AW: Frage an die Musikredakteure: Wer ist Olli Schulz?
Herbst 2003: Wir sind Helden spielen in Jena. Der Radiowaves, absoluter Spätzünder, wagt sich auf sein allererstes Konzert - mit 29 Jahren! Das F-Haus war zu klein, das Konzert wurde in die POM-Arena verlegt. Gespanntes Warten... dann ein Typ mit Gitarre und Trainingsjacke. "Hallo, guten Abend, ich bin Olli Schulz..." - meine Begleiter verziehen das Gesicht. Das, was dann folgte, fanden sie große Panne, ich fand es großes Kino. Ein Mann, der wirklich Geschichten zu erzählen hat, lustige und traurige, nachdenkliche und durchgeknallte, wahre und schelmenhaft erlogene.
Ich bin in der Umbaupause sofort zum Merchandising-Stand. Nein, sie hatten nix, aber das Album käme bald. Und Olli ist soooo großartig, ließ mich die junge Frau dort wissen.
Isser auch. Sein erstes Album heißt "Brichst Du mir das Herz, dann brech ich Dir die Beine" und ist melodiös, ernst, nachdenklich, brüllkomisch und einfach nur klasse.
17.10.2005: Olli Schulz und der Hund Marie (Max Schröder) spielen mit Band bei Fritz ein Studiokonzert. Das heißt, sie wollten mit Band spielen, die Band steckte aber bei Pritzwalk im Stau und Olli mußte mit Max in Minimalbesetzung antreten. Geniale Stimmung im Studio, es blieb kein Auge trocken. Olli erklärte, warum er soviele Songs auf Lager hat (er wurde schließlich 3 Jahre lang von Pferden in einem unterirdischen Reich - Horseworld - unter der Trabrennbahn Hamburg Bahrenfeld gefangengehalten und hatte genug Zeit, Songs zu schreiben), Olli intonierte "Safe Tonight" von Eagle-Eye Cherry neu ("Baby du weißt, es sieht nicht gut aus, denn wir beide sind so arm. Doch ich hab da einen Plan: also mach dich bereit und komm mit an den Safe tonight, da holen wir alles raus, das geben wir gemeinsam aus."), lud junge Frauen auf einen kleinen Snickers ein, disste Bushido und Sido und verteilte das für die Band vorgesehene Catering (Chicken Wings) im Publikum. Für mich bislang das unvergeßlichste Konzerterlebnis.
Herbst 2006: ich kam mit Anne von Radio Top40 in Diskussion über Tomte, meinte, sie solle doch mal Olli Schulz anhören, der war ja schließlich auch mal beim Hamburger GHvC-Label und drückte ihr einen akustischen Appetizer in die Hand. Die Folgen waren katastrophal: Anne quälte ihr gesamtes Umfeld mit Olli, machte das aktuelle Album zur CD der Woche bei Radio Top40 und schaffte es dann auch noch, Olli Schulz im Oktober 2007 auf der Top40-Zwiebelmarktbühne in Weimar spielen zu lassen - vermutlich der geilste Act an diesem Abend in der ganzen Stadt. Wann immer Olli auf Top40 läuft, kann ich mir ein schelmenhaftes Grinsen nicht verkneifen...
Herbst 2006: Olli Schulz mit seinem Kumpel Walter "Screamingrock" Schreifels im Postbahnhof zu Berlin. Mittendrin fällt der Strom aus, Bier im Mischpult (oder zumindest tat man so). Olli schlenderte seelenruhig durch die Menge zur Bar, kletterte auf den Tresen und spielte dort akustisch weiter.
Das neue Album "Warten auf dem Bumerang" tröpfelt schon vorab im Herbst 2006 durch und landet in den Tauschbörsen. Doch was ist das? Statt der erwarteten Songs von Olli gibt es schauderhafte, brüllkomische Trash-Nummern von Bibi Mc Benson, Ollis zweitem Ich, mit dem er seine Vorliebe für den eher gröberen Humor auslebt. Der Mann hat ein komplettes Album extra zur Verarsche der Downloader eingespielt und unters Volk geschmuggelt. So muß es sein!
März 2008: Olli ist wieder mit Walter auf Tour und ich sehe die beiden im Rosenkeller Jena. Rappelvoll, keiner paßt mehr rein. Die beiden laufen zu absoluter Hochform auf und stemmen diese Tour tatsächlich alleine: Olli verkauft nach dem Konzert eigenhändig den Merchandising-Kram und bietet den Leuten Kaffee und Bier an. Ich trage ihm dann die Kiste mit den CDs und T-Shirts zum Auto, wobei noch ein nettes Gespräch mit dem absolut bodenständigen, ernsthaften Schelm zustandekam. Anschließend verkrümelten sich die beiden zu einem der kleinsten und schlechtesten Hotels in Jena.
Spieltipps: "Rückspiegel", "Jetzt gerade bist du gut", "Elefanten", "Weil die Zeit sich so beeilt", "Unten mit dem King", "Spürhund", "Der Moment", Das letzte Königskind", "Bettmensch", "Wenn die Music nicht so laut wär'", "Unsichtbarer Vogel" (mit dem Song bewies mir Olli, daß er verstanden hat, wie die Welt funktioniert). Und auf dem wunderschönen und traurigen "Armer Vater" singt Judith Holofernes im Background. So schließt sich der Kreis.
Für Breitband-Junkies:
fast alles sehr zu empfehlen, wenn denn a) Humor vorhanden ist und b) auch low-quality-Publikumsvideaos ertragen werden.
Und hier sind die Songs, die Olli Schulz für Fritz eingespielt hat.
Aufguß! Aufguß!