch einer Partei Grundrechte zustünden. So verstoße das Hessische Gesetz gegen Artikel 5 Grundgesetz, der die Meinungsfreiheit garantiert. Wieland, dessen Antrag von Franz Müntefering und 231 weiteren SPD-Bundestagsabgeordneten unterzeichnet ist, argumentiert, Landesgesetze sollten lediglich der "Verhinderung einer Vermachtung des Rundfunks" dienen, der "nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werden darf". Das hessische Gesetz jedoch verfolge nicht diesen Zweck, sondern sei "unverhältnismäßig". Am Rande wird angedeutet, dass es wohl eher um "die Schwächung des politischen Gegners" gehen könnte.
Die Befürworter eines möglichst weit gehenden Funkverbots für Parteien deuten noch nicht einmal an, dass es in den Sendern Einfluss der SPD gegeben habe - dafür sind sie selbst zu sehr auf die mächtigen Privatfunker angewiesen. Sie argumentieren grundsätzlich, rechnen Parteien "der staatlichen Sphäre" zu und wollen die Staatsferne im Privatfunk durchsetzen. Dem hält die klagende SPD entgegen, der Grundsatz der Staatsfreiheit spreche nicht unbedingt gegen die Einflussnahme politischer Parteien im Rundfunk. Parteien seien "Mittler zwischen dem Volk und dem Staat", weshalb für sie die dem Staat auferlegte Neutralitätspflicht nicht in gleichem Maße gelten könne.
Auch der von Gabriel so scharf geäußerte Gedanke der "Enteignung" taucht in dem Antrag wieder auf. Wieland argumentiert, die Rechtsposition der Parteien sei ohne "rundfunkrechtlichen Anlass" verschlechtert worden. Ein solcher wäre, so die SPD, nur dann gegeben, wenn es um die Verhinderung eines unzulässigen Einflusses politischer Parteien auf die Veranstaltung privaten Rundfunks ginge. "Die ist jedoch bei einer Minimalbeteiligung nicht vorstellbar". Die Partei nimmt auch gleich noch alle Medienunternehmen unter die Fittiche ihrer verfassungsrechtlichen Argumentation. Denn gegen ihre Grundrechte würde ebenfalls verstoßen, wenn sie nur deshalb, weil Parteien an ihnen beteiligt seien, nicht an Rundfunksendern beteiligt sein dürften.
In einem eigenen Absatz führt die SPD allerdings aus, wie sie sich die Rundfunkgesetzgebung auch vorstellen könnte: "Es ist zumindest zu erwägen, ob ca. 20 Jahre nach der Einführung des privaten Rundfunks in Deutschland nicht ein Zustand von Binnenpluralismus erreicht ist, der auch politischen Parteien die Veranstaltung von Rundfunk erlaubt." Das "eigentliche Problem", so die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Klageschrift, bestehe wohl darin, "dass ein Parteisender ähnlich wie die Parteizeitungen vermutlich nicht auf hinreichende Resonanz im Publikum stoßen würde".
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Kein Rock mit Gabriel? (Die Welt, 14.11.2003)
Partei auf Sendung: Unionsländer wollen die SPD mit neuen Mediengesetzen aus den Privatradios drängen
von Guido Heinen
Die "dritte Enteignung der SPD" - nach Kaiserreich und Nationalsozialismus - steht kurz bevor. Glaubt man dem SPD-Fraktionsvorsitzenden in Niedersachsen, Sigmar Gabriel, greift diesmal nicht Bismarck oder Goebbels nach dem Vermögen der Partei, sondern Christian Wulff. Doch, solche Vergleiche zieht Gabriel, der zugleich auch "Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs" seiner Partei ist, in diesen Wochen, wenn er das geplante Mediengesetz in Niedersachsen attackiert. Die Regierung Wulff will zukünftig verhindern, dass sich "eine politische Partei oder eine Wählergruppe still, durch ein Treuhandverhältnis oder mittelbar gleich jeder Form" an einer privaten Rundfunkanstalt beteiligt, sollte dies zehn Prozent der Kapital- oder Stimmrechtsanteile überschreiten.
Da kann Gabriel mitreden. Vielleicht weil er früher mal Rockkonzerte mitorganisiert hat und dabei auf den altlinken Barden Klaus Lage getroffen ist. Denn Lage ist das beste Beispiel dafür, wie verdeckte Rundfunkbeteiligungen von Parteien aussehen können. Über die Klaus Lage GbR war die SPD über ihre Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) bis Anfang 2001 an der Radio Tele FFH beteiligt. Diese veranstaltet das wahrscheinlich wichtigste Privatradio Hessens. Die Beteiligung der DDVG von umgerechnet 2,12 Prozent war nicht die einzige. Über zwei weitere Verlage und dahinter stehende Verschachtelungen war die größte und finanzstärkste deutsche Partei ebenfalls bei FFH im Geschäft. So klein diese wirtschaftlichen Beteiligungen auch waren, sie verstießen doch gegen das neue hessische Privatrundfunkgesetz der Regierung Koch. Folge: Die DDVG musste sich von ihren Anteilen an der Klaus Lage GbR trennen.
