Hallo!
Auch wenn mir der Threadstart ein wenig bizarr erscheint, kann nur beipflichten, dass Radio in der Schweiz arg wohltuend ist.
Ja, dem kann ich (nach Jahren des Erkenntnisgewinns, da ich praktisch immer mal in der Schweiz unterwegs bin) nur zustimmen. Irgendwie ticken die Uhren in der Schweiz anders - langsamer. Man nimmt sich einfach mehr Zeit. Das ist keineswegs negativ gemeint!
Ein gutes Beispiel war der 100. Todestag von Karl May, Ende März. Soweit ich das im Web gesehen habe, haben beispielsweise auch die ARD-Anstalten diesen Tag entsprechend gewürdigt. Das konnte ich im Radio aber nicht verfolgen.
Ich habe an diesem Tag die Sendung
Treffpunkt auf DRS 1 gehört und war sehr überrascht, daß der Moderator der Sendung Bernhard Burgener (Chef Constantin Film AG, plant neue Winnetou-Verfilmung) und Marie Versini (Schauspielerin; Winnetou-Schwester «Nscho-Tschi») so lange reden ließ.
Als "Eins-Dreißig" (vor)geschädigter Ex-Radiomensch habe ich immer mal wieder ungläubig auf die Uhr geschaut und gestaunt. Wer sich den Podcast zur Sendung mit "Radioohren" anhört, wird natürlich sofort feststellen, daß der Moderator nach einer gewissen Zeit auch "mächtig auf die Bremse getreten" hat, damit die Gesprächspartner langsam aber sicher zum Ende ihrer Rede kommen, denn sonst hätten die noch minutenlang weitere hochinteressante "Schwänke aus ihrer Jugend" erzählt... Aber auf DRS 1 ging das und es war voll okay!
Wenn nur die "SWR1-Leute" Regie mal so flexibel wäre und bei gewissen hochkarätigen Gästen, die wirklich viel zu erzählen haben, über den Mann im Ohr zu Siller & Co sagen würde: "Laß ihn weiterreden, bohr nach! Du hast Zeit. Wir kicken ein, zwei Titel!"
Mensch, wäre das toll! Ich verzichte gern mal auf ein "Breakfast in America", wenns der Sache dienlich ist...
Zurück in die Schweiz: Ich glaube, ich habe gestern entgültig erkannt, warum die Schweizer etwas anders "ticken", als die Deutschen. Es ist die über Jahrunderte gesammelte Erfahrung der Schweizer, daß man in den Alpen immer "locker bleiben" muß! Mit Gewalt geht gar nichts. Mit der in deutschen Landen üblichen "ich fahre Mercedes und habe daher eine eingebaute Vorfahrt", kommt man in der Schweiz auch nicht schneller voran.
Ihr fragt euch jetzt natürlich zu recht, warum ich so weit aushole und wo der Radiobezug ist? Kommt sofort.
Gestern war "Grün-Donnerstag", totales Osterferien-Reisechaos in der Schweiz. Alle wollen in Richtung Süden. Tja, in der Schweiz stehen nunmal die Alpen und im Moment (die Pässe sind noch geschlossen) gibt es nur zwei Wege in Richtung Süden: San Bernardino oder Gotthard.
Das Chaos begann schon am Mittag: Fünf Kilometer Stau in Richtung Süden am Gotthard. Im DRS 1 sprach eine Frau von der "Verkehrsmeldezentrale". Der Stau entsteht, weil alle zunächst die "einfache Route" - über den Gotthard - wählen. Danke, so schlau bin ich auch... Die Ausweichroute über den San Bernardino ist zwar länger, war zu diesem Zeitpunkt aber noch frei. Das sollte sich aber - wie von mir schon vermutet - alsbald ändern, denn aus Chur wurde Stau (oder sonstwas) in Richtung Süden gemeldet. Das muß ich mir nicht extra noch antun.
17 Uhr: Ich befinde mich am Flughafen Zürich und muß nach Süden. Eine denkbar ungünstige Zeit, da der "normale" Berufsverkehr auch voll reinhaut. Und ich mußte natürlich eine Entscheidung treffen. Ich habe mich für die Gotthard-Route entschieden. Natürlich schwoll der Stau im Laufe der Zeit immer weiter an, nun waren selbst die letzten Lemminge "on the road", immer begleitet von DRS 1.. Ich hatte mitunter den Eindruck, daß sich der zuständige Sprecher insgeheim über die Staulängen gefreut hat. Zumindest klang seine Stimme so.
Die anderen Sender waren aber auch nicht untätig. RETE UNO änderte die RDS-Kennung
RETE UNO
GOTTHARD
CODA->TI
Coda bedeutet Stau. Wenn man selbst drinsteht, lernt man Fremdsprachen sofort.
Radio Central wurde noch etwas genauer. Ich hab euch das als GIF-Animation vorbereitet.
Letztendlich habe ich "rekordverdächtige" fünf Stunden von Zürich bis Chiasso gebraucht. Es war also gegen 22 Uhr. Einer der letzten Fetzen DRS 1 den ich in Italien mitbekommen habe, ging sinngemäß so:
Sprecher: "Wenn um Mitternacht immer noch 10km Stau am Gotthard sind, machen wir ein "Gotthard-Wunschkonzert" mit Ihren Grüßen und Wünschen aus dem Stau. Wir werden sehen."
Und so wars dann wohl auch! Ich konnte nur die letzten Minuten vor 01:00 Uhr hören. Das klang verdammt Live! Der letzte Anrufer kam aus Freiburg (Breisgau), stand im Stau und wollte an den Como-See. Nach der Verabschiedung - und noch bevor der Regler unten war - fing er an zu Lachen - sinngemäß zu seinen Begleitern - "He, ich war gerade im Radio!" Normalerweise hätte der Moderator das ja rausgeschnitten.
Was man von den Schweizern im Stau lernt, wollt ihr noch wissen?
a) Es bringt nichts zu drängeln
b) Es bringt nichts die Spur laufend zu wechseln
c) Möglicherweise ist die rechte Spur (LKW) schneller,da dort pro Meter weniger Fahrzeuge stehen...
Ich wünsche euch ein staufreies Osterfest!