@Aktiv,
zu Deiner Kritik mal ein sehr offenes, aber durchaus nicht böse gemeintes Wort: Wie ich Deiner Schreibe entnehme, kommst Du aus den Staaten. In den USA hatte man aber ein deutlich anderes Verhältnis zum Ostblock als bei uns, einfach dadurch, dass wir die DDR und andere sozialistische Länder praktisch im Vorgarten hatten. Wir haben damit gelebt. Für uns war der Russe nicht das Ungeheuer, das kleine Kinder schlachtet und frisst, sndern ein Mensch, der nicht unserer Meinung war und den es politisch zu bekämpfen galt (und nicht mit der Kanone, wie es die USA in den diversen Ländern gezeigt haben - und noch zeigen). Wir kannten den Ostblock aus Hörfunk und Fernsehen, und wir waren in der Lage, uns ein eigenes Bild zu machen aus unseren Medien und aus denen von "drüben". So mancher Amerikaner, der sich für hyperintelligent hält, hat die Auffassung, nur das, was in seiner Presse steht, bei ABC, CNN und wo auch immer läuft, nur das sei die einzige Wahrheit. Dieses Schwarz-Weiß-Denken haben viele von uns nicht, und darum solltest Du uns nicht für bescheuerter halten als wir sind. Wir können heute - und konnten damals - Propaganda sehr wohl von der Realität unterscheiden, und gerade in unseremm Beruf erst recht.
Und jetzt wollte ich noch auf die beiden letzten Postings eingehen:
Zum einen ist die Annahme, dass die Musikauswahl in der DDR größer war als bei uns, völliger Schwachsinn. Während bei uns (schon richtig) BMG und co das Musikprogramm weitgehend diktieren, war das in der DDR Amiga. Dies war die einzige Plattenfirma, und legal durfte nur das gespielt werden, was auch im Amiga-Vertrieb war. Und das war lange nicht soviel wie im Westen. Dass Beatles und Stones gespielt werden durften, das stimmt, freilich erst in den 70ern und 80ern. Zu der Zeit, als sie bei uns ihre Hits hatten, waren sie in der DDR weitgehend verpönt. Originalzitat Walter Ulbricht 1964: "Müssen wir denn jeden Mist übernehmen, der aus dem Westen kommt? Das Je Je Je, oder wie das alles heißt, das sollte man doch sein lassen." Allerdings gab es Ausnahmen: In einigen Regionalstudios (Leipzig zum Beispiel) setzten sich Musikredakteure hin und schnitten Sendungen von Westsendern mit. Dann wurden die Westschlager rausgeschnitten und liefen so auch im DDR-Rundfunk. Und weil einige dies privat machten, stimmten schon mal die Bandgeschwindigkeiten nicht ganz überein, und deswegen lief Cliff Richard eben zu langsam.
Die Sache mit der Westmusik auf Stimme der DDR in der Nacht hatte nicht den Grund, dass man die Hörer von DT64 angeln wollte. Westmusik lief da auch schon ende der 70er und anfang der 80er, und da begann DT64 erst um 16.00 Uhr. Um den Grund zu verstehen, muss man sich die Aufgabe der ursprünglich vier DDR-Sender vergegenwärtigen, wie sie anfang der 50er Jahre vom SED-Politbüro festgelegt wurden:
Radio DDR sollte mit seinen beiden Programmen Hörer in der DDR über das nationale und internationale Geschehen informieren und sie zudem mit seinen zwei Programmen unterhalten bzw. "erbauen" (im Kulturprogram DDR 2);
Der Berliner Rundfunk sollte die Bürger in der DDR über das Geschehen in der Hauptstadt informieren;
Der Deutschlandsender (ab 1971 Stimme der DDR) richtete sich an Bürger in ganz Deutschland und sollte mit erklärenden Informationssendungen auch und vor allem gesamtdeutsche politische, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte beleuchten. Mit dem Bau der Mauer wurde der Sender dann ein Programm, das vor allem über Geschehnisse in der DDR berichtete, dabei aber stets einen gesamtdeutschen Blick bewahrte. So waren nachrichten- und Polit-Sendungen wesentlich hintergründiger, Beiträge bei "Hallo - das Jugendjournal" richteten sich teilweise direkt an bundesdeutsche Kommunisten.
Was nun das Nachtprogramm betrifft, so hoffte man, durch die starke Lang- und Mittelwelle Hörer aus dem Westen zu ködern. Allein die Musik sollte das Bild vermitteln, dass es ja so schlimm gar nicht sei im Arbeiter- und Bauernstaat, wie es von den Westmedien immer behauptet wurde. Außerdem versuchte man, eine Lücke im gerade Nachts sehr sterilen DDR-Hörfunk zu füllen, und man hoffte, dem langweiligen öffentlich-rechtlichen Nachtprogramm bei uns etwas buntes entgegenzusetzen - mit Erfolg übrigens.
Co