Die Hessen stehen damit an der Spitze einer Welle von Gesetzesinitiativen, mit denen unionsregierte Bundesländer derzeit versuchen, den Einfluss von Parteien in den Medien zurückzudrängen. Ihnen folgte Baden-Württemberg, Bayern arbeitet intensiv daran. Hingegen hatte Thüringen vor kurzem sein Rundfunkgesetz geändert und nur Unternehmen die Zulassung verweigert, die mehrheitlich von Parteien beherrscht werden.
Dabei richten sich die Mediengesetze zwar immer generell gegen alle Parteien. Faktisch aber treffen sie nur die SPD, die als einzige Partei über eine Hunderte Millionen Euro schwere Medienholding wie die DDVG an zwölf deutschen Verlagshäusern mit einer Vielzahl von Zeitungstiteln beteiligt ist. Zusätzlich hält die Partei über ihre DDVG in acht Bundesländern direkte oder indirekte Beteiligungen an 27 Hörfunkwellen - von Antenne Sachsen bis Radio Rockland Pfalz. Nur eine Beteiligung ist direkt, alle anderen laufen über Verlagshäuser, an denen die SPD über ihre DDVG beteiligt ist. Damit ist die SPD eigentlich fein raus: Während die meisten Rundfunkgesetze die direkte Beteiligung von Parteien an Radio und Fernsehen untersagen, wurde die indirekte Beteiligung bisher oft nicht erfasst. Wenn sich das demnächst auch in Niedersachsen ändert, träfe das die Sozialdemokraten besonders hart. Denn die SPD-Verbindungen ins deutsche Radiogeschäft laufen zu einem großen Teil über den 20,4-Prozent-Anteil am Madsack-Verlag Hannover.
Mit einer Klage auf "abstrakte Normenkontrolle" vor dem Bundesverfassungsgericht versucht die SPD-Bundestagfraktion nun, die für sie so günstige Lücke offen zu halten und beschlossene oder geplante Gesetze zu Fall zu bringen. In dem Antrag verweist der Staats- und Finanzrechtler Joachim Wieland für die SPD darauf, dass auch einer Partei Grundrechte zustünden. So verstoße das Hessische Gesetz gegen Artikel 5 Grundgesetz, der die Meinungsfreiheit garantiert. Wieland, dessen Antrag von Franz Müntefering und 231 weiteren SPD-Bundestagsabgeordneten unterzeichnet ist, argumentiert, Landesgesetze sollten lediglich der "Verhinderung einer Vermachtung des Rundfunks" dienen, der "nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werden darf". Das hessische Gesetz jedoch verfolge nicht diesen Zweck, sondern sei "unverhältnismäßig". Am Rande wird angedeutet, dass es wohl eher um "die Schwächung des politischen Gegners" gehen könnte.
Die Befürworter eines möglichst weit gehenden Funkverbots für Parteien deuten noch nicht einmal an, dass es in den Sendern Einfluss der SPD gegeben habe - dafür sind sie selbst zu sehr auf die mächtigen Privatfunker angewiesen. Sie argumentieren grundsätzlich, rechnen Parteien "der staatlichen Sphäre" zu und wollen die Staatsferne im Privatfunk durchsetzen. Dem hält die klagende SPD entgegen, der Grundsatz der Staatsfreiheit spreche nicht unbedingt gegen die Einflussnahme politischer Parteien im Rundfunk. Parteien seien "Mittler zwischen dem Volk und dem Staat", weshalb für sie die dem Staat auferlegte Neutralitätspflicht nicht in gleichem Maße gelten könne.
Auch der von Gabriel so scharf geäußerte Gedanke der "Enteignung" taucht in dem Antrag wieder auf. Wieland argumentiert, die Rechtsposition der Parteien sei ohne "rundfunkrechtlichen Anlass" verschlechtert worden. Ein solcher wäre, so die SPD, nur dann gegeben, wenn es um die Verhinderung eines unzulässigen Einflusses politischer Parteien auf die Veranstaltung privaten Rundfunks ginge. "Die ist jedoch bei einer Minimalbeteiligung nicht vorstellbar". Die Partei nimmt auch gleich noch alle Medienunternehmen unter die Fittiche ihrer verfassungsrechtlichen Argumentation. Denn gegen ihre Grundrechte würde ebenfalls verstoßen, wenn sie nur deshalb, weil Parteien an ihnen beteiligt seien, nicht an Rundfunksendern beteiligt sein dürften.
In einem eigenen Absatz führt die SPD allerdings aus, wie sie sich die Rundfunkgesetzgebung auch vorstellen könnte: "Es ist zumindest zu erwägen, ob ca. 20 Jahre nach der Einführung des privaten Rundfunks in Deutschland nicht ein Zustand von Binnenpluralismus erreicht ist, der auch politischen Parteien die Veranstaltung von Rundfunk erlaubt." Das "eigentliche Problem", so die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Klageschrift, bestehe wohl darin, "dass ein Parteisender ähnlich wie die Parteizeitungen vermutlich nicht auf hinreichende Resonanz im Publikum stoßen würde".