Verformte Schallplatten in Ordnung bringen?

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AW: Verformte Schallplatten in Ordnung bringen?

Vinyl macht halt Spaß! ;)

BTW: Die STEREO-Geschichte kann ich nur unter Vorbehalt verfolgen. Bis zum "Urknall" komme ich leider nicht. Im Jahre 1959/60 hört es bei mir auf.

vg Zwerg#8
 
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Tondose schrieb:
Dies ist eine oft kolportierte Methode, die ich nicht empfehlen kann. (Ich kenne auch niemanden, der sie schon einmal erfolgreich angewendet hätte.)

Nun dann kann ich das hier gleich mal bestätigen - also die erfolgreiche Anwendung!
Auf genau diese Weise mit der Kraft der Sonne sowie zwei gewöhnlichen Sicherheitsglasscheiben wie sie in Fernsehgeräten der 50-er und z.T. frühen 60-er Jahre üblich waren, habe ich sowohl zwei Schellackplatten als auch eine nahezu neuwertige Phonycord gebügelt. Die Schellis und auch die Phonycord waren nicht abspielbar da sie jeden(!) Tonarm abwarfen. Eine Schellack konnte nichtmal mehr mit einer 120-Gramm Schalldose abgetastet werden!

Mein Freund, Grammophonexperte Nils Mühlbrandt, hatte mir diesen Tip gegeben und nach anfänglicher Skepsis meinerseits war ich dann doch sehr überrascht, welche thermoplastischen Eigenschaften sich im Schellack offenbaren.

Mit PVC habe ich das noch nicht probiert, es dürfte aber noch leichter, schneller vonstatten gehen. Doe Schellis benötigten mehrere Stunden Aufheizzeit und ebenso eine sehr langsame Abkühlphase die ich durch Auflegen einer dicken Wolldecke gestreckt habe. Die leuchtend rote Phonycord ist nun wieder absolut problemlos mit jedem Leichttonarm spielbar.
Das alles liegt nun gut ein Jahr zurück; ich würde es ohne Skrupel mit einer Vinyl ebenso machen. Das Thema "Staub einbacken" kann ich nur als äußerst hypothetisch abtun - um PVC anzuschmelzen bedarf es doch einiges mehr als ein "bisschen Sonnenlicht"! Es ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, daß sowohl die Glasscheiben als auch die zu behandelnde Platte in einem sauberen Zustand sind - extra dafür waschen halte ich absolut für entbehrlich. Künstliche Wärmequellen lehne ich ab; eine "Bügelmaschine" vür 2,5 TEUR ist nach meinem Verständnis nichts anderes als Bauernfängerei und ich habe erhebliche Zweifel an deren praktischem Nutzen = Langzeitwirkung. So wie ich es hier verstanden habe, wird dabei nur der Randbereich und das Zentrum beheizt. Auf diese Weise wird ein Fehler mit einem anderen Fehler zu kompensieren versucht - naja, da hat man sich wohl was abgeschaut beim oft praktizierten Bugfixing von diverser Software :)
Klare Ansage: Es muß die gesamte Platte vollkommen durchgewärmt werden und das dauert seine Zeit denn mit der Platte müssen sich ebenso beide Glasplatten langsam und gleichmäßig aufheizen und ebenso langsam wieder abkühlen.

Ein Problem sind Platten mit verstärktem Zentrum, wie das bei kleinen Singles oft anzutreffen ist. Allerdings sind die nur seltenst verzogen. Bei Wulstrandplatten würde ich persönlich zu etwas kleineren, runden Glasscheiben als Auflage raten. Alternativ bietet es sich an, für Singles entsprechend große Löcher in die Scheiben schneiden zu lassen. Ein geübter Glaser schafft das ohne Bruch.

