Schweizer Öffis privatisieren ihre digitalen Spartenkanäle

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s.matze

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Das ist schon ein dickes Ding was zur Zeit weitgehend unbeachtet über die Bühne geht: Da werden in der Schweiz die Digitalkanäle für die Musiksparten Pop, Jazz und Classic mal ebenso vom öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio und Fernsehen "verkauft" und privatisiert!

Interessant ist folgender Aspekt: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Schweiz wollte die Sender nur dann verkaufen (warum eigentlich überhaupt - gerade das Anbieten von Spatenprogrammen abseits des Mainstream ist Kernaufgabe der Öffis), wenn der bisherige Charakter erhalten bleibt und es keine weitreichenden Veränderungen gibt:

Einzige Bedingung: der Käufer soll diese im heutigen Sinne weiterführen.
sofern ein Käufer diese im heutigen Sinne weiterführen werde

Nun gibt es aber (wenig überraschend) künftig unter dem neuen privaten Eigentümer bis zu 4 Minuten Werbung in der Stunde (wie die auf die 60 Minuten verteilt wird, geht nicht aus der Meldung hervor). Bisher waren die Sender werbefrei! Wenn das keine weitreichende Veränderung ist, dann weiß es auch nicht. Wenn ein bisher öffentlich-rechtlicher Sender privatisiert wird, geht der bisherige Charakter grundlegend verloren. Zu Swiss Jazz und Swiss Classic steht da noch nichts, aber es dürfte eine Frage der Zeit sein bis die folgen.

Eine sehr gefährliche Entwicklung, man kann nur hoffen dass das nicht Schule macht. Sonst haben wir in Deutschland bald nur noch Popradios und alles was kein Geld und keine Quote bringt (Klassik, Kultur, Wort, Jazz, Soul, Weltmusik...) wird privatisiert.

https://www.finanznachrichten.de/na...treibt-ab-ende-sommer-radio-swiss-pop-006.htm
https://www.horizont.net/schweiz/na...uebernimmt-den-radiosender-von-der-srg-181343
 
Ja, "dickes Ding" war auch mein erster Gedanke, als ich das las. Auch die schweizer Öffis haben gewissen Sparzwang, auch wenn sich das Wahlvolk doch recht deutlich (vermutlich wesentlich deutlicher, als das in Deutschland geschehen würde) für das öffentlich-rechtliche, gebührenfinanzierte System ausgesprochen haben.

Nun ist Swiss Pop aber letztlich nur ein Musik-Abspielkanal. Einer, der sich von anderen teils durch bessere Audioqualität und vor allem durch terrestrische Verfügbarkeit sowie gewissen Anteil Schweizer Popmusik auszeichnet und insgesamt recht gediegen wirkt. Das ist aber nicht viel, wenn man den Gesamtauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrachtet. Es wäre wesentlich heftiger, würde man SRF 2 Kultur privatisieren - da läuft die Anbindung an die Gesellschaft, an die Welt, an das (kultur)politische und kulturelle Tagesgeschehen. Das alles fehlt Archivdudlern, auch wenn sie noch so gediegen sind.

Insofern ist der Schritt zwar schon ungewöhnlich und durchaus "krass", aber schon verschmerzbar, wenn man den Gesamtauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrachtet.

Was Deutschland betrifft: das wären dann so Programme wie MDR Klassik, MDR Schlagerwelt oder NDR Plus oder die vielen zusätzlichen Streams, die kaum jemand noch vollständig aufzählen kann, die man damit noch am ehesten vergleichen könnte. Nett, aber nicht unbedingt öffentlich-rechtlich nötig - bis auf einen Punkt: Werbefreiheit.

"Kultur" (die mit redaktionellem Aufwand), Wort (das anspruchsvolle, das auch massiv redaktionellen Aufwand erfordert) wäre sowieso unattrativ für die Privatwirtschaft. Kostet wenns gut gemacht ist saumäßig viel Geld und bringt keines rein, weil Werbung dort zu Recht nicht hingehört.
 
