Die Debatte um eine Quote deutschsprachiger Musik in den Radiosendern wird immer grotesker. Das war aber wohl nicht anders zu erwarten. Die Vorurteile sind derart fest gefügt und die Interessen großer kommerzieller Verwerter hinreichend einflussreich, dass es schwer fällt, Argumente überhaupt zu Gehör zu bringen.
Wer für eine Quote deutschsprachiger Musik ist, will mehr Schlager und Volksmusik in den Radiosendern; Wer für eine Quote deutschsprachiger Musik ist, hat was gegen die überwiegend englischsprachige Pop- und Rock-Musik. Wer für eine Quote deutschsprachiger Musik ist, will erzwingen, dass Musik gesendet wird, deren Qualität nicht ausreicht, um auf dem Markt erfolgreich zu sein. Und das vielleicht wirksamste Vorurteil: Wer für eine Quote deutschsprachiger Musik ist, zeigt eine nationalistische Gesinnung.
Das ist alles Humbug, so gern es auch wiederholt wird. Vielleicht helfen ein paar Fakten: Deutschsprachige Rock- und Popmusik – ich rede jetzt nicht von Schlager- und Volksmusik – wird in deutschen Radiosendern kaum noch gebracht. Unter den 50 meistgespielten Titeln (etwa in den Top 50 Airplay Charts, ermittelt von Music Control) kommt manchmal ein deutscher Titel vor, das bewegt sich unterdessen in der Größenordnung von 2%.
Und vor allem: es sind immer die gleichen Titel, die wir zu hören kriegen. Die Zahl der im Rundfunk gespielten Titel ist von früher über eine Million auf rund Tausend geschrumpft. Wir erleben also einen dramatischen Verlust an musikalischer Artenvielfalt, der das Schrumpfen biologischer Arten noch weit übertrifft: Es bleibt am Ende wohl nur noch eine Art übrig: englischsprachig und daher für den globalen Markt geeignet, schlicht in der künstlerischen Qualität und für die großen internationale, angelsächsisch dominierte Musik-Industrie einträglich.
Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen Markt und kultureller Vielfalt. Der Markt bevorzugt das Massenprodukt, je größer der Absatzmarkt, desto besser, je standardisierter, desto billiger. Den Befürwortern einer Quote geht es nicht um Deutschtümelei, sondern um kulturelle Vielfalt und künstlerische Kreativität. Ich spreche hier nicht nur für mich, da ich viele intensive Gespräche geführt habe, bevor ich mich für eine freiwillige Rundfunk-Quote im Sommer 2002 in meiner Rede auf der Popkomm aussprach.
Um das deutlich zu machen, sollte eine Vereinbarung gefunden werden, die nicht nur deutschsprachiger, sondern die generell anders-als-englischsprachiger Musik einen Minderheiten-Schutz gibt und die sicherstellt, dass mehr Neuheiten zu hören sind. Wir hören in Deutschland nicht nur immer weniger deutsche, sondern auch immer weniger französische, spanische oder italienische, ganz zu schweigen von russischer oder polnischer Musik.
Als 1996/97 der Deutsche Rock- und Popmusikerverband einen ersten Vorstoß für eine Quote unternahm, war die Aufregung groß. Schon damals wurde dieser Initiative nationales Denken unterstellt, was angesichts ihrer Unterstützer von Udo Lindenberg und Konstantin Wecker bis Peter Glotz und Thomas Krüger einigermaßen bizarr war. Die deutsche Tonträger-Industrie stellte sich seinerzeit gegen diese Initiative.
Unterdessen hat sie aber zum ganz überwiegenden Teil eingesehen, dass die Bewahrung kultureller Vielfalt auch im kommerziellen Interesse liegen kann. Die Vernachlässigung des Nachwuchses, die überwältigende Dominanz einiger weniger internationaler Stars hat zu den Umsatzeinbrüchen der letzten Jahre beigetragen.
Wer es nicht glaubt, blicke nach Frankreich. Die starke Ausrichtung an französischen Stars hat Frankreich vom allgemeinen Trend des Umsatzrückgangs abgekoppelt. Dort gilt eine – mit europäischen Wettbewerbsrecht vereinbare – Quote von 40% französischsprachiger Titel, und davon müssen mindestens 20% neue Songs (kombinierte Sprach- und Neuheitenquote) sein. Wir haben hier ein schönes Beispiel, dafür, dass Regellosigkeit nicht immer von ökonomischem Nutzen ist oder anders, dass der freie Markt gelegentlich die Grundlagen seines ökonomischen Erfolges selbst – hier: das kulturelle Interesse – zerstört.
Der mit rund 7 Milliarden Euro Zwangsabgabe finanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk kann dieses Privileg nur rechtfertigen, wenn er seinem Bildungs- und Kulturauftrag gerecht wird. Artenvielfalt der Kultur und speziell der Musik zu sichern, gehört dazu. Medienpolitik ist in Deutschland Ländersache. Der Vorstoß von Staatsminister Huber geht in die richtige Richtung, und ich bin froh, dass er inzwischen von seiten anderer Länderregierungen unabhängig von ihrer parteipolitischen Färbung Unterstützung erfahren hat. Man kann nur hoffen, dass die abgestandene Litanei der oben erwähnten Vorurteile nicht allzu viel Eindruck macht und die Medienpolitiker diesmal dem besseren Urteil und nicht der öffentlichen Stimmungsmache folgen.