AW: Fragen zur Gründung eines Internetradios
Und wer sollte das dann prüfen? Nicht, daß ich die Idee eines Führerscheins nicht gutheißen würde, aber hier geraten wir in eine Situation, die leicht ausufern kann.
Ich spreche jetzt mal aus meiner eigenen Erfahrung, da ich ja selber, obwohl ich erst seit knapp 2 Jahren das Medium Internetradio bewußt wahrnehme, bei diversen Webradios mitwirken durfte. Die Gründe dafür gereichen mir sicher nicht zu Ruhm und Ehre, aber ich empfinde die Erfahrungen, die ich dadurch sammeln konnte als äußerst wertvoll.
Ich denke, daß ich dadurch Gelegenheit hatte, viele der Mißstände, die hier immer und immer wieder angeprangert werden, auch am eigenen Leibe zu erleben, von der Konzeptlosigkeit bis hin zu absoluter Unfähigkeit.
Interessante Fragen hat hier Inselkobi gestellt:
Warum "macht" jemand Webradio?
Ich denke neben den schon angeführten Gründe gibt es noch weitere, von denen (vermutlich) ein wichtiger ist, daß das ganze eine Modeerscheinung ist. Je mehr Leute damit (je schneller) auf die Nase fallen, umso besser, dann ebbt das Interesse auch wieder ab und übrig bleiben die mit genügend Standkraft - und/oder Qualität. Diese "natürliche Selektion" sollte an sich über einen längeren Zeitraum garantieren, daß nur ansprechende Projekte überleben - nur würde das bedeuten, die Rechnung ohne den Wirt zu machen, da, wie ja bereits angedeutet, eine ganze Reihe solcher Projekte existieren, die lediglich Omas Frittenbude (oder vergleichbares) beschallen sollen.
Was also ist Internetradio?
Und genau das ist die - meiner bescheidenen Meinung nach - interessante Frage. Ist Internetradio der "verlängerte Arm" der UKW-Boliden in das Netz? Ist es ein Tummelplatz für (Achtung, Polemik!) arbeitslose Profilneurotiker? Oder ist es eine einmalige Chance, sich völlig unvoreingenommen mit einem Medium auseinanderzusetzen und eventuell sogar noch Erfolg dabei zu haben, für das man an anderer Stelle (UKW) lange und hart arbeiten muß? Ich sehe die Antwort wie immer in der Mitte und genau da fangen auch schon die Schwierigkeiten für einen Führerschein an. Was sollte erlaubt sein und was nicht? Und vor allem: *wer* erlaubt das?
Noch einmal, ich halte die Idee eines Führerscheins nicht für grundsätzlich falsch - aber für weitgehend undurchführbar, weil schon allein die Festlegung der "Schwellwerte" scheitern dürfte. Würde man diesen Gedanken weiterführen, müßte man dann nämlich konsequenterweise auch einen Führerschein für's Internet fordern, weil auch hier eine komplexe Technologie zu meistern ist, von der bestimmt 99% der Nutzer (wenn nicht mehr) nur unzureichend Ahnung haben. Die Werbung suggeriert uns "Boah, ich bin ja schon drin" - aber was für hochkomplexe Maschinen da mit der Durchführung beaufschlagt sind, das verschweigt die Werbung. Im Prinzip der gleiche Mechanismus wie bei den Webradios (leider).
In einer idealen Welt würde man sich auf die Vernunft des Teilnehmers verlassen können - ich habe ja schonmal angedeutet, ich bin alles andere als ein Profi - aber ich habe allein durch dieses Forum in kurzer Zeit so viel über dieses Medium gelernt, daß ich zumindest den Themen hier weitgehend folgen kann - teilweise sogar mal meinen Senf dazu geben. Würden das mehr Leute machen, wären auch die zu beobachtenden Symptome weniger, da bin ich mir ganz sicher.
Was kann Internetradio sein?
Darauf möchte ich mit einer Gegenfrage antworten - was kann Internetradio *nicht* sein? Und - wieder viel wichtiger - wer sollte das festlegen? Unsere Welt verändert sich ständig und niemand kann wirklich wissen wohin. Das Aufstellen von willkürlichen Grenzen sehe ich hier mehr hinderlich als förderlich.
Was sollte Internetradio werden?
Siehe oben - ich wäre absolut dagegen hier generelle Vorschriften zu erlassen. Radio (und damit Internetradio) lebt doch von seiner Veränderlichkeit, ansonsten landen wir schnell bei dem, was in der UKW alle verteufeln mittlerweile: beim Formatradio. Unsäglicher Einheitsbrei in dem Individualität keine geschätzte Eigenschaft mehr sondern als Problem gesehen wird.