Etwas anderes kam hier weiter vorn auch zur Sprache:
Die Befürchtung daß eine PVC-Platte unter Wärmeeintrag "schrumpft" wurde von einem anderen Mitglied damit dementiert, daß sinngemäß nahezu alle Stoffe bei Erwärmung eine Ausdehnung erfahren.
Das ist so schon richtig, aber in unserem Zusammenhang nicht korrekt! Thermoplastische Massen wie es z.B. auch PVC ist, dehnen sich zwar bei Temperaturzufuhr aus - wenn sie in diesem Zustand umgeformt werden, wie das bei einer Plattenpressung eben nun erforderlich ist, dann wird - je nach Höhe der Materialtemperatur und der endgültigen Materialdicke der Preßling extrem gereckt. Durch beschleunigtes herunterkühlen kann sich das Material nicht auf ein gesundes Maß entspannen. Im Laufe vieler Jahre tritt dennoch ein gewisser natürlicher Schrumpfungsprozeß auf - solche Platten sind an einer äußerst strammen Zentrierbohrung erkennbar; im schlimmsten Fall kann die Platte nicht mehr abgespielt werden weil sie sich nicht mehr aufstecken läßt! Spanende Nacharbeit ist allerdings kein größeres Problem. Bei solchen Scheiben bin ich mir nicht sicher, ob die Schrumpfung durch Sonnenwärme beschleunigt wird - man darf auch nicht außer Acht lassen, daß die PVC-Scheiben permanent Weichmacher verlieren! Je dünner eine Platte, umso schneller und leichter wandern Weichmacher über die Raumluft aus.
Allerdings würde ich rein gefühlsmäßig von keiner hörbaren Beeinträchtigung einer "Schrumpfplatte" ausgehen. Das bekommt man wohl nichtmal mit kochen im Wasserbad hin!

Daß eine auf normalem Wege = durch falsche Langzeitlagerung deformierte Platte ein Kandidat für die Tonne ist, muß ich somit ganz klar verneinen. Wer anderer Meinung ist, der kann gern meine Adresse bekommen um die "Entsorgungsobjekte" bei mir abzuladen. Porto / Verpackung übernehme ich gern.
 
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Hallo MGW51!

Ich habe jetzt leider keine Zeit näher auf dein Posting einzugehen, finde es aber schön, daß du deine Erfahrungen postest. Daß sich auch eine Schellackplatte "verziehen" kann, habe ich bisher noch nicht gehört. Die Dinger zerbrechen ja schon, wenn man sie zu scharf anschaut. ;)

... man darf auch nicht außer Acht lassen, daß die PVC-Scheiben permanent Weichmacher verlieren! Je dünner eine Platte, umso schneller und leichter wandern Weichmacher über die Raumluft aus.

Das ist wohl ein Ammenmärchen. Selbstverständlich diffundiert der Weichmacher aus der Plattenoberfläche. Langsam, über viele Jahrzehnte (Jahrhunderte(?)). Aus dem Inneren der Platte rückt aber genug Weichmacher nach. Die Rillen bleiben also weich und elastisch, solange Weichmacher aus dem Inneren "nachrückt". Bevor eine Platte "hart wie ein Zwieback" wird und "schrumpft", dauert es "ewig".

Wenn man 50 Jahre alte Vinylscheiben in der Hand hält, dann merkt man natürlich, daß sie sich etwas "härter" anfühlen. Das hat aber nix mit den bislang entwichenen Weichmachern zu tun, sondern die damalige Mischung war einfach anders - "härter". Diese Platten sollten auch höhere Auflagekräfte ohne großen Schaden überstehen.