Swiss Pop war/ist gerade auch in Geschäften, Cafés und Restaurants massiv beliebt eben wegen des Verzichts auf Nachrichten, Moderation und Werbespots. Da werden nicht wenige auf Spotify und Co umstellen, wenn dort künftig Reklame ertönt.
Ja, schade. Ich hoffe ja vor allem, dass Swiss Jazz erhalten bleibt. Denn diese Musikmischung aus traditionellen und moderneren Spielarten des Jazz bietet so wirklich gar kein anderer Sender. Das wäre für mich ein großer Verlust.
 
Nun ist Swiss Pop aber letztlich nur ein Musik-Abspielkanal.

Ja aber wenn man weiter denkt könnte das auch Virus und die Musikwelle betreffen:

"Die seit dem Januar 2019 gültige neue Konzession des Bundes erlaubt es der SRG, Spartensender zu verkaufen."

Was ist denn ein Spartensender laut Definition der SRGSSR? Anhand der Quote doch auch sowas wie SRF 2Kultur, ganz sicher aber SRF 4News (Sparte Aktuelles), Virus, Musikwelle, Option Musique, Radio Rumantsch (Sparte Minderheiten), Espace 2 (Sparte Kultur)...
Sicher kann man nur sein dass ein Regional- und ein Massenprogramm keine Sparte sind.

Dieser Passus öffnet doch dem Ramsch-Ausverkauf des ÖR Rundfunks alle Tore sperrangelweit! Vielleicht gibt es denn in 10 Jahren in der Schweiz einen Newssender, der von einem Skibetrieb oder einem Taschenmesserhersteller gesponsert wird (das 10 Minuten-Radio ist ja wohl keine ernsthafte Konkurrenz). Im englischsprachigen Raum ist das längst der Fall, dass große Konzerne oder Parteien sich Radiosender leisten. Oder man schaut nur mal nach Österreich - Ö24 Radio Austria.

Das Problem ist, dass die Sender wie Swiss Pop es sich bisher "leisten" konnten, etwas andere Musik zu senden. Durch die Privatisieren wird man gezwungen, den Bekanntheitsgrat der Musikauswahl anzupassen, wenn man dauerhaft erfolgreich sein will. Und man MUSS ja jetzt Geld verdienen, also "dudeln".

Oder alles bleibt so wie es war. Natürlich mit der Folge dass das alles dann irgendwann "aus Kostengründen" oder "mangels Erfolglosigkeit" eingestellt wird (also komplett verschwindet).

Wenn man beim Schweizer Rundfunk sparen will - warum dann gerade an einem unmoderierten Non-Stop-Musikkanal der dank Verbreitung in einem Gesamtpaket auf DAB keine eigenen Kosten verursacht? Wieviel spart man durch den Verkauf von einem oder mehr dieser Kanäle? Und ist der Erlös so hoch? Was passiert mit dem Geld, das durch den Verkauf eingenommen wird?
 
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Das ist doch eine Folge des gerade noch so abgelehnten Volksentscheids über die Abschaffung der Rundfunkgebühren in der Schweiz. War eine Konzession der Schweizer Öffis an ihre Gegner im Abstimmungskampf, wenn ich mich recht entsinne
 
eine Folge des gerade noch so abgelehnten Volksentscheids über die Abschaffung der Rundfunkgebühren in der Schweiz
Also, 71,6% Ablehnung der "Volksinitiative zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren" halte ich nicht für "gerade noch so", sondern für einen eindrucksvollen Beweis der Zustimmung zum gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wobei, um es nicht zu verschweigen: in der Schweiz profitieren auch manche privaten Anbieter davon. Sie erhalten Anteile aus diesem Topf im Gegenzug zu ausgiebiger regionaler Berichterstattung. Diese Anbieter wären dann auch platt gewesen.
 
