Wortfeindliches deutsches Privatradio

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Tom2000

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Die Masche, wenig Wort und viel Musik, scheint bei der Mehrheit der deutschen Privatradios angewendet zu werden.

Fitzelbeiträge, wenn überhaupft noch Beiträge gesendet werden.
Hörerspiele, die dem Hörer oft nicht viel mehr abverlangen, als bei einem bestimmten Song / einer bestimmten Titelabfolge anzurufen. Im daran anschliessenden "Gespräch" im Programm erfährt man über den Anrufer wenig bis gar nichts.

Mein Eindruck ist, es geht nur nach der Devise, Wort kostet, also weg damit. Selbst DJs sind ja wohl billiger, wenn sie rein standardisiert moderieren.

In den USA, wo diese Masche einst herkam, war es NIE so, dass tendenziell alle Stationen eines Marktes sich ihr verschreiben. Da gibt es reine Wortsender, Musiksender mit wortreichen Morning-Shows und Musiksender, die in der morgendlichen Drive Time zu 100% auf Wort setzen.
Es gab also nur einzelne Programme in einem Markt, die auf "Less Talk" setzen.

Warum ist das hier in Deutschland die Regel? Ist es, wie vor mir vermutet, das Geld?
 
@Tom: Der Argumentationsweg ist zwar etwas länger und differenzierter, aber im Ergebnis folgt auch dann ein JA. Und schon ist der Thread durch. :D db
 
''Und schon ist der Thread durch.''
Sehe ich anders.

Man könnte nun fragen, warum die US-Radiostationen mehr Geld in ihre Programme stecken als die Deutschen.
 
Weil der größte Teil der Amerikaner (entgegen ihrer angeblichen scheinbaren Mentalität) mehr Wert auf Inhalt im Radio legen ?

Im Gegensatz dazu werden ja Leute, welche mehr Inhalt in den Radioprogrammen hier haben wollen permanent als "Minderheit" belächelt (mitunter leider auch hier in diesem Board).
 
Die Problematik ist aus meiner Sicht sehr, sehr vielschichtig. Nicht zuletzt spielt mit, daß Privatfunk an sich bei uns noch eine sehr "junge" Angelegenheit ist.

Die Deutschen erwarten von den ÖR Sendern, daß sie informiert werden. Bei den Privaten soll hingegen das ganze Jahr über Karneval sein.

Gerade, was Lokalstationen angeht, ist die Begeisterung bei den Hörern über "ihr" Radio noch groß. Aber inhaltlich ist ihnen weitgehend egal, was da läuft, Hauptsache, die Station kommt aus der Nähe und verrät morgens, wo die Blitzer stehen. Dabei würde sich eigentlich gerade hier anbieten, daß Talk-Shows und Diskussionsrunden (live vor Ort) ihren festen Platz im Sendeschema bekommen.

Und letzten Endes kriegen die jeweiligen Chefredakteure bzw. Verleger / Anbietergemeinschaften doch schon Bauchschmerzen, wenn sie an die Folgen eines größeren Wortanteils denken: Sie brauchen einen Hausjuristen, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß irgendein Hansel nach einer für ihn ungünstig gelaufenen Aussage im Radio einen Anwalt in Marsch setzt.

Da ist es dann eben einfacher, ein paar CDs aufzulegen, Hörer morgens aus dem Bett zu klingeln und zu sagen, daß in der Hamburger Straße aus einem grünen VW-Kombi heraus geblitzt wird.
 
... und unterm Strich sind wir also wieder bei der GELD-Frage. Man mag das differenzieren und die vielen Schichten auseinanderklamüsern bis zum Geht-nicht-mehr, am Ende wird es heißen: Das rechnet sich nicht. Ob es an teuren Anwälten, teuren Redakteuren, teurer Technik oder insgesamt zu hohen Personalkosten liegt, ist letztlich zweitrangig, denn am Ergebnis ändert es derzeit nichts. Kein Geld, kein Wort. db
 
...wobei sich dann natürlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt.

Mir ist es beispielsweise schleierhaft, warum eine Stadt
< 100.000 Einwohner einen eigenen Radiosender benötigt oder sich jemand bereit findet, dessen Betrieb zu finanzieren.

Radiomachen erscheint offenbar vielerorts noch etwas, was im Bereich der eigenen Möglichkeiten zu sein scheint (der größte Irrtum). An die Produktion von Fernsehen hingegen trauen sich Verleger eher nicht heran (da haben sie zuviel Respekt), aber die Produktion eines Radioprogrammes halten sie für eine Aufgabe, die man stemmen kann.

