Seit vielen Jahren vermisse ich in dieser Diskussion bereits die Beantwortung folgender Fragen:
Warum sind eigentlich so viele Menschen bei der Diskussion um den ÖR in Deutschland so sehr bis unter den Haaransatz ideologisiert und emotionalisiert?
Wer hat diese Debatte eigentlich angezettelt und wer profitiert am Ende eigentlich von einer Schwächung des ÖR und aus welchen Motiven?
Steckt hinter den Forderungen nach Abschaffung, Reduzierung, weniger Gebühren eigentlich eine Vision, wie es besser sein könnte?
In welchen Ländern gibt es ein besser funktionierendes System aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern und Printlandschaft?
Nur mal so als Diskussionseinstieg...
In den Fragen steckt oft das Wort "besser". Das ist ja bereits perse relativ. Daher kommt man auf dieser Ebene wohl nicht weiter.
Die Debatte um den ÖR gibt es schon so lange, wie der ÖR besteht. Was sich aus meiner Sicht hauptsächlich geändert hat ist, dass in einer Gesellschaft, die "in Saus und Braus lebt", man sich eher weniger Gedanken darum macht, dass es einen ÖR gibt, der "in Saus und Braus" arbeitet. Nun geht es aber nicht mehr allen so supi und dadurch entsteht dann auch Neid und Verärgerung. Das betrifft auch die Medienbranche selbst. Wer im ÖR einen Job ergattert hat, hat oft für immer ausgesorgt und handelt entsprechend. Verstärkend kommt hinzu, dass die heutigen Repräsentanten des ÖR abgehoben und unsympathisch agieren.
Mal dazu ein aktuelles Beispiel. Der Geschäftsführer der Degeto (würde mich nicht wundern, wenn der ein höheres Gehalt als unser Bundeskanzler hätte) bekennt gerade auf
https://www.rnd.de/medien/wir-brauc...bunter-werden-PTNRAPTE3RCOLFVFFQ54CVR2AI.html:
Im Moment haben wir bei den Zuschauerzahlen die klare Mehrheit bei den Älteren. Das ist aber nicht der Weg in die Zukunft.
Natürlich sind wir Partner, aber auch Wettbewerber mit dem ZDF. Dann sind die amerikanischen Streamer unsere Konkurrenten. Aber da muss man klar nach Altersgruppen unterscheiden: Bei den Älteren findet der Wettbewerb im linearen Fernsehen statt, in dem Netflix und Co. keine dominante Rolle spielen – derzeit. Bei den Jüngeren ist es vor allem ein Wettbewerb um Zeitbudgets. Wir konkurrieren um ihre Aufmerksamkeit mit Youtube, Netflix, Tiktok, Prime Video, Disney+, Joyn und anderen.
Außerdem sieht der Staatsvertrag vor, dass wir Inhalte auch linear senden müssen. Aber unsere Prioritäten haben sich eben verändert.
Die Welt ändert sich. Wir haben daher einen zweistelligen Millionenbetrag umgewidmet, um unser Streamingangebot auszuweiten.
Die Produktionen werden teurer, aber gleichzeitig müssen wir Programm machen, das möglichst linear und in der Mediathek funktioniert. Daraus ergibt sich: Wir müssen endlich sichtbar werden für die vielen Menschen, für die die ARD bisher überhaupt nicht auf ihrer Medien-Speisekarte steht.
Da bin ich nur sprachlos.
Und selbst die "Stars": Früher hat keiner kritisch gefragt, was ein Thoelke oder ein Bernd Heller verdient und ob das angemessen ist. Wenn ich heute Kerner oder Hayali auf dem Schirm sehe, frage ich mich nur, wie die es geschafft haben, sich da wieder reinzudrängen. So ist der Mensch nun mal.
Spannend, dass du "Printlandschaft" erwähnst. Denn komisch, dass der ÖR da nie auf die Idee gekommen ist, sich dort einzumischen. Denn auch da hätte man natürlich das Argument bringen können, man müsse Zeitungen und Zeitschriften herausbringen, um "alle zu erreichen". Heute sind alle Dämme gebrochen, jedes neue Medium ist potentieller ÖR-Spielort - ohne Regeln, ohne Kontrolle. Bin schon gespannt, was mit dem Metaversum wird.
Und das Gejammere, dass man die Jugend erreichen muss, kann ich echt nicht mehr hören. Jahrzehntelang hat man für die Nach-KIKA-Zielgruppe nix gemacht und jetzt ist es dem ÖR nicht zu peinlich, der Jugend, koste es was es wolle, hinterherzurennen, die aber immer schneller ist.