Was ist denn ein Spartensender laut Definition der SRGSSR?
Die Konzession bestimmt, welche Radioprogramme angeboten werden müssen; und demnach sind im rätoromanischen Sprachgebiet ein Radiosender und in den anderen Gebieten je drei verpflichtend. Den Rest, darunter auch Virus, Musikwelle, SRF4 und Option Musique, braucht die SRG nicht zu veranstalten. Die ausdrückliche Erwähnung einer Verkaufsmöglichkeit finde ich im Konzessionstext allerdings nicht.
 
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Hat man von dem Thema eigentlich jemals wieder was gehört oder wurde das stillschweigend vom Tisch gewischt?

Und weil ich gerade nebenan von "Tina Umbricht neu in der Morgenshow bei Virgin Radio " lese: Interessant dass es Virgin mittlerweile auch bei unseren südlichen Nachbarn gibt und nicht nur in UK/Italien/Frankreich. Das war mir gar nicht so bewusst.

Wie und wo kann man dieses Programm denn eigentlich empfangen?
 
Hat man von dem Thema eigentlich jemals wieder was gehört oder wurde das stillschweigend vom Tisch gewischt?

Und weil ich gerade nebenan von "Tina Umbricht neu in der Morgenshow bei Virgin Radio " lese: Interessant dass es Virgin mittlerweile auch bei unseren südlichen Nachbarn gibt und nicht nur in UK/Italien/Frankreich. Das war mir gar nicht so bewusst.

Wie und wo kann man dieses Programm denn eigentlich empfangen?
Virgin Radio/Virgin Rock kann man auf den SMC-D03 Ensembles empfangen.
Die beiden Sender gehören CH Media, also stecken die mit Radio 24, Argovia, FM1, etc. unter der gleichen Decke.
 
Was so ein Stück "Vervielfältigungsplan" doch in den Medien angeblich alles anrichten kann. Dabei ging es nicht einmal um das Programm namens "Virus". ;)
 
Warum ist der Schweizer Rundfunk außerstande seine Werbezeit selbst zu vermarkten? Wenn so ein öffentlich-rechtlicher Musikteppich, der de facto fast nichts kostet, schon unbedingt mit Werbepausen durchlöchert werden muss, fragt man sich doch ernsthaft warum dafür ein kommerzieller Betreiber nötig ist, der am Ende sowieso alles nach seinen Vorstellungen umkrempelt.
 
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Bleibt Swiss Pop beim Schweizer Rundfunk darf dort auch weiterhin keine Werbung laufen.

Die Digitalsender Swiss Pop, Swiss Classic und Swiss Jazz verursachen Betriebskosten von "nur"2,1 Millionen Franken. Das gibt es nicht viel Einsparpotential, zumal Classic und Jazz keine Käufer findet. Ohne "No Billag" hätte man bestimmt auch auf einen Verkauf angeboten.

 
Kommt für mich jetzt nicht so überraschend, nachdem man über Monate nichts mehr davon gehört hat.
Was passiert nun stattdessen mit den Kanälen? Ich wette, eine PM der SRG, dass diese aus "finanziellen
Aspekten" nun eingestellt werden, ist schon im Druck und lässt vermutlich nicht lange auf sich warten...
 
Ich frage mich nach dem Mehrwert dieser sinnlosen Parallelausstrahlung. Da lief doch zuvor nachts nur unmoderierte Musik am Stück, noch dazu solche von Leuten die seit mehr als 70 Jahren tot sind. Dürfte also keinerlei Kosten verursacht haben. Will man die Programme mit aller Gewalt unattraktiv machen?
 