Wer ein Radioprogramm als Abspielmöglichkeit für Musik verwechselt, muß sich auch nicht wundern, wenn dasselbe Radioprogramm früher oder später durch eine MP3-Playlist im heimischen PC ersetzt wird.
 
Wenn man sich die deutschen Radio-und TV-Programme anhört und anschaut und dabei gleichzeitig die sinkenden Leser/Verlaufszahlen von tageszeitungen vor allem bei der jüngeren Bevölkerung vor Augen hält, kann man da schon den einen oder anderen Rückschluss zur PISA-Studie ziehen...
 
Vielen Danke an alle Antwortenden, insbesondere BlueScorpio1963.

Grenzwelle schrieb:
"Man könnte nun fragen, warum die US-Radiostationen mehr Geld in ihre Programme stecken als die Deutschen"

Warum nun tun die Amis das?
Wieso scheinen sie den juristischen Rattenschwanz, wie von BlueScorpio1963 beschrieben, nicht so zu fürchten?
 
Tom 2000 schrieb
Grenzwelle schrieb:
"Man könnte nun fragen, warum die US-Radiostationen mehr Geld in ihre Programme stecken als die Deutschen"

Warum nun tun die Amis das?

Hm. Sind nicht viele der US-Wortprogramme religioese Sendungen mit teilweise fundamentalistischen Tendenzen? Die haben natuerlich echtes Sendungsbewusstsein.

Beliebt sind auch Polit-Krawallshows, wie etwa die von Bushs Lautsprecher Rush Limbaugh (in Aachen auf AFN-Shape um 18 h zu hoeren).
 
Die USA sind auf dem flachen Land eben sehr religiös. Das muss einem nicht gefallen, aber wenn sich diese Religiosität im Radio widerspiegelt, ist das ein Zeichen gelebter Mediendemokratie.

Polit-Krawallshows haben wir in Deutschland auch, sogar gebührenfinanzierte. Sowohl Christiansen als auch - mit anderer Tönung - Friedmann sind für mich nichts anderes. Von mir aus könnte die ARD das auch im Radio veranstalten, es würde mich genausoviel oder wenig interessieren.
 
Wieso ist das ein Zeichen gelebter Mediendemokratie, wenn sich in einem Massenmedium die schärfsten Feinde von Freiheit und Demokratie -- nämlich die religiösen Fundamentalisten -- sich austoben dürfen?

Insofern wäre ja auch Italien ein medienpolitisch vorbildliches Land, weil hier der Ministerpräsident auch gleich alle sechs maßgeblichen TV-Kanäle kontrolliert nebst großen Teilen der Presse.

Da aber die Berlusconi-Koalition in Italien bei den letzten Wahlen eine Mehrheit erreicht hat, muss man also schließen dass diese Situation den politischen Willen der Italiener widerspiegelt.

In Deutschland schauen ja auch Millionen von Menschen irgendwelche Container-, Casting- und Dschungelshows, obwohl diese nichts im TV verloren haben, weil sie die gesellschaftliche Entwicklung behindern und sogar verderben. Doch auch hier gilt wohl der Grundsatz: "Gelebte Mediendemokrartie -- Abstimmung per Fernbedienung!".

Das Versagen von Verantwortlichen als Demokratie zu bezeichnen, halte ich für eine Verhöhnung derselben.
 
Polit-Krawallshows haben wir in Deutschland auch, sogar gebührenfinanzierte. Sowohl Christiansen als auch - mit anderer Tönung - Friedmann sind für mich nichts anderes.
Also zwischen Christiansen und Friedmann besteht für mich schon ein Unterschied ! Während die eine zumindest versucht seriösen Journalismus zu betreiben waren die Friedman-Sendungen meistens nur Heuchelei der übelsten Sorte... ! Andersrum betrachtet haben beide das CDU-Parteibuch, daher für mich unverständlich, wie man so eine Politsendung loyal moderieren kann. Ist ja auch beiden mehrfach erfolgreich mißlungen. Aber das nur nebenbei ...

In Deutschland schauen ja auch Millionen von Menschen irgendwelche Container-, Casting- und Dschungelshows, obwohl diese nichts im TV verloren haben,
Das ist wohl mehr Voyerismus als wirkliches Interesse. Wer von uns allen schaut nicht zu, wenn sich andere zum Deppen machen, ob nun heimlich oder ganz direkt ?

