Zukunft des Hörfunkjournalismus?

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AW: Zukunft des Hörfunkjournalismus?

vielleicht schreiben wir aneinander vorbei....vielleicht meinte postit eher den punkt, daß man da rauschen drunter mischt, um den eindruck (der vielleicht ein wenig schlecht hörbar war) zu verstärken.

aber ganz ehrlich: sich über solche kleinigkeiten aufzuregen, nenne ich krümelkackerei!
 
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@Tondose + Lt.Cmdr.Lee

Das war doch nur ein Beispiel. Aber ich gebe zu, dass ich mich unpräzise ausgedückt habe. Gemeint war: technische Kompetenz (um Beiträge zu bearbeiten und sendefertig zu machen) ist ein wichtiger Teil des Radiojournalismus, aber nicht alles.
 
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hallo du gelber zettel,

ich glaube, daß ich dich schon verstanden habe.
grundsätzlich stehe ich aber nicht auf der ermittlerseite, sonder bin der, die den beitrag fertigschrauben darf, damit er gut klingt.
deswegen auch dieser post gegen das völlige überreissen von tondose.
was man nicht weiss, macht einen nicht heiss...auf den hörer bezogen.

es wird in den medien so oft wohlwollend für den verbraucher geschummelt, daß es sich nicht mehr lohnt, über so einen unwesentlichen punkt zu streiten.

was wäre ein film ohne musik?
genauso kann man auch journalismus ein wenig boulevardesk verkaufen ohne die botschaft zu verhunzen.

(ich höre schon die aufschreie der altgedienten berichterstatter)
 
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@Lt.Cmdr.Lee und TDS

Mal ein Sortierversuch:
"Authentisch" ist von Tondose völlig richtig verwendet und natürlich ist ein zuvor sauberer Wortbeitrag nicht mehr authentisch, wenn ihm nachträglich ein Rauschen untergemischt wird. Aber denkt mal über Hörgewohnheiten nach. Eine Vinyl-Aufnahme klingt in vielen Ohren "echter", auch wenn sie technisch nicht mit digitalen Aufnahmen mithalten kann. Alles klar? Vielleicht meint postit mit "authentisch", daß ein Rauschen unter einer technisch sauberen Aufnahme den Hörgewohnheiten näher kommt und somit "echter" wirkt?

@postit
Besten Dank für Deine lange Antwort. Im Übrigen bin ich d'accord mit Dir, daß benannte Personalunion ein Idealfall ist und leider viel zu selten vorkommt. Die neuen Medien werden das Radio genauso wenig vollkommen ins Aus stellen, wie der Buchdruck orale Überlieferung, das Fernsehen das Lesen, das Telefon interpersonale Kommunikation abgeschafft hat usw. etc. pp. Daß das Ganze einen permanenten Wandel mit sich bringt, muß doch schlechterdings nicht heißen, daß der Hörfunk verkommt. Nur hat der natürlich sein Alleinstellungsmerkmal längst verloren, klar. Es wird in diesem Medium - wie in jedem anderen auch - guten und miserablen Journalismus geben, ebenso wie gute und miserable Musikauswahl. Die Liste könnte endlos erweitert werden. Aber mal andersherum gefragt: gab es diesen idealen Hörfunk jemals? Mitunter kommt es mir so vor, als würde eine rückerinnernde Beschönigung vorhanden sein, die einen gesellschaftlichen Wandel vollkommen außer Acht läßt. Das ist mir zu einfach.

@cj
Mal WDR2 hören. Da bisse sehr nah am Gewünschten.


LG in die Nacht sagt Euch der
Kobold
 
AW: Zukunft des Hörfunkjournalismus?

@postit

Du hast noch gar nicht verlauten lassen, welche Erkenntnisse Du aus der "Unterhaltung" bislang erlangt hast. Nun?
:)
 
AW: Zukunft des Hörfunkjournalismus?

Liebe Freunde, ich habe auch den Eindruck, dass hier gewaltig aneinander vorbei geredet wird.

