Meine Wahrnehmung ist, dass die Entwortung des linearen Radios bereits lange vor den ersten Podcasts begann, welche vor über 20 Jahren erschienen. Die Entwortung nahm doch schon ihren Lauf, als die ersten Privatsender sich nicht mehr an den Öffentlich-rechtlichen, sondern an amerikanischen Sendern orientierten und die ARD-Wellen die Privaten begannen als Konkurrenz ernstzunehmen. Sender wie rias2 brauchten damals nicht mal private Konkurrenz, um sich zu starke Orientierung an amerikanischen Stationen und starke Entwortung durch Formierung vorwerfen zu lassen.
Ich habe sogar eher den Eindruck, dass durch Podcasts die Wortproduktion vieler Sender wieder zugenommen hat. Ein ausführliches Radiofeature profitiert meiner Meinung auch davon, wenn es nicht in ein festes Zeitfenster gequetscht oder eben gestreckt werden muss. Und selbst manche private Sender produzieren jetzt durch Podcasts viel mehr Wort als früher. Das alles ändert allerdings nichts an der jahrzehntelangen Angst der Radiomacher vor Wort als Abschaltfaktor beim linearen Radio.
Aber jetzt können die Radios wieder Wort ohne Ende produzieren ohne befürchten zu müssen, auf ihrem linearen Ausspielweg Hörer zu verlieren. Ich fänds auch schöner, wenn statt ARD Pop, Abend, Hitnacht und etc, gut gemachte Wortstrecken im linearen ARD-Radio laufen würden. Aber selbst als Fan von Wort im Radio und vom Radio an sich, bin ich schon sehr lange nicht mehr bereit, mir weder von Radio- noch vom Fernsehprogramm vorschreiben zu lassen, wann ich ins Bett zu... äh... wann ich meine Sendungen höre.
Das war ein Plädoyer für den Podcast als technischen Ausspielweg, der aus meiner Sicht eine positive Weiterentwicklung des Radios ist. Dass Menschen eine Sendung abonnieren und diese ihnen bei Veröffentlichung auf dem Endgerät quasi hinterherläuft, empfinde ich als einen großen Fortschritt für die Reichweitenschaffung für Wortprogramme. Dass bei den öffentlich-rechtlichen offenbar viele Radiomacher (zum Glück nicht alle) denken, dass Podcast bedeutet, dass selbst bei ernsthaftesten Themen ein inszeniertes Bauerntheater als Gespräch oder ein Monolog in Anmutung einer Kindersendung aufgeführt werden muss, dafür kann der Distributionsweg Podcast nichts. Das ist, fürchte ich, die Beraterhölle, die sich auch in der Podcastwelt breit macht und hier schlägt dann wieder mal die Form den Inhalt.
Kann die ARD durch Podcasts Geld sparen? Vermutlich wirklich dann, wenn sie ihre regionalen Podcastabspielstationen alias Infowellen abschaltet. Ich vermute, sehr viel weniger hören die Podcasts dadurch dann auch nicht.