BTW: Selbstverständlich ist es nicht gesund, unmittelbar neben einer sehr großen Schallplattensammlung zu schlafen. Die erhöhte Konzentration von Weichmachern in der Raumluft ist bei Männern der Potenz und Fruchtbarkeit abträglich.

vg Zwerg#8
 
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Hallo MGW51!
Das ist wohl ein Ammenmärchen. Selbstverständlich diffundiert der Weichmacher aus der Plattenoberfläche. Langsam, über viele Jahrzehnte (Jahrhunderte(?)). Aus dem Inneren der Platte rückt aber genug Weichmacher nach. Die Rillen bleiben also weich und elastisch, solange Weichmacher aus dem Inneren "nachrückt". Bevor eine Platte "hart wie ein Zwieback" wird und "schrumpft", dauert es "ewig".
vg Zwerg#8

Nein, das ist tatsächlich kein Ammenmärchen und es dauert auch nicht sooo unendlich lange, bis das Material versprödet. Allerdings, da hast Du schon recht, bröcklig wie ein Zwieback wird eine PVC-Schallplatte nicht werden - jedenfalls nicht unter normalen Lagerbedingungen zu unseren Lebzeiten. O.k. ich hab nicht mehr so sehr viel Restlaufzeit zur Verfügung ;) Allerdings gibt es verschiedene als Weichmacher eingesetzte Stoffe die auch unterschiedlich starke Eigenschaften - oder sagen wir mal Nebenwirkungen haben und es ist auch zu beachten, daß Platte nicht gleich Platte ist, selbst dann nicht wenn sie vom gleichen Hersteller stammt.
Die Rillenflanken dürfen nicht weich und elastisch sein - jedenfalls nicht im Spielbetrieb. Sie müssen hingegen eine große Oberflächenfestigkeit und damit geringstmögliche Rauhtiefe aufweisen. Prinzipiell können diese Forderungen von bunten PVC-Scheiben weit schlechter erfüllt werden als von solchen in Schwarz. Sie sind durch den Rußanteil besonders widerstands- und damit auch gleitfähig. Das bringt auch automatisch weniger Nadelgeräusch als es Bunte Platten schaffen. Bezüglich der Farbe gibt es zwei mir bekannte Ausnahmen: Phonycord und Polystyrol. Was seltener ist weiß ich nicht. Phonycord gab es nur in den Dreißiger Jahren und Polystyrolplatten kenne ich nicht aus dem deutschen Raum. Meine zwei Exemplare stammen aus Übersee. Ein drittes Exemplar aus gleicher Quelle habe ich vor längerer Zeit verschenkt. Platten aus den genannten Materialien sind mir nur mit Normalrille bekannt.

Der Schrumpfungsprozeß ist nicht direkt mit dem Verlust der Weichmacher zu verbinden- wenn das so rüberkommt, habe ich mich unklar ausgedrücjkt. Der Zeitraum in dem Schrumpfungsprozesse nachweisbar sind, beträgt nur wenige Jahrzehnte. Ich habe z.B. eine Phonycord, das ist eine Flexible, welche nur mit abgedrehtem Zentrierbolzen aufgelegt werden kann und ich habe weiters eine Schellack, die auch nicht mit Brachialgewalt auf einen Normgerechten Zentrierbolzen paßt. Die Flexible ist mittlerweise runde 70 Jahre alt - die Schellack habe ich Ende der 50-er...Anfang der 60-er gekauft und Du darfst davon ausgehen, daß sie damals spielbar gewesen ist - man kann es ja auch gut erkennen, daß sie nicht eben nur im Regal lag.

Ja, wie ich schon sagte, daß Schellack sich verformt ist so selten nicht - daß die Verformung aber zum abwerfen des Tonarmes führt stellt schon einen Extremfall dar. Für mich war das bis zu diesem ersten Fall auch ein Novum, daß man sowas wieder mit der Kraft unseres Zentralgestirnes ausgebügelt kriegt. Es klappt besser als man glaubt und es macht wirklich nicht Knack.

