Dazu kommt, dass Radio durch das erst in den Achtziger Jahren eingeführte Duale System aus Öffis und Privaten mit großer Verspätung da angekommen ist, wo andere Mediengattungen längst angekommen sind. Ziemlich unten.
Dennoch bietet der Zeitungskiosk auch die ZEIT und ne Menge andere Publikationen. Da ist man überregional an einem besseren Kiosk noch gut bedient, was bei UKW teilweise nicht so ist und man also auf Sat, Kabel oder Internet ausweichen muß. Die Qualitäts-Printmedien sind, so behaupte ich, besser und gleichberechtigter präsentiert als die Qualitäts-Hörfunkprogramme.
Wenn ich aber so durch die heimische Radio-Landschaft zappe, habe ich das Gefühl, dass bei uns noch die typisch deutsche Perfektion dazu kommt. Was man hier so in den Äther bläst, wird vorher formattechnisch bis auf das kleinste Floskel-Atom zerlegt, selbst wenn sich die Radio-Seele der Programmverantwortlichen dabei eigentlich pausenlos übergeben müsste.
Deutsche Gründlichkeit beim Ausmerzen jeglicher seelischer Regung, würde ich attestieren wollen. Wir machen alles gründlich, vom Holocaust über die x-te Durchführungsbestimmung zur Einführung einer Bestimmung bis zum Formatfunk. Im Kindergarten unterschreiben die Eltern heute schon, daß am Geburtstag das Kind keinen hausgebackenen Kuchen mitbringen darf. Nur steril eingeschweißten Industrie-Kuchen. Könnte ja was schiefgehen, könnte jemand eine Allergie auf einen Inhaltsstoff haben und das wäre dann nicht aktenkundig auf der nicht vorhandenen Verpackung des Selbstgebackenen. In der Schule müssen die Eltern vor einer Klassenfahrt (wir sind bei sowas noch 1989 spätabends unter Vollmond über Glatteis quer über den Kamm des Thüringer Waldes mit Gepäck zur Jugendherberge und hatten nur zwei Lehrer dabei) dem Kind eine Vollmacht mitgeben, daß es ok geht, keine Limonade oder Cola, sondern Leitungswasser aus einer deutschen Wasserleitung zu trinken. Diese Gründlichkeit wirkt auf mich wie eine Angst, sich nicht 100%ig abgesichert zu haben gegen irgendein Argument, das beim Versagen der Maßnahme von irgendwem kommen könnte. "German Angst"?
16 Jahre alt:
Heute gehen sie ja wieder auf die Straße, fordern aber lieber das 4. Reich anstelle dessen, was eigentlich nötig wäre.
Es ist bedauerlich, selbst öffentlich-rechtliche UKW-Programme nur noch für Nachrichten, Wetter oder Fußballberichterstattung zu nutzen, aber das ist wohl der Lauf der Dinge in Radio-Deutschland.
Ach, ich habe heute früh bei eigentlich nur technischen Maßnahmen (Rauschabstandsmessung an einem stummen UKW-Träger im Kabelnetz) mal wieder was sehr anhörbares gefunden und bin erstmal bis zum Ende der Sendung hängengeblieben:
http://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/ausstrahlung-683594.html
Du hast doch ein Physik-Diplom und da dämmert dir nicht dass die von dir vorzugsweise zitierte "MA Radio", im Übrigen selbst nur ein schäbiges Nebenprodukt der presseeigenen Media-Analyse, mittlerweile nichts anderes mehr als ein Kampf- und Propagandainstrument der UKW-Platzhirsche ist, die dieses Spektakel mit einigem Pomp und weitgehend mit eigenen Mitteln aufziehen um das zugemüllte, totgesparte Billigradio gut aussehen zu lassen?
Ich behaupte, um die Schwachstellen der MA zu erkennen, braucht man kein Diplom. Die Erhebungsmethode ist fragwürdig, manipulierbar und benachteiligt möglicherweise die Kulturprogramme, da ich vermute, daß sich deren Hörer keine Telefonbefragungen antun werden, sondern gleich auflegen, wie sie es auch bei Werbe-Anrufen tun würden. Andererseits hat die alte Festnetz-Methode auch Jugendwellen benachteiligt, wer von den Hörern hat denn Festnetz? Und so kann man reihum gehen und glaubt immer was zu finden. Unterm Strich sind die Bedingungen aber für alle gleich fragwürdig.
Ein "Propaganda-Instrument" kann ich nicht erkennen. Nur ein grobes Schätzeisen dafür, wessen Selbstbeweihräucherung am besten in der Rübe des Durchschnittsdeutschen hängenbleibt.