Warum eigentlich MDR und nicht ODR?

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Darf ich mal ne ganz blöde Frage stellen ? Die Frage hat sich mir ganz spontan aufgetan, da ich hier im Forum gelesen habe, das der MDR verschiedene Sender wegen des Hochwassers abschalten möchte oder vorrübergehend abgeschaltet hat.

Wie kam es eigentlich zu dem Namen Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) ? Eigentlich sendet der MDR doch in den Ostdeutschen Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. OK, nun gut, für Thüringen ist der Name MDR ja auch noch in Ordnung, allerdings könnte man bei dem Namen, dann auch schon fast ein Senderecht für Hessen erteilen, wo ja der Hessische Rundfunk (HR) regiert !

Da es ja einen Norddeutschen Rundfunk (NDR), einen Westdeutschen Rundfunk (WDR), einen Südwestrundfunk (SWR) gibt - und sogar mal einen Süddeutschen Rundfunk (SDR) gab - wäre doch der Name Ostdeutscher Rundfunk (ODR) viel passender gewesen.

Eben habe ich sogar noch bei der MDR Radiowelle "Jump" im Verkehrsfunk gehört: "Und nun der zuverlässigste Verkehrsservice im Osten". Im MDR Fernsehprogramm gibt es sogar eine Sendung die nennt sich "Sport im Osten", vermutlich entstand der Name in Anlehnung an den WDR, der ja auch eine Fernsehsendung "Sport im Westen" hat.

Warum also heißt der MDR nicht ODR ? Ostdeutscher Rundfunk wäre da doch von der geographischen Lage (mit Ausnahme von Thüringen) viel zutreffender, als Mitteldeutscher Rundfunk.

Es mag vielleicht historische Gründe haben ? Ich habe mal gehört, das es einen Mitteldeutschen Rundfunk schon vor dem Krieg gab ? - Aber jedem sollte in der heutigen Zeit klar sein, das Sachsen und Sachsen-Anhalt seit Jahrzehnten nicht mehr Mitteldeutschland, sondern Ostdeutschland sind.
 
Es ist ein Name der aus der Historie herrührt. In den 20 er Jahren als der Rundfunk in Deutschland aufkam war das östlichste Land Ostpreusen dann gab es im Osten auch noch Pommern und Schlesien. In Berlin sendete als erstes die Funk - Stunde AG und dann kam Leipzig dazu der unter Mitteldeutsche Rundfunk AG (MIRAG) firmierte. Daraus wurde nach dem 2.Weltkrieg der Mitteldeutsche Rundfunk und ging in den 50 er Jahren als Sender Leipzig im Staatlichen Komitee für Rundfunk in der DDR auf. Als 1991 die Landesrundfunk Anstalten auch im Osten eingeführt wurde der Name wieder aufgegriffen. Die Dreiländeranstalt deck vom Sendegebiet das alte Fläche MIRAG ab.
 
Während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik war die Bezeichnung Mitteldeutschland für die Region nicht unüblich. Am MIRAG kann man das ja schön sehen. Sachsen-Anhalt und Thüringen haben ja bis heute keine Auslandsgrenze, aber Sachsen liegt nicht nur heute, sondern schon seit den Grenzen von 1937 oder 1871 an der deutschen Außengrenze. Da "Mitteldeutschland" drin zu sehen, hatte damals auch etwas von der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes gegenüber den Tschechen und großdeutschem Denken ("Von der Maas bis an die Memel, Von der Etsch bis an den Belt"...).

In der alten Bundesrepublik wurde immer das Mantra der Wiedervereinigung von West-, Mittel- und Ostdeutschland heruntergebetet. Westdeutschland bezeichnete dabei die alten Bundesländer, Mitteldeutschland die DDR (also auch MeckPomm, worin vor 1945 niemand Mitteldeutschland gesehen hätte) und Ostdeutschland die 1937er-Gebiete im heutigen Polen sowie das Kaliningrader Gebiet. In den frühen Ausgaben der Tagesschau und von ZDF-Heute wurden auf den Karten auch immer die 1937er-Grenzen eingezeichnet. Das hat man dort dann später gelassen, nur die Rundschau des Bayerischen Rundfunks verwendete die 1937er-Grenzen auf ihren Karten bis zum Schluss. Die Wetterkarten von ARD und ZDF orientierten sich am tatsächlichen deutschen Siedlungsraum und gaben daher das Wetter für BRD & DDR, ohne 1937 an, und nahmen damit quasi die Wiedervereinigung vorweg.

Nach der Wende gab es in der CDU nicht wenige, die den Eintritt des DDR-Gebiets in die Bundesrepublik nur für einen ersten Schritt erachteten, insbesondere im Umfeld des BdV (Frau Steinbach ist ja schon angesprochen worden). Da der MDR eine waschechte CDU-Gründung ist, dürfte da auch eine Rolle gespielt haben, mit der Benennung des Rundfunks gebietsrechtliche Ansprüche zumindest implizit aufrechtzuerhalten, so dass heute im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck das "Wetter für Mitteldeutschland" maßgeblich ist.
 
Jetzt mal ganz ideologiefrei: wenn man sich das Ganze mal nicht von West nach Ost, sondern von Nord nach Süd betrachtet, dann käme das mit der Mitte ja sogar hin. Himmelsrichtungen haben es ja eh nicht immer gebracht im deutschen Radio. Seinerzeit wurde Köln vom Südwesten 'kolonialisiert'. Oder liegt Göttingen noch in Norddeutschland?
 
Mandela hat immer noch kein Einsehen mit den Kaltschreibern. Und Maurice Sendak wäre heute 85 Jahre alt geworden.
 
Aber mal wieder zurück zum MDR oder besser Sender Leipzig von Radio DDR. So hatte Leipzig im Vergleich zu den anderen Regionalsendern doch eine gewisse Bedeutung für die Vorproduktion von Radiosendungen. Hier war zum Beispiel das älteste deutsche Radiosinfonieorchester, ein Tanz - und Unterhaltungsorchester unter anderem von Kurt Henkels und Walter Eichenberg geleitet, das einzige Radio Blasorchester heute Sächsische Bläserphilharmonie und der Rundfunk Jugend - und Kinder Chor beheimatet. Ein nicht unerheblicher Teil der Hörspiele des DDR Rundfunks kamen aus der Springerstraße. Zur Messezeit wurde mit der Messewelle ein flottes Tagesprogramm auf den Sender gebracht.
 
MIRAG_Logo1924.gif


Interessanter Untertitel...
 
Ich möchte an dieser Stelle einmal "Danke" für die zahlreichen Antworten sagen. Da waren teilweise wirklich sehr informative Antworten und auch sehr interessante lesenswerte Links dabei :)
 
Also mir hat man das damals so erklärt dass es auch die damalige politische Lage war die zu den Namensbezeichnungen geführt hat. Während sich das "rote" Brandenburg mit der Bezeichnung Ostdeutschland anfreunden konnte und somit den ORB gründete, sahen die eher konservativ geprägten Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thrüringen Ostdeutschland immer noch jenseits von Oder und Neiße. Wobei in Thüringen ja tatsächlich auch die Mitte Deutschlands liegt.
 
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