In Kriegszeiten fertigte die Lindström unter ihrem Label ODEON Schellackplatten die sich besonders leicht anfühlen. Der Grund: Ihr Innenleben besteht aus ordinärer Pappe! Diese, wie auch andere Schellackplatten lassen sich mit etwas Gefühl problemlos in der Hand verbiegen - freilich sehr vorsichtig und bei weitem nicht so stark wie eine moderne Plastescheibe - doch dabei wird man gewahr, daß in diesen wortwörtlich steinzeitlichen Tonträgern eine nie erwartete Elastizität verborgen ist. Blechplatten mit Lack bestrichen zur Selbstaufnahme nehmen bezüglich Versprödung dabei den zweiten Platz hinter gleichen Lackplatten auf Papierträger ein. Bei letzteren fallen schon gern mal "etliche Rillen" einfach so ab. Das ist irreparabel - die hier auch genannte Methode der Rekonstruktion über das fotografische Verfahren kommt für einen Normalsterblichen vermutlich allein aus Kostengründen nicht in Betracht. Solche Selbstaufnahmematerialien waren ja grundsätzlich nicht für die ewige Archivierung gedacht. Es war im Grunde Amateurbedarf "für den Tag" denn es handelt sich dabei immer nur um Unikate. Wenn solche Teile also irgendwie verformt sind, dann braucht man sicher keinen Gedanken an eine Glättung zu verschwenden.

mfg. Michael

Nachtrag:
Hier mal zwei Bilder, anklickbar,eine gelbe 15cm Polystyrol = Styroflex und eine 25cm rot-transparente Phonycord aus den Enddreißigern. Damit kein Irrtum aufkommt: Es handelt sich hierbei nicht um eine Schallfolie!
 
AW: Verformte Schallplatten in Ordnung bringen?

Hallo Michael!

Also mit deinen Endreißiger-Platten kenne ich mich nicht aus. Ich hab keine Ahnung, ob diese Materialien nun besonders anfällig für Schrumpfung sind. All meine "normalen" Vinylscheiben sind jedenfalls noch nicht geschrumpft, sind "biegsam" wie am ersten Tag und in der Gesamtheit auch "hundeschwer". Übermäßig viel Weichmacher scheint sich da in den letzten Jahrzehnten also noch nicht in Luft aufgelöst zu haben. ;)


Eines kann ich dir beim besten Willen aber nicht durchgehen lassen:

Die Rillenflanken dürfen nicht weich und elastisch sein - jedenfalls nicht im Spielbetrieb.

Das kann schon rein vom Ansatz her nicht richtig sein: Eine sphärisch geschliffene Nadel berührt die Rillenflanken nicht nur an zwei Punkten (das würde einen unendlich hohen Druck bedeuten), sondern es bilden sich zwei Flächen (Kugelkalotten) - eben weil sich die beiden Rillenflanken unter der Last der Auflagekraft des Diamanten elastisch verformen.

Die Betonung liegt auf "elastisch": Nachdem die Diamantnadel über feinste Erhebungen (die hohen Frequenzen) geritten ist, und diese auch teilweise plattgemacht hat, erholen und erheben sie sich wieder. Die Platte hat den Abtastvorgang damit relativ schadlos überstanden.

Überleg mal was passieren würde, wenn die Rille viel härter wäre. Die Nadel und die Rille müssen die bei der Abtastung auftretenden Kräfte immer irgendwie aufnehmen. Die Nadel macht das, indem sie halt (für uns nutzbringend) schwingt. Die Rille muß genau die selbe Kraft (mit anderem Vorzeichen & anderer Richtung) aufnehmen. Sie kann nun elastisch nachgeben - und den Schaden gering halten, oder spröde reagieren und muß dann halt damit leben, daß die Kräfte mitunter zu groß werden und sie ein kleines Stück Material aus der Oberfläche geschlagen bekommt - sozusagen "Zahn raus". Logischerweise schlägt die Nadel dann zuerst die zarten und hochfrequenten Hügelchen (Zähnchen) aus der Oberfläche. Und selbstverständlich ist dabei auch der Verschleiß der Nadel höher.



Sie müssen hingegen eine große Oberflächenfestigkeit und damit geringstmögliche Rauhtiefe aufweisen.

Wir sollten unbedingt das Wort "damit" streichen. Wenn man nun noch Abriebfestigkeit, anstatt Oberflächenfestigkeit einsetzt, unterschreibe ich den Satz sogar.

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Grüßle Zwerg#8
 
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