Vor 20 Jahren: Das Aus für DT64

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Damals haben Radiosender noch die Bevölkerung vereint... mit der heutigen "Vielfalt" (die gar keine mehr ist) wird es eine solche gemeinsame Bewegung nicht mehr geben.
 
20 Jahre? Kinder, wie die Zeit vergeht...
Ich erinnere mich noch sehr gut an den damaligen Umzug von DT 64 auf die Mittelwelle 1044. Dadurch wurde der Sender überhaupt erst hier im Kölner Raum hörbar. Als 1992 die Mittelwellensendungen begannen, feierte man das mit dem Slogan "der Tanz geht weiter". Ich habe damals per Fax einen Brief zu DT 64 übermittelt, in dem es sinngemäß hieß: "Für euch geht der Tanz weiter - für uns beginnt er jetzt erst!" Damals wusste man bei DT 64 tatsächlich nichts von der Reichweitenerhöhung der Mittelwelle bei Dunkelheit. Im Programm wurden Aufrufe gesendet á la "Hörer sucht mittelwellentaugliches Radio". Und nach ein paar Monaten war alles wieder vorbei... Traurige Geschichte. Ich meinte schon damals, man hätte DT 64 als eine Art "Jugend-Wiedervereinigungsradio" bestehen lassen sollen, meinetwegen auf Mittelwelle, das hätte mich nicht gestört.
 
Ja wie die Zeit vergeht. Laut Artikel 36 des Vertrages über den Beitritt der DDR zur BRD war von Politikern bestimmt wurden, dass bis zum 31.12.1991, das Radio und Fernsehen der DDR abzuwickeln ist. Als Abwickler wurde der Bayer Rudolf Mühlfenzl am 15.10.1990 bestimmt. Das DT 64 überhaupt so lange überlebt hat, war an sich den vielen Jugendlichen in der ehemaligen DDR zu verdanken. Die, die mit der Wende im Januar und Februar 1990 gewonnene Freiheit nicht so einfach wieder hergeben wollten. Das am Ende daraus Sputnik aus Halle wurde hat auch darin seine Ursachen. Nur mit dem Unterschied, das die Qualität des Programms von Heute Lichtjahre von dem zu DT 64 Zeiten entfernt ist. Es war halt ein Sterben auf Raten.
 
Zur weiteren Erhellung kann man die Fratzenbuch-Seite über den einstigen Sender bemühen. Da finden sich dann auch diverse Mitschnitt-Schnipsel. Zum Durchstöbern braucht es keinen Facebook-Account.

http://www.facebook.com/dt64.jugendradio



PS: Das Sterben dieses Programms begann bereits zum 01.01. besagten Jahres. Ab punktgenau Null Uhr war Schluß in Mecklenburg-Vorpommern und im Gebiet des ORB (heutiger rbb) teilte man sich die Frequenzen mit dem sogenannten Rockradio B. Man kann es sich schönreden wie man will, die Umbenennung in Sputnik war nur die endgültige Beerdigung eines ohnehin im Sterben liegenden Radiosenders.
 
Perfekt? Man traf den Zeitgeist. Bester? Nunja, das liegt sowieso im geschmacklichen Auge des Betrachters. Ich würde es ummünzen in authentisch, jedenfalls was die Wendejahre angeht.
 
Ich habe Unmengen von DT64-Mitschniten. Das waren grandiose Journalisten, die dort gearbeitet haben, mit einem unglaublichen Einfühlungsvermögen. Authentisch, ja, das trifft es. Und programmlich war es eine Abwechslung, der ich heute noch nachtrauere. Ich brauche mir nur eines der Soundfiles anhören und ich weiss, was ich heute im Radio vermisse: Spitzenmäßige musikjournalistische Sendungen am Abend, die es heute maximal noch bei Byte.FM im Netz oder bei NDR info in der Nacht gibt. Ein herrlich unaufgeregtes und informatives Tagesprogramm ohne Claims, Fakes und Gewinnspiele. Und dabei immer eine kritische Betrachtungsweise. DT64 war mein Begleiter in der Studienzeit, das Radio war auf 102,2 MHz vom Inselsberg eingestellt (okay, ich musste auf 102,15 gehen, als der hr sich auf 102,3 breit machte). Es gab sogar in meiner Studienstadt Marburg einen DT64-Freundeskreis.
 
Grandiose Journalisten? Zunächst handelt es sich bei vielen um Wendehälse, denn wer in der DDR als Journalist arbeiten wollte, musste den stalinistischen Apparat unterstützen. Ohne Parteibuch, Stasi-Mitarbeit, Studium am so genannten Roten Kloster (Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität) etc. ist man nicht zum DDR-Rundfunk gekommen. Das sollte niemand vergessen und niemals unterschlagen werden - auch wenn plötzlich die Pixies auf DT 64 gespielt wurden. Oder AG Geige im Tagesprogramm anstelle von Electra... Aber wurde bis 1989 Musik z. B. von der Leipziger Punkband Wutanfall gespielt? Natürlich nicht!
 
dt64 hat von 1989-1993 hat mehr in meinem leben bewegt als fast 22 jahre mdrlife/mdrjump.

und zum nachfolger mdr sputnik: bis die zone 104.4 kam, war es ganz hörbar. den tiefpunkt erreichte die dt64-nachfolgewelle als "blackhotandsexy"-format. schade, dass sich der mdr auch vom projekt jugendkulturadio verabschiedet hat und mdr sputnik genauso ist wie mdr jump: belanglos.
 
