AW: Verformte Schallplatten in Ordnung bringen?
Tondose schrieb:
Dies ist eine oft kolportierte Methode, die ich nicht empfehlen kann. (Ich kenne auch niemanden, der sie schon einmal erfolgreich angewendet hätte.)
Nun dann kann ich das hier gleich mal bestätigen - also die erfolgreiche Anwendung!
Auf genau diese Weise mit der Kraft der Sonne sowie zwei gewöhnlichen Sicherheitsglasscheiben wie sie in Fernsehgeräten der 50-er und z.T. frühen 60-er Jahre üblich waren, habe ich sowohl zwei Schellackplatten als auch eine nahezu neuwertige Phonycord gebügelt. Die Schellis und auch die Phonycord waren nicht abspielbar da sie jeden(!) Tonarm abwarfen. Eine Schellack konnte nichtmal mehr mit einer 120-Gramm Schalldose abgetastet werden!
Mein Freund, Grammophonexperte Nils Mühlbrandt, hatte mir diesen Tip gegeben und nach anfänglicher Skepsis meinerseits war ich dann doch sehr überrascht, welche thermoplastischen Eigenschaften sich im Schellack offenbaren.
Mit PVC habe ich das noch nicht probiert, es dürfte aber noch leichter, schneller vonstatten gehen. Doe Schellis benötigten mehrere Stunden Aufheizzeit und ebenso eine sehr langsame Abkühlphase die ich durch Auflegen einer dicken Wolldecke gestreckt habe. Die leuchtend rote Phonycord ist nun wieder absolut problemlos mit jedem Leichttonarm spielbar.
Das alles liegt nun gut ein Jahr zurück; ich würde es ohne Skrupel mit einer Vinyl ebenso machen. Das Thema "Staub einbacken" kann ich nur als äußerst hypothetisch abtun - um PVC anzuschmelzen bedarf es doch einiges mehr als ein "bisschen Sonnenlicht"! Es ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, daß sowohl die Glasscheiben als auch die zu behandelnde Platte in einem sauberen Zustand sind - extra dafür waschen halte ich absolut für entbehrlich. Künstliche Wärmequellen lehne ich ab; eine "Bügelmaschine" vür 2,5 TEUR ist nach meinem Verständnis nichts anderes als Bauernfängerei und ich habe erhebliche Zweifel an deren praktischem Nutzen = Langzeitwirkung. So wie ich es hier verstanden habe, wird dabei nur der Randbereich und das Zentrum beheizt. Auf diese Weise wird ein Fehler mit einem anderen Fehler zu kompensieren versucht - naja, da hat man sich wohl was abgeschaut beim oft praktizierten Bugfixing von diverser Software
Klare Ansage: Es muß die gesamte Platte vollkommen durchgewärmt werden und das dauert seine Zeit denn mit der Platte müssen sich ebenso beide Glasplatten
langsam und gleichmäßig aufheizen und ebenso langsam wieder abkühlen.
Ein Problem sind Platten mit verstärktem Zentrum, wie das bei kleinen Singles oft anzutreffen ist. Allerdings sind die nur seltenst verzogen. Bei Wulstrandplatten würde ich persönlich zu etwas kleineren, runden Glasscheiben als Auflage raten. Alternativ bietet es sich an, für Singles entsprechend große Löcher in die Scheiben schneiden zu lassen. Ein geübter Glaser schafft das ohne Bruch.
Etwas anderes kam hier weiter vorn auch zur Sprache:
Die Befürchtung daß eine PVC-Platte unter Wärmeeintrag "schrumpft" wurde von einem anderen Mitglied damit dementiert, daß sinngemäß nahezu alle Stoffe bei Erwärmung eine Ausdehnung erfahren.
Das ist so schon richtig, aber in unserem Zusammenhang nicht korrekt! Thermoplastische Massen wie es z.B. auch PVC ist, dehnen sich zwar bei Temperaturzufuhr aus - wenn sie in diesem Zustand umgeformt werden, wie das bei einer Plattenpressung eben nun erforderlich ist, dann wird - je nach Höhe der Materialtemperatur und der endgültigen Materialdicke der Preßling extrem gereckt. Durch beschleunigtes herunterkühlen kann sich das Material nicht auf ein gesundes Maß entspannen. Im Laufe vieler Jahre tritt dennoch ein gewisser natürlicher Schrumpfungsprozeß auf - solche Platten sind an einer äußerst strammen Zentrierbohrung erkennbar; im schlimmsten Fall kann die Platte nicht mehr abgespielt werden weil sie sich nicht mehr aufstecken läßt! Spanende Nacharbeit ist allerdings kein größeres Problem. Bei solchen Scheiben bin ich mir nicht sicher, ob die Schrumpfung durch Sonnenwärme beschleunigt wird - man darf auch nicht außer Acht lassen, daß die PVC-Scheiben permanent Weichmacher verlieren! Je dünner eine Platte, umso schneller und leichter wandern Weichmacher über die Raumluft aus.
Allerdings würde ich rein gefühlsmäßig von keiner hörbaren Beeinträchtigung einer "Schrumpfplatte" ausgehen. Das bekommt man wohl nichtmal mit kochen im Wasserbad hin!
Daß eine auf normalem Wege = durch falsche Langzeitlagerung deformierte Platte ein Kandidat für die Tonne ist, muß ich somit ganz klar verneinen. Wer anderer Meinung ist, der kann gern meine Adresse bekommen um die "Entsorgungsobjekte" bei mir abzuladen. Porto / Verpackung übernehme ich gern.