Was braucht Internetradio um was zu werden?
Da stellt sich wieder die Frage: wie definiere ich "was werden"? Ist damit (bitte nicht!) kommerzieller Erfolg gemeint? Viele Hörer? Die längsten Zuhörzeiten? Möglichst wenig Abweichungen von einem wie auch immer gearteten Forderungenkatalog? Ich formuliere das mit Absicht ein wenig polemisch, also bitte keinesfalls persönlich nehmen, mir geht nicht darum, "schlechte Qualität" gutzuheißen oder den allgemeinen Schluder zu entschuldigen - ich möchte nur für die Komplexität des Themas sensibilisieren und "populistische Schnellschüsse" verhindern. Ich denke, dem Internetradio an sich tut man derzeit den größten gefallen, indem man - durchaus auch kontrovers - darüber diskutiert.
Internetradio braucht m. E. um wirklich richtig was zu werden in der Tat professionelle Unterstuetzung und gewissen Auflagen. Dem UKW aehnlich!
Auch wenn es jetzt so aussieht, als widerspräche ich mir selber: ja! Zumindest was "professionelle Unterstützung" angeht. Seit Anbeginn aller Zeiten eignen wir uns komplexes Wissen nun einmal durch "lernen" an - entweder durch "Abschauen" oder durch regelrechten Unterricht. Dies setzt allerdings das Vorhandensein der entsprechenden Möglichkeiten voraus und hier ließe sich auch im Internetradiobereich durchaus einiges "reißen". Aber. Und zwar ein ganz dickes: wer tut dies freiwillig? Wer nimmt einen jungen Kollegen an die Hand und sagt einfach mal so "Komm, ich zeig Dir das"? Hier ist sehr viel Eigeninitiative gefragt, man muß sich die Informationen (teils recht mühselig) zusammenklauben. Das frustriert ab und zu ganz schön und auch wenn ich es bestimmt nicht gutheiße, kann ich jemanden, der voller Ungeduld ein Internetradio aufmacht, weil's ja so schön einfach ist *ohne* sich vorher umfassend informiert zu haben, zumindest ansatzweise *verstehen*. Ob man durch Auflagen etwas erreichen könnte, wage ich hingegen zu bezweifeln - nicht wegen der Auflagen an sich sondern wegen der schieren *Masse* an Auflagen, die konsequenterweise nötig wären.
Der Vergleich mit den UKW Stationen zeigt es deutlich: Hier gibt es haufenweise Auflagen, die beachtet werden müssen, von denen ich garantiert noch nicht einmal weiß - aber einfach mal angenommen, ich würde einen UKW-Sender eröffnen wollen, würde ich, selbst mit noch so genialem Konzept scheitern, weil ich garantiert nicht alle Auflagen kenne und bis ich loslegen könnte entweder meine finanziellen Mittel oder meine Geduld erschöpft wären. Nu kann man sagen, daß ist auch besser so, daß der McCavity keinen UKW Sender aufmacht (glaube ich auch, btw), aber würde ich das jetzt auf das Web übertragen sieht das wieder anders aus: Wenn ich einen UKW Sender falsch Betreibe, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß ich damit wirklichen Schaden anrichte (bis hin zu körperlichen Schäden bei falsch eingestellten Sendeanlagen). Dies sehe ich beim Webradio nicht ganz so dramatisch. Den größten Schaden, den ich anrichten kann, ist, daß keiner meinen Mist hören will. Wenn ich schlau bin, merke ich das irgendwann und schalte meinen Krempel ab. Natürliche Selektion eben.
Muss denn wirklich jeder "Hinz & Kunz" ein Internetradio aufmachen und versuchen cool zu sein?
Ja, warum denn nicht? Und gleichzeitg: nein! Bloß nicht! Diese Frage kann man nur dual beantworten. Noch einmal: Niemand ist verpflichtet, sich ein "Webdingens" anzutun. Von den Keine-Ahnung-Wieviel-Tausend Webradios, die es so gibt, "kenne" ich vielleicht 50 ("Kennen" im Sinne von "schonmal draufgecklickt/reingehört"), länger "verfolge" ich dabei vielleicht 10 Projekte und regelmäßig höre ich 2 - 3. Der Rest vegetiert - aus meiner Sicht - im undurchsichtigen Dunkel des Web vor sich hin, bis ich *vielleicht* mal darauf aufmerksam werde. Wenn's mir ned gefällt, komme ich nicht wieder, ich bin ein mündiger Hörer. Wenn das alle so machen, haben die grausamsten Dingens ihre fanatischen Stammhörer und wenn ihnen das reicht, ist das doch toll. Oder die Betreiber merken irgendwann, daß ihr Konzept doch nicht so toll ist und passen sich entweder an oder geben auf.