Ansonsten würde ich mal die Frage in den Raum den stellen, was "gelebte Mediendemokratie" überhaut ist ? Beißt sich hier nicht die Ratte in den eigenen Schwanz ? Ob nun Berlusconi, welcher ja nun mit Abstand das extremste Beispiel ist, oder andere ... auch in Dt. sitzen in den Rundfunkräten diverse Parteibuchbesitzer, welche mehr oder weniger ihre "Parteiarbeit" betreiben, ob nun offen oder durch die Hintertür ...
Ich finde es zum Beispiel unglaublich verlogen wie ein gewisser Michel F. die CDU in seiner Sendung bis zum geht nicht mehr "herunterputzt" (Kohl-Spenden-Skandal), während er gleichzeitg zu diesem Zeitpunkt noch im Vorstand der selben Partei saß ... Würde so etwas auf die (ach so) freie Marktwirtschaft übertragen, würde man das Vetternwirtschaft oder Vorteilsnahme nennen ...
Die sogenannte "Gelebte Mediendemokratie" ist im Grunde ein Märchen, vor allem, wenn man ein Programm mit Inhalt macht, und dabei ist es egal, ob es sich um TV oder Radio handelt. Das ganze ist ähnlich wie mit dem Phänomen des Kommunismus oder der Anarchie. In der Theorie Dinge, mit interessanten Ansätzen, nur in der Praxis nun mal nicht durchführbar. (Anmerkung, bevor ihr alle auf mich "einprügelt": Im Ostblock versuchte man einen Sozialismus zu leben, keinen Kommunismus! - da gibt es erhebliche Unterschiede).
Deshalb noch einmal: Was ist "gelebte Mediendemokratie"? - Rundfunk fernab jeglicher parteipolitischer Interessen ?! Blos wo gibt es diesen ?

Wer jetzt antwortet bei jedem "Dudelsender", weil da kaum bis gar kein "Inhalt" stattfindet, würde ich zwar Recht geben, ich betrachte die sogenannten Dudelsender allerdings nur bedingt als ernstzunehmendes Programm, denn schließlich heißen die ja nicht umsonst "Dudelsender" :)
 
''Wieso ist das ein Zeichen gelebter Mediendemokratie, wenn sich in einem Massenmedium die schärfsten Feinde von Freiheit und Demokratie -- nämlich die religiösen Fundamentalisten -- sich austoben dürfen?''

Mit solchen Schlagworten wie Fundamentalisten sollte man vorsichtig sein, wenn man noch nie eine derartige Sendung in den USA gehört hat.

Die Bandbreite der religiösen Sendungen in den Staaten reicht von unserem Wort zum Sonntag über die Jesus-Schreier in der Fußgängerzone bis hin zu recht extremen Ansichten. Die Diskussionskultur in Amerika ist eine andere als in Deutschland. Es wird offener geredet und nicht gleich das Mäntelchen der political correctness über alles gedeckt.
 
Wer wirklich ernsthaft meint, die amerikanischen Wortprogramme beschränken sich auf religiöse oder konservative Spinner, sieht nicht die vielfältige Szenerie dort drüben.
Wir können auch erst einmal bei den populären (Musik-) Unterhaltungsprogrammen bleiben, die oft VIEL mehr Wort als bei uns aufweisen.

Rick Dees brachte es oft auf maximal 5-6 Titel die Stunde, selbst unter Einbeziehung des hohen Werbeanteils, der in der morgendlichen Prime Time sich locker auf 20 Minuten zubewegen dürfte, immer noch ein ziemlicher Batzen.

Radio 538 macht es im übrigen ähnlich. Da redet der Moderator manchmal 5 Minuten und mehr am Stück.
 
@ alqaszar:
Wieso ist das ein Zeichen gelebter Mediendemokratie, wenn sich in einem Massenmedium die schärfsten Feinde von Freiheit und Demokratie -- nämlich die religiösen Fundamentalisten -- sich austoben dürfen?
Weil das genau das Wesen einer Demokratie ist. Wer bestimmt denn, wer ein Feind der Demokratie ist und wer nicht? Du? Die jeweilige Regierung? Wäre das dann demokratisch nach Deinem Verständnis? Offensichtlich, denn
In Deutschland schauen ja auch Millionen von Menschen irgendwelche Container-, Casting- und Dschungelshows, obwohl diese nichts im TV verloren haben, weil sie die gesellschaftliche Entwicklung behindern und sogar verderben.
Wer entscheidet, daß solche Sendungen "nichts im TV verloren haben"? Du? Die GEW (von der ich mal stark annehme, daß Du ihr angehörst)? Der SPD-Parteirat?

Die Arroganz, mit der Leute wie Du sich über andere erheben und meinen, zu wissen, was diesen guttut und was nicht, meinen, entscheiden zu müssen, was die "Massen" in den Medien konsumieren dürfen und wovor sie zu schützen sind, weil sie selbst zu dämlich, Leute wie Du aber klug genug sind, um zu erkennen, welche Auswirkungen das alles hat - diese Arroganz und Selbstgerechtigkeit ist schlicht zum Kotzen!
 
