AW: JUMP – Wie lange wird noch gehüpft?
Als wir zuletzt wieder in der Lausitz waren, hat sich eine Freundin meiner Freundin (die dort noch wohnt) aufgeregt, dass aus ihrer Altersschicht weitgehend nur noch die "Unterschicht" dort haust.
Das mag so sein, das gibt es auch in Städten, selbst in einstigen Großstädten. Wenn keine Industrie mehr dort ist, müssen alle, die es weiter gebracht haben, vielleicht Abi haben, studieren wollen und dann entsprechend arbeiten wollen, wegziehen. Da bluten in der Tat ganze Regionen aus, veröden komplette Städte (Suhl, Gera, ...).
Aber: nur wenige Bahnminuten daneben hat man hochrangige Industrie- und Wissenschaftsstandorte: Jena, Erfurt, Dresden (Infineon stellt grad wieder massiv ein, und zwar hochqualifiziertes Fachpersonal). Leipzig ist nicht nur in der Kreativwirtschaft gut aufgestellt, auch die DHD-Mischpulte kommen z.B. von dort und die werden nicht von Flachzangen entwickelt. Wir haben in Mitteldeutschland weitere Orte mit sehr gut aufgestellten Hochschulen, selbst wenn man allen Studenten unterstellen mag, sie wären platt, bliebe noch das akademische Personal. Ich kenne durchaus Akademiker, die nach einem Wegzug aus dem MDR-Gebiet sehr wohl dramatische qualitative Unterschiede im Hörfunk feststellten und Programme wie WDR 5 oder Bayern 2 (Radio Eins sowieso) für sich entdecketen.
ABER: formale akademische Bildung hat nicht zwingend etwas mit der art "Flachheit" zu tun, um die es hier geht. Ich kenne Akademiker und hohe Führungskräfte, deren kultureller Horizont erschreckend eng gezogen ist. Bei denen im Autoradio vor allem "was dudeln" muß, die auf Dienstreisen auch stundenlang YouFM ertragen (= gar nicht wahrnehmen, was da läuft), während mir Übelkeit kommt. Als Gegenpol kenne ich Leute im Blaumann mit ölverschmierten Händen, die zu Protokoll geben, keinen TV mehr zu besitzen und Radio auch außer DLF nicht mehr zu hören, dafür aber zunehmend zu lesen. Man kann und darf das nicht an erreichten Bildungsabschlüssen festmachen.
Man kann nun freilich feststellen wollen, daß der Osten demoskopisch besonders platt sei und dann auch die Öffis danach ausrichten. Man kann aber auch feststellen, daß der Osten intellektuell auszubluten droht und gerade deswegen versuchen, denen, die noch geblieben sind, ein Stück geistige Heimat anzubieten. Ich sehe bei letzterem die öffentlich-rechtlichen in der Pflicht (die Privaten haben anderen Primärauftrag). Und da versagt der MDR weiterhin absichtlich - das macht die Sache so bösartig.