Wie spricht man die Hörer am besten an?

TORZ.

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Hallo zusammen,
Ich bin gerade von zweieinhalb Wochen Radio zurück. Bei der Hörfunkschule in Frankfurt durfte ich mich vornehmlich in der Redaktion, manchmal aber auch als Moderator versuchen. Diese Zeit war aus vielerlei Gründen sehr interessant und lehrreich für mich, es sind bei mir aber auch neue Fragen entstanden.
Die größte davon ist die nach der Ansprache des Hörers. Wir haben ein junges Format gesendet, das passt ja auch gut, wenn alle Moderatoren unter 30 sind. Daher war es für mich selbstverständlich, die Hörer zu duzen. Ich moderiere also und spreche die Hörer an: "Schön, dass Ihr uns heute zuhört ...". Als die Musik angelaufen und das Mikrofon zu ist, spricht mich mein Comoderator an und sagt zu mir: "Du kannst ruhig duzen". Ich bin verwirrt. "Hab ich gerade etwa gesiezt?" "Nein, aber wir sagen hier "Du" und nicht "Ihr"." Das wirkt auf mich aus mehrerlei Gründen seltsam, beziehungsweise sogar richtig unpraktisch.
1. Ich persönlich finde, dass es doch ein ganz wichtiger Punkt ist, den Radio im Gegensatz zu Spotify und co hat, dass man als Hörer Teil einer mehr oder weniger großen Gemeinschaft ist, in der alle gerade dasselbe hören. Das ist für mich einer der Aspekte, der diese Magie des Radios auf Hörerseite ausmacht. Ich erinnere mich da noch gut an den Lockdown, in dem ich extrem einsam war. Wenn ich dann das Radio einschaltete, war dieser Gedanke, dass ich mir dieses Hörerlebnis jetzt in diesem Moment mit irgendjemandem teile, immer sehr tröstlich für mich.
2. Richtig blöd wird das Ganze dann, wenn es Doppelmoderation gibt. Ich habe das dann während genau derselben Sendung auch bemerkt, weil ich manchmal nicht ganz wusste, ob das "Du" meines Kollegen jetzt mir oder den Hörern da draußen gilt. Die Folge waren teilweise Missverständnisse, die so wohl nicht passiert wären, wäre ich mit "Du" und die Hörer mit "Ihr" angeredet worden.
Ich sprach diese Thematik dann mal bei einer Redaktionskonferenz an. Der Leiter des Projekts meinte daraufhin, dass das nunmal so zu sein habe, weil die direkte Anrede verkaufsfördernder wirke und wir den Hörern ja auch gewissermaßen etwas verkaufen wollten. Dieses Argument lasse ich mir bei Werbung ja noch eingehen, aber diese wird ja inzwischen tatsächlich auch immer mehr personalisiert, also nicht speziell beim Radio, sondern auf Werbung im Allgemeinen bezogen.
Witzig war übrigens, dass ich irgendwann im Verlauf der letzten Wochen dann nochmal mit einigen Kollegen auf das Thema zu sprechen kam, ohne dass der Leiter anwesend gewesen wäre. Fazit: Eigentlich fanden alle, mit denen ich darüber sprach, das Duzen im Plural wohl auch schöner und sinnvoller. Sie duzten aber trotzdem im Singular, eben weil das so vorgeschrieben wurde.
Jetzt meine Frage: Wie steht Ihr zu dieser Thematik? Was ist bei einer Radiosendung (nicht bei der Werbung) wichtiger? Das Gemeinschaftsgefühl oder die (pseudo)individuelle Ansprache des einzelnen Hörers?
Und wie sehen das (interessierte, bewusste, aufmerksame ...) Hörer, von denen es hier ja auch viele gibt? Wie werdet Ihr lieber angesprochen?
Ich kenne auch deutlich weniger Sender, die im Singular duzen als solche, die es im Plural tun. Aber gut, die Hörfunkschule steht FFH verhältnismäßig nahe und deren Jugendprogramm Planet Radio duzt ja auch in der Einzahl. Vielleicht hat sich der Leiter auch daran orientiert.
 
Zu diesem Thema gibt es tausende von Threads......da kannste wunderbar heraus lesen, was für IHR bzw. DU spricht. Ich wünsche dir viel Spass beim lesen.

Schöner hin oder her.....Ich höre Radio für mich und nicht gleichzeitig für andere. Daher finde ich das "DU" als One-to-One Medium korrekt. Und wenn es dir zu persönlich wird? Nun, dann bleib halt beim "SIE". "Ihr"-Ansprachen kann gerne der Gruppenleiter in einer Kita verwenden. Vor eine Horde Kinder.....
 
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Ich würde es nach heutiger Zeit so gliedern. Diese Art und Weise istin Deutschland mittlerweile immer mehr zu beobachten:

Du: ganz junge CHR Formate
Ihr: HOT AC und AC Programme für Erwachsene mittleren Alters
Sie: Informations- und Kulturprogramme sowie Oldiesender für Menschen hohen Alters.
 