Ob ich Rauschen, Musik, oder sonstwas unter einen Beitrag mische, ist doch letztlich erst einmal eine Frage der Situation bzw. der Zeit.

Man sollte unterscheiden zwischen einem Feature nach D-Radio-Art, dass in mühevollen Stunden zusammen gefrickelt wird, und der aktuellen Berichterstattung draußen vor Ort.

Das sind zwei handwerklich völlig unterschiedliche Facetten des Hörfunkjournalismus.

Wenn ich an einem Feature bastle, dann habe ich die Zeit, mir Gedanken zu machen, was ich druntermischen könnte, dann kann ich verschiedene Geräusche aus dem Archiv testen oder gar eigene anfertigen.

Bin ich aber vor Ort und soll dem Hörer möglichst bald einen Sachverhalt schildern - also als klassischer Reporter - dann kommt es in erster Linie auf die Geschwindigkeit an - und ich werde eher auf einen "Effekt" verzichten und statt dessen nach zusätzlichen Fakten, Formulierungen oder O-Tönen suchen.

Zur Diskussion stelle ich mal meine persönliche Abgrenzung des Hörfunkjournalismus im derzeitigen Alltag:
KEIN Journalismus ist für mich das Stehen am Roten Teppich einer Veranstaltung, um O-Töne von so genannten Promis einzufangen, um später on air damit glänzen zu können "ich habe mit DJ Pickelfresse persönlich gesprochen". Das ist für mich Transport oder sogar Produktion von PR.

Auch ein Interview mit einem wahlkämpfenden Politiker muss nicht journalistisch sein - wenn z.B. der aktuelle Sender-Praktikant rausgeschickt wird ("hol doch mal eben einen O-Ton von dem Schily, der gibt da ne PK") und jener Praktikant dann brav die O-Töne aufnimmt und anschließend auf sendefähige Länge schneidet.

Nein, der Journlismus fängt für mich da an, wo Kompetenz ans Tageslicht kommt. Kompetenz im betreffenden Sachgebiet. Die Fähigkeit, die Aussage einzuordnen. Eine Gegenfrage zu stellen, die den Befragten dazu zwingt, aus seinem vorformulierten Schema auszubrechen.

O-Ton holen, schneiden, Text formulieren, selbst sprechen, live sprechen - all das ist Handwerk.

Der Journalist unterscheidet sich vom Radio-Handwerker dadurch, seinem Gesprächspartner im Idealfall fachlich ebenbürtig zu sein, zumindest aber, sich so weit in ein Thema eingearbeitet zu haben, dass er Geschwafel entlarven kann und eine dem Hörer nützliche Aussage erzwingen kann - und nicht eine, die nur dem Aussagenden nutzt.

Journalismus betreibt der kompetente Reporter vor Ort, der in der Lage ist, nachzufragen, weil er verstanden hat, was zuvor gesagt wurde.

Journalismus betreibt der Nachrichten- (Lokal-, Politik-, Sport- etc.) Redakteur, der Aussagen einordnet, Gegenpositionen einholt und vielleicht sogar zusätzliche Fakten herausfindet.

Ein Journalist kreiert auch gelegentlich mal ein Thema und arbeitet nicht nur die Terminlisten ab.

Und all das hat natürlich auch mit Zeit zu tun. Wenn ich in jeder Stunde einen Beitrag zu immer wieder neuen Themen abliefern soll, kann ich nicht journalistisch arbeiten, weil mir die Zeit zur Recherche fehlt. Dann arbeite ich rein handwerklich.

Beispiel: Ich sitze auf einer Bilanz-PK eines Unternehmens. Der VV liest die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres runter. Der Reporter schneidet alles mit und kürzt den O-Ton am Ende auf sendefähige Länge, schickt das Produkt in die Nachrichtenredaktion und gibt dem Redakteur noch mit auf den Weg "Der VV hat eine Gewinnsteigerung von 20% vermeldet." Der Newsmensch schreibt: "Firma XY hat ihren Gewinn im vergangenen Jahr um 20% gesteigert, wie der VV heute auf der Bilanz-PK vermeldete" + O-Ton.

Das ist Handwerk.