Was wäre denn wohl im Lauf der Jahre aus DT64 geworden, wenn es nicht abgeschaltet worden wäre... Dann doch lieber den Märtyrer-Tod sterben! Vielleicht hinkt ja der Vergleich etwas, aber wenn man sich vergleichsweise anschaut, wie sich z.B. das damals echt gute rias2 zu r.s.2 entwickelt hat.... Brrrr
 
Ich denke auch: DT64 traf damals den Zeitgeist einer Generation...bzw. eines Teiles davon. Heute würde sich auch dieses Programm nicht mehr so anhören. Was der RBB mit Fritz veranstaltet, ist doch immerhin anständig...und trifft auch den Zeitgeist, der sich halt verändert hat.
 
@Public Enemy:

Eine sehr gute Frage. Man kann natürlich nur spekulieren. Doch leider sind in der Vergangenheit so viele Sender abgeschmiert, dass es einen nicht schwerfällt sich vorzustellen, dass es DT 64 ähnlich ergangen wäre.
Richtig erinnern kann ich mich an den Sender nicht, da ich ihnsehr kurze Zeit empfangen konnte. Ich hatte DT 64 '93 auf Astra "hinter" Premiere entdeckt. Kurz darauf hieß das ganze dann mdr Sputnik.
Schade, dass es heute kaum möglich ist ein Programm zu veranstalten, dass jung UND informativ zugleich ist.
 
Ich würde inzwischen auch sagen, dass DT64 ein Produkt seiner Zet war. Das Programm würde so heute nicht mehr funktionieren. Nachdem dann Fritz geboren war, hatte man ja in gewisser Weise versucht an alte DT64-"Traditionen" anzuknüpfen und das Jugendprogramm sehr breit aufgestellt. Von den großen Erfolgen der Fritz-Anfangsjahre ist heute aber auch nicht mehr viel übrig. Hinzu kommt der Umstand, dass DT64 damals in den Wendejahren quasi Narrenfreiheit hatte, was heutzutage kein Sender mehr von sich behaupten kann. Allein der ständige Druck wohl oder übel auf Einschaltquoten schielen zu müssen, zerstört jede Kreativität, siehe sämtliche aktuell existierenden Jugendsender. Erschwerend kommt dazu, dass das Medium Radio vor nunmehr bald 25 Jahren noch einen ganz anderen Stellenwert hatte als heute.

Noch eine Anmerkung zum Einwurf von Funkenstein: DT64 war der erste und übrigens auch einzige DDR-Sender, der seine Chefredaktion selbst abgesetzt hat, noch vor der Maueröffnung. Er war der erste Sender, der offen über Montagsdemos berichtet hat und vieles andere mehr. Wenn sich ein Programm tatsächlich rehabilitiert hatte, dann dieses. Dass das in das Schema mancher Ewiggestriger nicht reinpaßt, weil sie noch immer im Kalten Krieg denken, ist bedauerlich, aber nunmal nicht zu ändern. Und wer jetzt mit dem Namensgeber des Senders kommt: Grabt doch mal im DRA über Beiträge des West-Anstalten zu jenem Deutschlandtreffen 1964. Die könnten manchen erschrecken. Hinzu kommt das DT64 erst ab 1987 ein eigenständiger Sender war. Die Jahre davor nur ein stundenweises Fenster im Programm des Berliner Rundfunks bzw. bei Stimme der DDR. Vergessen manche heute auch ganz gerne.
 
Ich hol den Fred nochmal hoch, weil ich was hübsches entdeckt habe, was hier ganz gut reinpaßt. Der damalige DDR-Rundfunk-Chef Singelnstein (heute Hörfunk- und Fernsehdirektor des rbb) hatte am 07. September 1990 12 der 18 DT64-Frequenzen an Rias1 quasi verschenkt, was jede Menge Proteste der Hörer auslöste und 24 Std. später wieder zurückgenommen wurde. Ein Zusammenschnitt dieser turbulenten 24 Stunden (wechselweise Dt64 und Rias1) findet sich hier, unter anderem auch mit Marion "Wir waren das Volk" Brasch...

http://www9.zippyshare.com/v/19263896/file.html

Näheres dazu findet sich auch hier: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13501992.html
 
Hallo, danke für den Beitrag, könntest du vielleicht von dt64-die ganze Sendung Hit Globus rein stellen, wäre Super von dir. Ein schönes Wochenende wünsche ich euch noch.
 
Schon interessant, was man so alles in West-Zeitungsarchiven über den einstigen DDR-Jugendfunk findet...
Die Zeit vom 21.04.1967 schrieb:
Ähnlich schwierig haben es die Redakteure der Sendung „Jugendstudio DT64“ des Berliner Rundfunks. In dieser hervorragend gemachten Sendung werden an jedem Wochentag von 16.00 Uhr bis 19.30 Uhr Informationen und Politik sehr geschickt in viel Musik verpackt.
Quelle: http://www.zeit.de/1967/16/schwarzgehandelte-swingle-singers/seite-2
 
Weihnachten kommt bestimmt wieder ... *lach*
Hier ein Tipp vom "Niedermayer" aus Österreich! Warum die wohl insolvent gegangen waren? o_O

Die Antwort auf die Schlußfrage ergibt sich von selbst: "Nirgends mehr!" *lach*
 

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