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Vielleicht ist das "Du" einer inzwischen hyperindividualisisierten Tik-Tok-Generation geschuldet. Wenn Selbstdarstellung die höchste Maxime ist, fühlt sich das Ego durch ein "Ihr" womöglich gekränkt.
Freilich ist es völlig absurd, eine persönliche Ansprache zu erwarten, von einem Radiosender, der sich an ein breites Publikum richtet.
Verlogener Bullshit. Kein Radiosender der Welt macht nur für eine einzige Person Programm.

Warum irgendein Hörer es gut finden sollte, sich so durchschaubar anlügen zu lassen ist mir ein Rätsel, aber nun, mich überkommt ja schon der Ekel, wenn irgendwelche Programmmacher meinen, mir irgendetwas 'verkaufen' zu müssen.
Aufdringliche Verkäufer lösen bei mir in jedem Geschäft einen natürlichen Fluchtreflex aus. Für Radio ist das nicht anders.
 
Als Hörer finde ich die Ansprache mit "Du" auch eher befremdlich, da gehen sofort die Warnlampen an: da will jemand was von mir.
Als Teil einer Gruppe von Hörern meines bevorzugten Senders, die tatsächlich auch untereinander und mit dem Sender kommuniziert, möchte ich dann lieber mit "Ihr" angesprochen werden. Wenn on air tatsächlich an mich adressiert wird (was durchaus ab und an mal vorkommt), ist das "Du" natürlich die richtige Anrede, da alle anderen Hörer in dem Augenblick nicht gemeint sind.
 
Klar, wenn man einen Hörer explizit anspricht, weil der sich zum Beispiel was wünscht, am Telefon zugeschaltet ist oder sich sonst irgendwie am Programm beteiligt, ist es ohne Frage sinnvoll, den direkt anzusprächen, alles andere wäre Käse. Außer natürlich, es handelt sich um einen eher seriösen als unterhaltenden Rahmen, dann sollte man freilich auf "Sie" wechseln und da macht es dann ja keinen Unterschied mehr, ob Singular oder Plural.
 
Bei mir gehen bis auf DLF 1+2 die Warnlampenan an, wenn ein Sender altbacken siezt wie 1964. Mit "Sie" spricht man in Unterhaltungswellen nur Senioren als Publikum an.
Einfach mal im normalen Leben außerhalb Radio nachhören wie Du und Sie verwendet werden....
 
Einfach mal im normalen Leben außerhalb Radio nachhören wie Du und Sie verwendet werden....
Im normalen Leben hat mir und den anderen 500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Personalabteilung letzte Woche per Rundmail das "Du" angeboten... Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Auf der Straße duze ich eigentlich so gut wie jeden meiner Altersklasse, auch mir bis dahin Fremde. Nur Leute, die mir unsympathisch erscheinen, bekommen ein "Sie" vor den Latz geknallt.
 
Ja, wenn wir einen bestimmten User direkt ansprechen, wie ich vorhin die Stabsstelle, duze ich in der Einzahl. Wenn ich aber in die Runde hineinschreibe, wie im Eingangsposting, dann nutze ich die Mehrzahl und das, obwohl doch wohl kaum davon ausgegangen werden kann, dass sich irgendwo mehrere Foristen um einen einzigen Bildschirm versammelt haben.
 
Und mit der Du-Ansprache spricht man jeden einzelnen Hörer an und keine Gruppe, die alle gemeinsam vor dem Kantinen-Radio lauschen. Verstehen Sie?
 
Ich verbinde mit Sendern, die „duzen“ (schreckliches Wort btw.) elendiges Rangeschleime an den Hörer und infantile Inhalte. Geht bei Kinderradio Knirpsenstadt, ich distanziere mich davon in Form der Wahl eines anderen Senders.
Das Elend gibt es z.B. auch bei Sky. Man rühmt sich hochwertiger Inhalte und schreit in jedem Programmtrailer kleine Kinder an. Das passt nicht.
 
Die Ansprache per einzähligem Du lasse ich mir in Claims und Promos z.B. durch die Station Voice noch eingehen und kommt selbst bei Sendern vor, die sich ansonsten streng ans Sie halten (z.B. U1 Tirol, hier gleich zu Videobeginn).

In der Moderation muss aber immer von einer nicht konkret definierbaren Masse an Zuhörern ausgegangen werden, da macht eine Singularform schon aus Gründen der Grammatik keinen Sinn.
 
Ich habe mal von jemandem gehört, dass sogar an Universitäten manche Dozenten vor der gesamten Gruppe im Singular duzen. Man soll sich wohl als einzelne Person angesprochen fühlen. Auch sämtliche Influencer machen das inzwischen auf all ihren Kanälen. Hat sich also auch abseits des Radios schon etwas etabliert.
 
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