Steigen Sie in mein Auto, und fahren Sie mit
Der Hessische Rundfunk sucht Gebührenbeauftragte. Er wünscht sich motivierte Mitarbeiter und verspricht im Gegenzug eine sorgfältige Ausbildung. Monika Rehbein erlebte ganz andere Rekrutierungsmethoden.
FRAGE: Frau Rehbein, wie kamen Sie zur GEZ?
ANTWORT: Ich habe auf eine Zeitungsannonce geantwortet und bin dann an einen gewissen Peter L. (Name von der Redaktion geändert) geraten, einen Außendienstmitarbeiter der GEZ. Herr L. hatte die Anzeige selbständig geschaltet, weil er Mitarbeiter für sein Gebiet in Hessen suchte.
FRAGE: Wie hat Peter L. Sie auf die Tätigkeit als Gebührenbeauftragte vorbereitet?
ANTWORT: Als ich zu ihm kam, unterhielten wir uns nur kurz, dann sagte er: "Fahren Sie mit mir raus, und gucken Sie sich das einfach mal an."
FRAGE: Hatte er Ihnen keine Einweisung in die Arbeitsbedingungen gegeben? Hat er nicht gesagt, wie viel Sie verdienen, in welchem Arbeitsverhältnis Sie beschäftigt würden oder wie lange die Einarbeitsungsphase dauern würde?
ANTWORT: Nein. Er hat einfach nur gesagt: Steigen Sie in mein Auto, und kommen Sie mit. Im Auto hat er zunächst mein Auftreten und meine Kleidung bemängelt. Ich solle gefälligst in geschäftsmäßiger Kleidung kommen. Schon an der ersten Tür hat er den Daumen schön fest auf die Klingel gedrückt. Als im ersten Stock ein Fenster aufging, hat er die Frau erst einmal richtig angeschrien. Sie solle gefälligst an die Tür kommen, er unterhalte sich nicht mit Leuten im ersten Stock. Er hat gleich einen ziemlich rüden Ton angeschlagen.
FRAGE: Hatte er Erfolg damit?
ANTWORT: Nein. Wir sind zum nächsten Haus gezogen. Peter L. ging um den Wohnblock herum, um zu sehen, ob dort eine Satellitenschüssel montiert sei. Daraufhin klingelte er an einer Wohnungstür. Ein junger Mann öffnete, dem er gleich entgegenschleuderte: "Sie haben ja einen Fernseher. Ich will rein." Der Hausbewohner wollte ihn jedoch nicht hereinlassen.
FRAGE: Wie reagierte Peter L. auf die Abweisung?
ANTWORT: Er schrie: "Ich will hier rein. Sie haben mir das letzte Mal schon vorgelogen, dass Sie keinen Fernseher hätten. Ich habe draußen Ihre Antenne gesehen. Wer macht sich eine Antenne an den Balkon, wenn er keinen Fernseher hat? Dann müssen Sie auch Gebühren zahlen." Es ging hin und her. Der junge Mann hat ihn trotzdem nicht in die Wohnung gelassen.
FRAGE: Wie ging es weiter?
ANTWORT: Wir zogen zum nächsten Haus, wo ein sehr schüchterner junger Mann öffnete. Peter L. präsentierte ihm sofort eine Rechnung, dass er für die letzten Jahre soundso viel Euro nachzubezahlen hätte. Ich dachte: Da stimmt doch was nicht, der Mann kommt mir etwas arg leise vor.
FRAGE: Hat sich Ihr Verdacht bestätigt?
ANTWORT: Plötzlich kam eine Frau in einem Auto angefahren, ging ins Haus und rief, wir sollten doch zurückkommen, wir seien doch die Leute von der GEZ. Der junge Mann habe einen Behindertenausweis.
FRAGE: Wie reagierte Peter L.?
ANTWORT: Er sagte, das interessiere ihn nicht. Er habe nur seine Gebühren zu zahlen.
FRAGE: Der Arbeitstag verlief also erfolglos?
ANTWORT: Peter L. meinte schließlich, es habe keinen Zweck weiterzumachen. Die Leute wüssten hier alle schon, dass er unterwegs sei, und seien vorgewarnt. Am nächsten Tag hat er wieder bei mir angerufen. Ich sollte wieder mitkommen.
FRAGE: Haben Sie das alles unentgeltlich gemacht?
ANTWORT: Selbstverständlich.
FRAGE: Wie oft sind Sie mit ihm gefahren?
ANTWORT: Drei- oder viermal. Am zweiten Tag haben wir uns mit zwei seiner Mitarbeiter im einem Studentendorf getroffen. An der Tür war ein Schild montiert mit der Aufschrift "Eintritt für Fremde nicht erlaubt". Peter L. hat also gewartet, bis von innen jemand die Haustür öffnete, und schwupps war er drin. Er hat dann die anderen Mitarbeiter hereingelotst und sie auf die Etagen verteilt.
FRAGE: Wer waren diese beiden Mitarbeiter?
ANTWORT: Das waren feste Mitarbeiter. Mit mir selbst ging er in die oberste Etage. Auf einmal sah ich, wie eine junge Frau aus ihrem Zimmer ging, im Aufzug verschwand und kurz darauf mit dem Hausmeister zurückkam. Der Hausmeister hat uns eindringlich gebeten, das Haus sofort zu verlassen. Ob wir die Schilder nicht lesen könnten? Er könne ja schließlich nicht von außen lesen, ob die Leute, die hier wohnten, auch Rundfunkgebühren bezahlten, antwortete Peter L. Er wolle das überprüfen, dazu sei er verpflichtet. Es folgte ein heftiger Wortwechsel, und wir mussten abziehen.
FRAGE: Welche Konsequenz zog Peter L. aus der erneuten Niederlage?
ANTWORT: Er hat einfach draußen gewartet, bis wieder jemand aus der Haustür kam, und sich abermals ins Haus geschlichen.
FRAGE: Was haben Sie gemacht?
ANTWORT: Ich blieb draußen, weil ich keine Querelen mit dem Hausmeister haben wollte. Man weiß ja nicht, wo ich ihm wieder begegne.
FRAGE: Was sagte Peter L. dazu?
ANTWORT: Nichts. Es schien ihm egal.
FRAGE: War das Ihr letzter GEZ-Einsatz?
ANTWORT: Einige Tage später ging es wieder ins Studentendorf. Wieder waren zwei Mitarbeiter dabei. Peter L. begann wieder, an meiner Kleidung herumzumäkeln. Da ist mir der Kragen geplatzt, und ich habe etwas zu ihm gesagt, was ich in meinem Leben bisher noch zu niemandem gesagt habe. Dann habe ich mich herumgedreht und bin laut lachend zum Bus. Der Busfahrer sprach mich an, er kannte Peter L. vom Sehen. Er sei gestern bei ihm gewesen, und er habe ihn mit dem Hund weggejagt, als er aufdringlich wurde.
FRAGE: Damit endete Ihre Mitarbeit bei der GEZ?
ANTWORT: Wenn ich solch einen Menschen vor mir habe, verzichte ich doch lieber darauf.
FRAGE: Arbeitet Peter L. noch für die GEZ?
ANTWORT: Meines Wissens nach wurde ihm vom Hessischen Rundfunk gekündigt. Er war jedoch lange für die GEZ tätig.
FRAGE: Ist es möglich, dass die GEZ nichts von Peter L.s Methoden wusste?
ANTWORT: Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Es gab mehrere Prozesse gegen seine Eintreibemethoden. Die GEZ und der Hessische Rundfunk können davon unmöglich nichts gewusst haben.
Die Fragen stellte Thomas Thiel.