Fuer Internetradio sollte eine Art von Lizenzpflicht eingefuehrt werden, die mit jaehrlicher Kontrolle verbunden ist, in der es um folgende Punkte geht:
- Finanzierung (mindestens 1 Jahr im Voraus muss gesichert sein)
- Serversicherheit
- Fuehrungsqualitaet
- Moderatorenqualitaet
Wie ich schon gesagt habe, vordergründig hört sich das sehr vernünftig an und wäre sicherlich auch umsetztbar - aber wir sollten uns wirklich fragen, ob wir das wirklich wollen. ich stelle noch einmal die Kernfragen:
- Wer legt die Kriterien für eine erfolgreiche Lizensierung fest?
- Wer kontrolliert die Einhaltung dieser Kriterien (Aufwand)?
- Was erreichen solche Lizenzen tatsächlich? Läßt sich die Qualität wirklich (dauerhaft) steigern, wird Internetradio dadurch zu etwas, was nur der nutzen kann, der es sich leisten kann, oder würde damit sogar ein ähnliches Phänomen geschaffen, wie das des Formatradio auf UKW?
- Geben wir damit vielleicht sogar wieder einen Teil Freiheit auf?
Ich gebe zu, gerade die letzte Frage ist polemisch, aber mit voller Absicht. Auch wenn ich hier nicht gleich wieder das Schreckgespenst des Überwachungsstaates an die Wand malen will, ich plädiere immer für Freiheit gegenüber (übermäßiger) Kontrolle.
Aber!
Das löst auch nicht die Probleme, derentwegen dieser Thread existiert und wie ich ja schon andeutete, kann ich den Ideen durchaus auch einiges abgewinnen. Ich würde es aber deutlich begrüßen, wenn so etwas auf Mündigkeit und nicht auf Zwang fußen würde. Schlechtes Design oder fehlendes Konzept kann man nicht bestrafen und wo sich Internetradios außerhalb der existierenden legalen Grenzen bewegen, mögen sie der lange Arm des Gesetzes ihrer harten und gerechten Strafe zuführen. Und Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.
Was ich hingegen für sehr sinnvoll erachte, sind Foren wie dieses, die ein wahres Füllhorn an Information bieten und Hilfe für den, der sie wirklich sucht (und sich auch schon ein Stück weit selbst zu helfen weiß).
Lizenzen gibt es ja schon - durch GEMA und GVL, diese könnte man meines Erachtens sinnvoll durch eine "Aufklärungsbroschüre" oder Webseite oder was auch immer ergänzen, in denen ein paar "Grundregeln" erläutert werden, mit entsprechenden Hinweisen auf weitere Informationen (zum Beispiel dieses und/oder andere Foren), insbesondere zu Urheberrecht. Dies sehe ich aber als schwierig an, weil dadurch möglicherweise Kunden "abgeschreckt" werden könnten - auf der anderen Seite würde es aber sicherlich Kunden bringen, die länger bleiben und nicht nach einem halben Jahr aufgeben (müssen). Aber das leigt natürlich in den Händen der Gesellschaften.
Und auch der "Internetradioführerschein" wäre sicherlich eine sinnvolle Maßnahme - aber meines Erachtens nur so, wie es irgendwo früher schonmal diskutiert wurde, in Form freiwilliger Kontrollen. Es spricht absolut nichts dagegen, wenn hier Kriterien festgelegt werden, nach denen sich Internetradios bewerten lassen. Erlaubt man dann den Radios, sich der Prüfung zu unterziehen (auch wiederkehrend oder mit "Mängelberichten"), ließe sich dadurch u.U. ein "Gütesiegel" schaffen, das in der Branche Anerkennung findet und dann eventuell auch dem Hörer mal sagt (nur als Beispiel): "radioforen.de geprüft: 2008" daß sich der entsprechende Kandidat in diesem Jahr einer erfolgreichen Prüfung unterzogen hat.
Ergo:
Medienkompetenz - Ein klares JA!
Das würde ich auch sehr unterstützen und gehe deshalb weiter radioforen.de (und andere Quellen) studieren, um mir solche zu erarbeiten
LG
McCavity