AW: Antenne 1: Schatzi ist weg...
Nachdem wir das geklärt haben stellt sich doch die Frage, warum eben Hot AC- Programme im europ. Ausland so wie von winnie und Radiocat beschrieben nicht klingen. Hört Euch mal Radio Kiss Kiss aus Italien an. Da moderieren "erwachsene Stimmen", und nicht diese Kreischdrüsen. Auf Kiss Kiss wird auch nicht der künstliche Hype um null Inhalt erzeugt. Und: Die Rotation ist dort nicht auf wenige hundert ausgelutsche Musiktitel mit meist seichter Prägung beschränkt.
Vielleicht wäre eine solche Analyse eine Sache für eine Diplomarbeit eines Medienstudenten, könnte man ja fast schon zivilisatorische oder geschichtliche Hintergründe miteinbeziehen.
Ich versuche mich aber mal als "Hobby-Deuter" *g*. Jedes Land und jede Region hat wohl das Radioprogramm, welches es verdient hat. Auch wenn es im Radiobereich inzwischen viele globalisierte Unternehmen gibt (wie Energy), so hört sich vorallem der Öffentlich-rechtliche Rundfunk in jedem Land anders an. Auch die Akzente, welche Privatstationen neben dem obligatorischen Werbemüll setzen, sind doch in den Ländern ganz unterschiedlich.
In Deutschland kommt man immer mehr dazu, nicht mehr langfristig zu denken, also was auf Dauer die meisten Zuhörer halten kann oder was irgendwann einmal "Kult" werden kann, sondern es geht um den schnellen Erfolg. Dieser funktioniert am einfachsten über Stilmittel, die kein langes Nachdenken erlauben. Und wenn der Erfolg dann plötzlich doch aus bleibt, dann wird hektisch umgelenkt, ein Konzept schnell umgebaut. Was zählt, ist der schnelle Gewinn und nicht der langanhaltende, dafür aber vielleicht knappere Gewinn. Steigt ein Kapitalgeber in eine Privatstation ein, dann erwartet dieser eine erquickliche Kapitalausschüttung in kurzer Zeit. Viel Geduld bekommen die Sender dabei nicht, sonst wird ruckzuck ausgestiegen und das Spielchen des Verkaufens geht von neuem los.
Mir ist einfach nur schleierhaft, warum die Öffentlichen dieses Spiel mit der Niveauspriale nach unten so konsequent mitmachen. Dabei könnten sie sich doch genau in die Lücke einnisten. Stattdessen hetzen sie den Privaten hinterher.
Der grösste Irrglaube, der hierzulande herrscht, ist der dass mit niveauvollem Programm sich kein Geld mehr verdienen läßt. Das sagen die, die zu tief im System verhaftet sind und Angst vor Veränderungen haben. Denn sollten erst einmal die wirklichen Radiomacher wieder zum Einsatz kommen, könnten viele "Nichtsblicker" ihre Köfferchen packen und sich auf die Suche nach einer anderen Branche begeben.
Und warum ist das in anderen Ländern noch nicht ganz so extrem? Nun, ich glaube Deutschland befindet sich so extrem auf einem Privatisierungsdrang wie kaum ein anderes Land in Europa. Alles, was mal Wert hatte, wird an findige Geschäftsmacher verkloppt. Es gibt keine Auflagen an Programminhalte (die eigentliche Aufgabe einer öffentlichen Anstalt wie z.B. die LfK), die einzigste Währung die zählt ist das SCHNELLE Geld. Das ist aber natürlich kein Alleinstellungsmerkmal von uns, schaut euch z.B. nur mal das Berlusconi-TV in Italien an: Sex sells, Miezen in Unterwäsche bedienen den Markt eben schneller als die Erklärung des Universums.
Was in Deutschland die Öffentlichen immer noch sehr gut können, ist die Information. Ich denke, Sender wie DLF oder Sendungen wie Monitor in der ARD sind international immernoch mit das Beste, was es gibt. Aber die Unterhaltung ist komplett privatisiert, sprich Gewinnmaximiert. In Spanien z.B., wo ich sehr oft bin, stelle ich immer wieder fest dass die Nachrichtensendungen bei weitem nicht das Niveau von DLF erreichen, aber zum Ausgleich ist das Niveau in der Unterhaltung bei weitem höher als bei uns.
Antenne 1, um den Bogen zurückzuschlagen, hatte früher auch mal mehr Anspruch ans Programm als heute. Die bayerischen Radiostationen wie Antenne Bayern oder Bayern 3 waren früher einmal Kult, nicht zuletzt aufgrund dessen dass so bekannte Moderatoren wie Jauch und Gottschalk elber Programm machen durften. Dieses Klima hat das ganze Potential, welches in manchen genialen Gehirnen schlummert, zum Vorschein gebracht. Heute darf ein Moderator sowas nicht mehr, er ist zu stark in der Zwangsjacke des Senders eingespannt.
Nicht nur im Radio, auch im Beruf, in der Öffentlichkeit oder in Freundschaften stelle ich immer mehr fest, das alles oberflächlicher wird. Gutes benehmen z.B. bekommt man heute nicht mehr von den Eltern vorgelebt, sondern lernt man in Benimmschulen. Sich richtig und gesund zu ernähren, hat man verlernt. Stattdessen schießen Muckibuden und Diätkurse wie Pilze aus dem Boden. Materialistische Werte haben ideele abgelöst. Und wir denken immer noch, dass muß so sein wenn man nicht "kommunistisch" rüberkommen möchte. Dabei hatte die Bundesrepublik ihre wirtschaftliche und kulturelle Blüte, als man es verstanden hat, effizient zu wirtschaften und gebildete Werte gleichzeitig zu betonen.
Soll sich jeder sein eigenes Urteil bilden.