Eine ganz normale Fahrt zur Arbeit
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin keiner jener Radiomacher, der ständig besserwisserisch alle belehrt wie wichtig es ist, das zielgruppen-exakte Format zu haben. Auch lässt es mich reichlich kalt, ob ein Moderator die Technik im Studio beherrscht und ebenso gleichgültig verhalte ich mich gegenüber Appellen in diesem Forum, die zu mehr Mischmasch aufrufen.
Ich gebe zu: Vom Radiomachen verstehe ich im Prinzip gar nichts. Muss ich auch nicht. Denn, liebe Forum-Besucher, ich bin ein ganz normaler Radiohörer. Na ja, normal insofern, als dass ich Radiohören über alles liebe. Ich höre praktisch alles. Schlager- und Oldiesender, Teeniewellen, das Beste aus soundsovielen Jahrzehnten, Wortsender, News-Station und so weiter.
So gesehen, werdet ihr, liebe Radiomacher, mich als nicht ganz normalen Hörer einstufen, denn ich lasse mich schlichtweg nicht formatieren. Besonders unformatier- und unsegmentierbar werde ich beim Autofahren. Denn da entscheiden Tageslaune und der jeweils aktuelle Musik- oder Wortbeitrag über den weiteren Verbleib bei der eingeschalteten Station.
Es war mal wieder ein typischer Donnerstag Morgen. Ich steige in den Wagen, um zur Arbeit zu gelangen. Von meinem Wohnort etwas außerhalb Nürnbergs zum Büro im Herzen der Frankenmetropole.
Mein Alter (Mitte 30) bringt es mit sich, dass ich eine ewige Treue zu Bayern3 empfinde. Man ist ja schließlich mit diesem Sender in den Zeiten der öffentlich-rechtlichen Monopolwüste bis in die 80er hinein damit groß geworden.
Dieser Morgen fängt ja gut an, denke ich. Werde ich doch mit dem neuesten Schabernack des Wortverdrehers Karl Auer (Rotthalmünster) begrüßt. Auch wenn seine Telefonate mal besserer und mal schlechter Natur sind, es reicht immer wieder dazu, mich aufzuheitern. Diesmal veräppelt er eine Pfarramtsangestellte, weil er den Turm zum Springen im Freibad benötigt. Ich denke noch bei mir so was wie "danke, Karli" und schon werde ich von einer Hammer-Nummer, nämlich "Little Britain" von "Drad Zone", in wahre Morgen-Euphorien versetzt. Der Titel läuft nirgendwo sonst, aber er ist es wert, dass man diesen Morgen Bayern3 laufen hat. Als ich stimmungsmäßig kurz vor dem Zenit befinde, wurde ich jäh auf den Boden geklatscht. Als ich die Stimme von Roman Roell vernehme. Zum wiederholten Mal preist er dieses unsägliche Ritterturnier an – er tut dies wohl nur, weil darin mitwirkt. Anpreisen , das heißt bei Roman Roell, dass seine Stimme sich nie in die Höhe oder Tiefe verlagert. Sie bleibt monoton in der ihm angeborenen Brummbär-Stärke. Die einzigen Variationen sind seine zahllosen "ähs", die er unselektiert vor, hinter und in die Worte hinein platziert. Bin ich der einzige in Bayern, der Roman Roell als langweilig empfindet? Bin ich der einzige, der gequält gähnt, wenn er verkrampft versucht, irgendwelche Pointen zu setzen? Pointen, die nie diesen Namen verdient haben? Während ich anfange mich zu ärgern und mir sehnlichst Markus Othmer herbei wünsche, zappe ich eine Station weiter.
Ich gelange zu N1. Gerald Kappler liest gerade das Wetter. Er benützt mindestens genauso viele "ähs" wie Roell. Nur macht er das mit dieser offen gelegten Hilflosigkeit, dass ich ihn dafür liebe. Kappler weiß um seine Schwäche und nützt sie schamlos aus, Roell weiß auch darum und versucht sie erfolglos zu verbergen, denke ich mir. Der Wagner-Schorsch haut noch ein paar derbe Bajuwarismen drauf und meine Laune begibt sich wieder in den Aufwärtstrend. Als dann "Natural" ihren Song anstimmen, schalte ich weiter. Dafür bin ich dann doch wohl zu alt....
Radio F – der Schlager- und Oldiesender fängt mich ein. Kein Wunder, wer mit "Walking back to happiness" bei mir anklopft, dem kann ich keinen Korb geben. Ist eben einer meiner Lieblings-Gutelaune-Oldies. Die Drei von Funkstelle setzen ihre Mod mit einem Palaver zu Uschi Glasens Ehekrise fort. Zugegeben, auf Schlagersender klingen die Moderatoren immer so betont nett. Aber die drei Funker haben's drauf. Sie klingen irgendwie professionell und trotzdem heimatlich-fränkisch. Für die Hörerschaft von Radio F ideal ....
Ich gerate in einen Stau. Und habe Zeit mich stärker aufs Hören zu konzentrieren. Das Auto steht, also kann stattdessen der Geist anfangen, sich stärker zu bewegen. Radio F ist jetzt nicht der passende Sender zu dieser neuen Situation. Zumal irgendeine Nadine Dingsbums von ihren Problemen mit einem Typen durch den Äther schlagert.
