Grenzwelle: Im Gegensatz zum privaten Hörfunk hat sich das private Fernsehen qualitativ nach vorne entwickelt, obwohl sich die Konkurrenzsituation durch mehr Kanäle noch stärker verschärft hat als beim Radio. Vielleicht hat jemand Ideen für die Gründe?
Hallo Grenzwelle,
das läßt sich leicht beantworten. Private TV-Sender haben in den 80ern und 90ern einen Riesenberg Anlaufverluste vor sich hergeschoben und zunächst wegen geringen Reichweiten kaum Werbegelder eingenommen. Die Konsequenz: man steckte wenig Geld in teure Formate, sondern spielte minimalistische Mitmachspiele (RTL-Spiel, Bulldozerspiel, Salvatore...) billige B-Movies und Endloswiederholungen günstiger US-Serien wie Reich&Schön, Knight Rider usw. Der frühere RTL-Chef Helmut Thoma sagte zur Qualität in den ersten Sendejahren etwas wie "Hauptsache bunte Bilder" und mit steigenden Einnahmen steigerte er die Ausgaben für Qualitätsprogramm.
Beim Radio war es umgekehrt. Da die öffentlich-rechtlichen noch nicht zielgruppenspezifisch durchformatierten und es zunächst nur wenige private mit guter Frequenzabdeckung gab, stiegen die Reichweiten extrem schnell. Mit der Reichweite kamen sehr schnell unfassbare Renditen. Zeitungsverleger entdeckten das Radio als Gelddruckmaschine. Da Macher wie Hörer allerdings von Jahrzehnten ö.-r.-Radiomachart geprägt waren, orientierten sich die Programme und internen Strukturen zunächst noch sehr an den klassischen Servicewellen. Und weil man trotz großer Redaktionen nur die Tür aufzumachen brauchte, damit Geld reinfliegt, dachte niemand drüber nach, was man wirklich mininal ausgeben muss, um maximalen wirtschaftlichen Erfolg zu haben.
Mittlerweile gibt es viel mehr Sender und viele erfolgsverwöhnte Radiogesellschafter, die auch in schlechten Zeiten noch Kohle sehen wollen. Und das geht, wie die Downsizing-Geschäftsführer aktuell vormachen. Weg mit den Regionalstudios, weg mit den festangestellten Redakteuren und siehe da: weniger Einnahme aber durch Kostenreduktion trotzdem mehr Gewinn. Ergo: Rationalisierung im Kapitalismus mit allen positiven und negativen Folgen.
Und da die Medienwirtschaft dabei ist die Medienpolitiker und Landesmedienanstalten auf kleiner Flamme weichzukochen oder auszuschalten (Servus nach Hamburg!) ändern sich die Rahmenbedingungen und machen es noch leichter Kosten zu sparen.
Würden die ö.-r. Anstalten deutschlandweit dem nicht nacheifern, sondern (jetzt erst recht) grundversorgende Alternativ-Angebote produzieren, wäre die Welt noch in Ordnung. Aber der Wunsch nach Reichweitenmacht bei den Hörfunkdirektoren bringt das duale System in Schieflage, denkt sich die Jasemine.