Erstmal haben die drei Kanäle Classic, Jazz und Pop nicht wenige Hörer. Bei den vTuner-Statistiken sind sie immer ziemlich weit oben, wenn nicht an der Spitze. Sie sind weit populärer als SRF2 etc. Und dann ist die Übernahme von Webchannels im Nachtprogramm auch nicht ungewöhnlich. Bei Radio France wird das auch praktiziert. Die VRT übernimmt nachts Klara Continuo auf Klara. Bei Rai Radio 3 läuft Radio 3 Classica. Auch RSI Rete Due übernimmt Radio Swiss Classic mit italienischer Zwischenmoderation, die aber wohl auch automatisiert ist. Nur RTS Espace 2 macht noch eigenes Programm. Die ARD ist neben der BBC einer der letzten Hörfunk-Veranstalter, der sich noch moderierte und live gesendete Nachtprogramme leistet – mehrere. Zurück zur SRG: Wenn man bedenkt, wieviel Geld sie einsparen mussten und wieviel deshalb gestrichen wurde, ist es wohl nicht so teuer, sich drei automatsierte Backup-Musik-Kanäle zu halten, die nicht zu monetarisieren waren.
 
Die VRT übernimmt nachts Klara Continuo auf Klara. Bei Rai Radio 3 läuft Radio 3 Classica. Auch RSI Rete Due übernimmt Radio Swiss Classic mit italienischer Zwischenmoderation, die aber wohl auch automatisiert ist.
Auch der Cesky Rhozlas sendet nachts im Kulturprogramm Vltava das Programm der Klassik-Digitalwelle D-Dur. Diese ist auch genau so wie Swiss Classic vollständig automatisiert und auch genau gleich aufgebaut. Ich finde zu den Randzeiten spricht da doch nichts dagegen. Bei unserem Nachtkonzert von BR-Klassik ist das ja in Teilen genauso.
 
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Rai Radio 3 läuft Radio 3 Classica.
Nicht nur da, auch bei Rai Triest, dem Programm für die slowenische Minderheit. Und zwar schon ab 19:30 Uhr!

Man sollte sich aber mal von dem steinzeitlichen Kulturbegriff verabschieden. Kultur heißt nicht automatisch Klassik. Die sinnfreie Doppelausstrahlung des Nachtkonzerts auf Bayern 2 und 4 ärgert mich seit vielen Jahren! Dann lieber auf Bayern 2 die "heimatsound"-Playlist nachts, so wie Radio Bremen 2 das macht.
 
SRF4 braucht die SRG nicht zu veranstalten
Das finde ich ehrlich gesagt merkwürdig, denn das ist ja der Nachrichtensender der Deutschschweiz, mit tiefgründigen Informationen, Lebensart und vielen redaktionellen Beiträgen und auch transparenter als die meisten ARD Inforadios.

Ein Nachrichtenradio gehört ebenfalls zur Kernaufgabe des ÖRs. Hier in Deutschland wäre es zum Beispiel völlig undenkbar, Sender wie MDR AKTUELL oder BR24 komplett einzustellen. Einzig SWR Aktuell wäre noch vernachlässigbar, aber auch das ist das einzige terrestrische Inforadio im Südwesten.
Es ist eh schon komisch genug , dass der ORF kein hauseigenes Informationsradio betreibt, sondern das mehr oder weniger stark in Ö1 integriert.

Ich hoffe nicht, dass die irgendwann auf den Gedanken kommen SRF 4 News einzustellen. Das ist der einzige deutschsprachige Informationssender, der nicht von der ARD abhängig ist. Zumal er auch nicht nur Schweizer Themen behandelt, sondern auch über den Tellerrand schaut und genauso auch über Deutschland und Europa berichtet, meiner Meinung nach wie gesagt transparenter, als jedes ARD Inforadio.
 
Weshalb zitierst du sinnentstellend aus einem 19 Monate alten Post? Die SRG braucht SRF 4 nicht zu veranstalten, da ihr der gesetzliche Auftrag dazu fehlt. Dies ist oben so mit Quelle nachzulesen. Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren. Was die ARD-Infowellen machen oder eben nicht, hat doch damit nichts zu tun und interessiert den Schweizer Gebührenzahler nicht.
 
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