Gegenbeispiel: VV liest Zahlen vor, Reporter weiß, das Firma XY vor zwei Jahren wesentlich mehr verdient hat, im Vorjahr einen Gewinneinbruch hatte, und dass 20% Steigerung zum schlechten Vorjahr eigentlich weit weniger ist als erwartet. Reporter fragt nach, warum denn die Rückkehr zu den Zahlen von vor zwei Jahren nicht gelungen sei, wie ursprünglich angekündigt. VV muss zähneknirschend zugeben, dass man immer noch zu viele Beschäftigte hat und wohl noch ein paar hundert Stellen abbauen muss.

Wird zwar wohl nie GENAU so passieren - aber prinzipiell ist das für mich Journalismus.

Und, um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, das ist die Form von Journalismus, die leider immer stärker zurückgedrängt wird.

Natürlich gibt es weitere Formen, wie den Moderator, der mir Hintergründiges zu einem Titel oder einem Künstler erzählen kann etc.

Das Entscheidende in meinen Augen ist "Recherche", ein Arbeitsgebiet, für das immer weniger Personal und immer weniger Zeit zur Verfügung steht - und das nicht nur bei den Privaten.

(Und jetzt hoffe ich, dass überhaupt jemand die ZEIT hat, diese Ergüsse zu lesen :D)
 
AW: Zukunft des Hörfunkjournalismus?

Habe ich mir gerade abgezwackt, die Zeit und kann Dir nur zustimmen. Gerade der Faktor "Genügend Zeit für Recherche" ist ein Problem geworden.
 
AW: Zukunft des Hörfunkjournalismus?

Weise Worte. Aber ich habe trotzdem die Erfahrung gemacht, dass jede "gute" Geschichte, die der Allgemeinheit auch was nützt, einen stark interessengeleiteten Anfang hat. Kein, wirklich kein, Journalist deckt einen Skandal auf, weil er mal die Idee hatte, da oder dort anzurufen - sondern weil irgend jemand, der etwas beeinflussen oder entwickeln wollte, dem etwas nicht passt oder der sich rächen will, den entscheidenden Tip gab. Jeder Journalist wird also am Anfang ausgenutzt, genauso wie er seine Gesprächspartner ausnutzen wird - der Geschichte wegen. Dann kommt die Sache ins Rollen. Am Anfang steht nun mal keine Seite-3-Geschichte, das ist eine Entwicklung. Das Wissen darum und die Fähigkeit, die Leute dann gegeneinander auszuspielen und zu taktieren, um aus einem Gerücht eine handfeste Geschichte zu machen, ist einfach Erfahrung eines talentierten Journalisten mit breiter Allgemeinbildung.
Es hängt aber auch stark vom Umfeld ab: Wie fest sind die Strukturen vor Ort? Funktioniert das nach dem Domino-Prinzip, wo jeder mit drin hängt und so keiner etwas sagen kann? Und welche Bindung habe ich als Journalist vor Ort? Selbst im Printjournalismus geht die Schere auseinander: Da gibt es den Lokalredakteur, der die Sachen aufdeckt, den (erfahreneren) Mantelredakteur, der die Sache übernimmt und den Spiegel-Kollegen, der irgendwann die preisverdächtige Geschichte schreibt. Diese "Arbeitsteilung" ist für mich die wirkliche Vielfalt. Dass das Radio da raus fällt, mag für einige bedauerlich sein - hängt aber wohl mit dessen Definition zusammen. Wer mit einer handvoll Leuten einen ganzen Regierungsbezirk abdeckt, wo eine Zeitung hunderte Redakteure hat, der wird eben niemals die großen Geschichten aufdecken, weil er zu weit weg von den Thementrägern ist. That's life, und weiß Gott keine Folge des Formatradios. Das hat das Radio noch niemals gekonnt. Was nicht heißt, dass sich der Radioredakteur keine Mühe geben soll - aber wer sich mit wehendem Haupthaar durch die Stadt stürzen und einen Skandal nach dem anderen aufdecken sieht, der ist bei diesem Medium falsch. War es schon immer.
 
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