TV.Berlin macht dicht !

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DerDoktor

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Georg Gafron kriegt die erste Quittung für seine journalistische Blindheit. "Süddeutsche Zeitung" vom 12.03.2002:

Verfrühter Sendeschluss

Der Lokalsender TV.Berlin wird eingestellt – auch der Rest von Georg Gafrons Medienmacht scheint bedroht

Nach etlichen Wochen mit mäßig wichtigen Aufmachern über impotente Frührentner und Schlaglöcher in den Straßen hatte Georg Gafron, Chefredakteur des Berliner Boulevardblattes B. Z., gestern endlich eine Exklusiv-Meldung zu bieten. Der lokale Fernsehsender TV.Berlin, ließ Gafron seine staunende Redaktion in der Morgenkonferenz wissen, werde dichtgemacht.

Viel werden die B.Z.-Redakteure mit dieser Nachricht allerdings nicht anfangen können. Blattmacher Gafron ist nämlich auch Geschäftsführer von TV. Berlin und wird wohl als solcher dafür sorgen, dass die Pleite nicht ins Blatt kommt. Zumal sie der Auftakt zum Untergang des kleinen Medienimperiums sein dürfte, das sich der konservative Gafron in den letzten Jahren aufgebaut hat. Neben TV.Berlin und Springers B.Z. steht er noch dem konservativen Propaganda-Radiokanal Hundert,6 vor – was insofern praktisch war, als dass Gafron auf alles, was links von ihm steht, gleich aus drei Rohren schießen konnte. So betitelte er beispielsweise seinen gestrigen Leitartikel, der sich dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr annahm, mit der knappen Aufforderung: „Schickt Panzer!“

Das Ende von TV.Berlin ist wohl schon länger absehbar gewesen. Bereits im im Dezember hat der zweite TV.Berlin- Geschäftsführer, Christian Böhmer, intern Rettungskonzepte für die drei Lokalsender der angeschlagenen Kirch-Gruppe in München, Berlin und Hamburg präsentiert. Böhmer hatte vorgeschlagen, die Lokalprogramme auf maximal vier Stunden am Tag zu reduzieren und das Programm als Schleife auszustrahlen. Filme, Serien und andere Unterhaltungsteile sollten ganz gestrichen werden. Im Hause Kirch kam noch die Idee hinzu, die Lokalsender im eigenen Nachrichtenkanal N 24 aufgehen zu lassen. Dieses Modell, so heißt es bei Kirch, sei „aus der Verzweiflung heraus geboren“ und mittlerweile wieder verworfen worden. „Mit Regionalfernsehen ist in Berlin – und im übrigen in ganz Deutschland – kein Geld zu verdienen“, sagt ein Manager. „In Berlin ist es seit Schamonis Zeiten nie gelungen, einen Lokalsender zu positionieren. West-Berlin ist fest in der Hand des SFB, und in Ost-Berlin ist das wirtschaftliche Potenzial für eine private Lokalstation viel zu klein.“

Was für Leo Kirch nur eine weitere Konsolidierungsmaßnahme unter vielen ist, stellt sich für andere als Desaster dar. Das gilt sowohl für die die zweihundert Angestellte von TV.Berlin, als auch für den von Selbstkritik weitgehend verschonten Gafron. Der hatte zu seinem Amtsantritt angekündigt, den SFB in die Enge zu drängen und dessen Moderatoren auf Plakaten schon mal als „Häuptling der Apathischen“ denunziert. Doch sein Programm – darunter eine Talkshow, in der Gafron persönlich monologisiert – wollten noch weniger sehen als das Kiezfernsehen seiner Vorgänger. Zuletzt fiel die Quote auf durchschnittlich 0,6, an manchen Tagen gar auf 0,2 Prozent. „Die nehmen wir schon lange nicht mehr als Konkurrenz wahr“ heißt es beim SFB.