Um das mal auf Deutschland zu transportieren:

Ich hätte kein Problem damit, wenn z.B, die Zeugen Jehovas oder auch die zahlreichen Freikirchen in irgendeinem Kirchenprogramm senden würden.

Stattdessen sitzen bei uns ein paar Katholiken und Protestanten in den Rundfunkräten und den Gremien der Landesmedienanstalten. Ihnem 'Einfluss' sind wahrscheinlich diese Bibelschnipsel in den Frühsendungen mancher Sender zu verdanken.

Das ist deutsche Mediendemokratie.
 
@ Grenzwelle

also mit den Zeugen Jehovas hätte ich schon ein Problem. Empfehlung als Lektüre dazu :
Mein Leben als Zeuge Jehovas
ähnlich geht es mir bei Scientology u.a. "kirchlichen" Gruppierungen ...
 

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Der Netzwerkadministrator beim WDR ist Leiter einer Freikirche (charismatische Baptistengemeinde). Nur leider kommen im WDR nur landeskirchliche Beiträge. Soweit zur Meinungsvielfalt hier.

Radio NRW ist in der Beziehung offener. Calvary Chapel Siegen, die größte Freikriche in NRW, hat dort eine Sendung im Bürgerfunk, nennt sich Radio Crossfire und besteht vorwiegend aus Predigten des Calvary Chapel Pastors.
 
Zitat alqaszar:Wieso ist das ein Zeichen gelebter Mediendemokratie, wenn sich in einem Massenmedium die schärfsten Feinde von Freiheit und Demokratie -- nämlich die religiösen Fundamentalisten -- sich austoben dürfen? Antwort Makeitso: Weil das genau das Wesen einer Demokratie ist.
Genauso, Makeitso! Und keinen Deut zurück! Demokratie ist, die Anderen sprechen zu lassen. Hätten wir sonst dieses Forum?
 
... in dem Leute gesperrt werden, ohne dass uns die begründung nachvollziehbar gemacht wird? Gruß ins Watt. Im Prinzip gebe ich euch, berlinreporter und Makeitso, natürlich recht.
Und den Polemikern gegen die "religiösen Fundamentalisten" empfehle ich einerseits nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Herrschaften, bevor diese hier als solche gebrandmarkt werden, sondern andererseits auch eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer eigenen möglicherweise ebenfalls "fundamentalistischen" "Aufgeklärtheit", die dem kant'schen Kopf, als dem Vertreter und Hauptdenker dieser Geisteshaltung nicht die geringste Ehre macht. db
 
Original geschrieben von der beobachter
... in dem Leute gesperrt werden, ohne dass uns die begründung nachvollziehbar gemacht wird? Gruß ins Watt.
Hoppla, lieber beobachter! Vergiss nicht, dass wir hier nur in einem halb-öffentlichen Raum sind. Jeder kann es lesen, aber es ist immer noch ein privater Bereich der Betreiber. Hättest Du einen derartigen Bereich im Internet, dann würdest Du sicher auch auf Deinem Hausrecht bestehen. Und umgekehrt: Würde Dir jemand befehlen, Deinen Bereich offen zu halten, obwohl Du ihn schließen willst - würdest Du dann nicht die Wände hochgehen?

Will sagen: Wir würden es wohl alle als demokratisches Grundrecht verteidigen wollen, dass man ein Forum betreiben oder eben auch schließen kann - dann müssen wir innerhalb des Forums eben auch die gesetzten Regeln akzeptieren (und notfalls auch ein wenig Monarchie:D).
 
Durchaus. Wer Hausrecht hat, darf es auch durchsetzen. Muss es wohl hin und wieder auch. Wenn aber der Gemaßregelte sich keiner Schuld bewusst ist, folglich nicht versteht, aber gerne verstehen würde, warum er gesperrt wurde, und für andere nicht nachvollziehbar gesperrt wird, sendet das ja auch Zeichen an alle anderen aus. Dann scheint es nämlich nicht mehr sicher, dass das Einhalten allgemeiner Anstandsregeln, die erfahrungsgemäß einen weiten Interpretationsraum einnehmen, die Sicherheit mit sich bringt, frei schreiben zu können. Es entsteht so ein ganz klein bisschen der Eindruck von Willkür. Auch das darf natürlich jeder Hausherr. Ob er aber sich selbst damit einen Gefallen tut? Bei mir melden sich da Zweifel. db
 
Nein, das fällt in den Bereich Menschenrechte, die natürlich Grundlage der Demokratie sind. Nur dass der Umkehrschluss eben nicht zulässig ist. Menschenrecht ist noch lange nicht Demokratie. db
 
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