USA: Wie alt dürfen Rock-Rentner sein?

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Aus der Frankfurter Neuen Presse von heute:
Von Jonathan Salant

Die Oldies-Sender in den USA stellen allmählich auf die Musik der 70er Jahre um. Die Senioren empören sich.

Wann hört man auf, einfach nur älter zu werden, und fühlt sich plötzlich alt? Für viele Musikfans kommt der Moment, wenn sie die Musik ihrer Kindheit oder Jugend in den Oldies-Radioprogrammen hören. Davon gibt es in den USA sehr viele, und die Sender legen immer öfter die Hits aus den 70er Jahren auf. Das geht zu Lasten der Songs aus den 50er und frühen 60er Jahren von Chuck Berry, "Fleetwood Mac", Bill Haley, den "Rolling Stones" oder "Beatles" und auch Elvis Presley.

Jeff Gold vom Sender WBIG in Washington: "Die Jahre gehen, und neue Lieder werden Oldies. So ist das nun mal." Aber mit den ersten "Baby-Boomers" an der 60-Jahre-Schallgrenze ist es nicht mehr so einfach. Die einstige Jugendmusik wird – vor allem in der Werbewirtschaft – bei den reiferen Jahrgängen in alte und noch ältere eingeteilt. "Das ist Marketing", erklärt Dick Bartley, Gastgeber bei zwei US-weit ausgestrahlten Oldie-Shows, "Rock and Roll Greatest Hits" und "American Gold". "Das Oldies-Format macht, was alle im Geschäft machen: Es folgt der Demografie."

Und das bedeutet: Wichtigste Zielgruppe sind und bleiben die 25- bis 54-Jährigen. Eine Untersuchung des Medienforschungsunternehmens Coleman stellte für die USA fest, dass in den vergangenen drei Jahren Songs aus den 50ern und frühen 60ern von Oldies-Sendern seltener gespielt werden. "Der einzige Grund, warum unsere Oldies-Sender in Richtung späte 60er und die 70er Jahre gegangen sind, ist der, dass uns das von den Werbetreibenden gesagt wurde", sagt Marty Thompson, Manager bei KQOL in Las Vegas und Programmdirektor für Oldies bei Clear Channel, der mit 1200 Stationen größten Senderkette in den USA. "Wir mussten es machen, um weiter Werbung in unseren Sendern zu haben."

Die ersten Oldies-Sender kamen in den 70er Jahren auf. Sie entdeckten die amerikanischen Senioren als eine bis dato wenig beachtete Konsumentengruppe. Weniger bekannte Hörfunkeinrichtungen nutzten ihre Oldies-Sendungen, um sich von den übermächtigen 40 größten UKW-Sendern in den USA abzusetzen, erklärt der Rundfunk- und Oldies-Sender-Spezialist Alvin Davis aus Cincinnati. Seit den 80ern hat fast jede US-Großstadt ihren eigenen Oldie-Sender.

Programmdirektoren wie Tim Maranville von KOOL in Phoenix verweisen darauf, dass das Format eigentlich nur bedeutet, dass ältere Lieder gespielt werden. Eine zeitliche Zäsur scheint er nicht für nötig zu halten. "Die Lieder wachsen in unser Format. Als Oldies-Mann habe ich kein Problem mit den 70ern, weil es wunderbare Musik aus der Zeit gibt." Die älteren Hörer sehen das offensichtlich etwas anders.

Der Coleman-Studie zufolge wandern die um die 60-jährigen in dem Verhältnis ab, in dem 70er-Jahre-Musik gespielt wird. Das sind Leute wie Joe Barnard, 61, der jetzt CDs und Cassetten beim Autofahren hört. "Ich habe nichts gegen die 70er-Jahre-Musik", sagt er. "Es ist halt nicht die Musik, die ich hören will. Mein Interesse an Musik begann in den 50ern. Und ich will immer noch 50er-Jahre-Musik hören."

Jenny McCaw, 54, stimmt zu. "Die "Eagles" sind eine gute Gruppe, aber sie sind nicht alt genug, um Oldies zu sein."

Radio-DJ Alan Lee vom Oldie-Sender WQSR in Baltimore stellt denn auch fest, dass es nach wie vor einen Markt für ganz alte Oldies gibt. "Aus welchem Grund auch immer: Die Leute neigen dazu, der Musik gewogen zu bleiben, die populär war, als sie Teenager waren."
 
Formatradio bedeutet natürlich, ein Programm für eine klar definierte Zielgruppe zu machen und diese optimal zu bedienen. Sollte sich hier eine Nische im Markt abzeichnen, nämlich Musik der 50er und 60er, dann wird es sicher nicht lange dauern, bis jemand diese Nische füllt und einen runden Dollar damit verdient.
 
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