Das Ende von TV.Berlin könnte der Anfang von Gafrons Untergang sein. Auch der Sender Hundert,6, mit dem einst der private Rundfunk in Berlin gegründet wurde, schwächelt. Dass die Reporter in schönstem Frontstadt-Deutsch grundsätzlich nur vom rot-dunkelroten Senat und von der SED- Nachfolgepartei PDS sprechen, haben die Hörer nicht gedankt. In der letzten Media Analyse wurden in Berlin nur noch 50000 Hörer pro Stunde ausgewiesen, der private Marktführer 94,3 r.s.2 erreicht mehr als das Doppelte. Als mögliche Kaufmasse für den im Hörfunkbereich nicht untätigen Holtzbrinck- Verlag kommt der Sender aber wohl nicht in Frage. So einen „flachen Bekennerrundfunk“ brauchen wir nicht, sagt ein Verlagsmanager.

Zu allem Überfluss befindet sich auch noch das Boulevardblatt B. Z., dessen Leitung Gafron wohl einzig und allein Leo Kirch verdankt, auf dem absteigenden Ast. Ursprünglich sollte Gafron für mehr Leser sorgen, nachdem der heutige Bild-Briefeschreiber Franz-Josef Wagner die Auflage mit Geschichten über Spiegeleier auf heißen Autodächern sauber abgeschmolzen hatte. Doch statt eines Auflagengewinns fiel der Verkauf auf ein historisches Tief. Seit Gafron vor über einem Jahr antrat, sagten viele Leser ade, fiel die verkaufte Auflage von 267313 (IVW 4/2000) auf 253281 (4/ 2001).

Der publizistische Niedergang allerdings fällt noch deutlicher aus. Wochenlang hievt Gafron Geschichten über alte Pferde oder vergiftete Euro- Scheine ins Blatt, in seinen Kurzkommentaren stempelt er das Personal der Bundesregierung und des Senats in wenigen Zeilen zu Terroristen und verantwortungslosen Hallodris. Solange Leo Kirch die Hand über Gafron hielt, regte sich im Springer-Verlag kaum Kritik an dieser Art des Da-Da-Journalismus. Seit Kirch aber von Springer an die Wand gedrängt wird, ist Gafrons Zukunft ungewisser denn je.

Immerhin hat er bald mehr Muße fürs kreative Blattmachen – denn bei TV.Berlin dürfte es nicht mehr allzu viel zu tun geben. Für einige ältere Redakteure dürfte das Ende des Senders auch das Ende ihrer beruflichen Laufbahn bedeuten. Die Jüngeren wappnen sich in der Zwischenzeit für die anstehende Bewerbungstour. Sonntagnacht sollen einige TV.Berlin-Mitarbeiter in die Redaktionsräume des Senders am Fuße des Berliner Fernsehturms gegangen sein, um sich Beiträge zu kopieren – als Bewerbungsmaterial für den nächsten Arbeitgeber. Vermutlich wollte diese Gruppe nicht erst warten, bis Gafron ihnen die schlechte Nachricht überbringt. Wie aus Redaktionskreisen verlautet, soll dieser aber Sonntagnacht nicht beim Sender gewesen sein. (siehe auch Wirtschaft und München)
 
*ähem* ...

... bitte nicht zu früh jubeln. Gafron hat schon ein paar (Lebens)-Krisen überstanden und auch schon ein paar Mal gewackelt. Ich bin heute noch dankbar, dass ich GG wenigstens einmal im Leben erleben durfte - jedenfalls einen begrenzten Zeitraum.

Grüsse
 
Die Hamburger Morgenpost berichtete gestern, dass Georg Gafron die laut "Süddeutscher Zeitung" gemachten Äusserungen über das Ende von TV.Berlin dementiert habe.
 
Flacher Bekenner-Rundfunk und konservativer Propaganda-Sender gefällt mir im Zusammenhang mit 100,6 ganz gut, ich meine damit ist treffend alles gesagt.

Mfg
 
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