Wort ist also gefragt und so lande ich auf Bayern2. Die Welt am Morgen mit Jörg Paas (schreibt man den so?) versorgt mich kompetent mit News und vor allem mit Hintergründen. Ein Korrespondenten-Bericht aus Paris macht mich darauf aufmerksam, dass der BR einen Personalwechsel im französischen Hauptstadtstudio getätigt haben muss. Die Stimme gehört nicht dem von mir so geschätzten Max Stocker, sondern jemand anderem, dessen Namen ich mir erst noch einprägen muss. Nun ja, gut sind sie eigentlich alle, die ARD-Leute. Besonders die Ausland-Korrepsondenten.
Kann man von den Privaten so ja nicht sagen. Irgendwann entscheide ich mich dann doch wieder für etwas mehr Musik und so lande ich beim größten unter den Privaten: der Antenne. Leikermoser kalauert in der für ihn so typischen Art. Man muss ihn mögen, den Leiki und ich mag ihn eigentlich nicht – stilistisch gesehen. Trotzdem muss ich ihm zugestehen: Er kann es und er arbeitet absolut profihaft. Die Musikauswahl auf "ABY" schmeckt mir heute aber nicht so und so wandere ich weiter durch die Radio-Landschaft. Insgeheim hatte ich ohnehin auf einen Glückstreffer gehofft und die neueste Ausgabe der "Witwen", einer irre guten Comedy zu erwischen. War aber nix. Also weiter.
Energy. Okay, für die bin ich wirklich zu alt. Aber Sasha's WM-Song versetzt mich in melancholiegeschwängerte Erinnerungen an Fußball-Abende während des World Cup. Ich suche das Weite als dieser unsägliche Manuel Brandt die Stimme erhebt. Irgendeine 190er solle man wählen und dann der obligatorische Satz. "Es gibt jede Menge Blitzer in Franken. Welche, das erfährst du gleich nach der Werbung." Ich befürchte, der gute Manuel hat alle seine Mods auswendig gelernt. Ist ja auch kein Kunststück. Fünf Sätze kann sich noch jeder einprägen und außerdem wiederholt er sie ja täglich zwanzig Mal. Immerhin schafft er sie ohne einziges "Äh". Vielleicht sollte Roell seine Mods auch .... – lassen wir das.
Werbung auf Energy halte ich zwar für besser als jede Moderation, aber das muss nun wirklich nicht sein. Ich verzichte auf das Blitzer-Update und suche das Weite.
Und schon bin ich bei der "MorgenCrew" auf Gong. Dieser Jan oder wie er heißt präsentiert seine Mods so schmissig-frisch, dass es eine Freude ist. Nicht jeder Joke gelingt, aber wir wollen mal nicht zu anspruchsvoll sein. Das Auto hat sich längst in wieder in Bewegung gesetzt, dafür hat es begonnen zu regnen und Anastacia singt von ihren bezahlten Schulden.
Kurz vor der Stunde zappe ich mich bei B5 aktuell ein – ein paar Sport-News holen. Die Nachrichten nehme ich auch noch auf B5 mit, da werde ich wenigstens voll informiert. Obwohl, ich erfahre nichts wirklich Neues: Ich hatte ja schon Kontakt mit den Kollegen von Bayern2.
Bleiben wir in der Sender-Familie. Auf Bayern1 höre ich noch die letzten Sätze des ewig freundlichen Uwe Erdelt (oder war es doch Tilman Schöberl) und dann vertreibt mich wie schon bei Radio F so ein Neuzeit-Schlager von ... habe ich vergessen! Erdelt und Schöberl – ihre Moderation ist eigentlich nicht so mein Fall. Ich kann hier mal ausnahmsweise sagen: "Dafür bin ich wohl noch zu jung.". Dennoch verstehe ich, warum Bayern1 so gut ankommt. Hier stimmen Angebot und Nachfrage absolut über ein. Profis halt.
Kurz vorm Einparken schnappe ich dann noch ein wenig Charivari auf. Ich erfahre nicht, wer moderiert – sind Annick und Fabian immer noch das Morgenduo? – denn meine Fahrt beschließt der Kultsong der Stunde. Eine geile Idee, dieser Kultsong. Heute ist es John Lennon vorbehalten, der mich mit "Imagine" versöhnlich ins Büro geleitet.
Eigentlich war der Stau ganz gut, denke ich. Sonst hätte ich dieses Lied heute nicht gehört. Gut gelaunt rufe ich meinen Kollegen ein schmetterndes "Guten Morgen, ihr alle" zu und summe "Imagine" vor mich hin. Im Laufe des Tages wird Sasha dann die Ohrwurm-Rolle übernehmen.
Ach ja: Wer macht jetzt eigentlich die beste Morgen-Show? Woher soll ich das wissen. Ich weiß nur, dass ich diese Vielfalt liebe. Und während ich diese Zeilen schreibe, freue ich mich auf die Nachhause-Fahrt und beschließe, mal bei SWR3 vorbei zu zappen.