AW: Sparpläne beim BR nehmen Form an
Das Zitat liest sich wirklich erschreckend selbstentlarvend. Aber von wo stammt es?
Es stammt aus den
Nürnberger Nachrichten und deckt sich weitgehend mit einem standardisierten Schreiben, mit dem die B1-Hörerredaktion auf die zahlreich eingehenden Protestschreiben reagiert. Konkrete Fragen zu diesem Thema werden schon lange nicht mehr beantwortet.
Diese Aussagen zeugen nicht nur von Kaltschnäuzigkeit und Ignoranz, sondern auch von einer erschreckenden Unkenntnis musikalischer Grundtatbestände. Einige Passagen sind sogar absolut unwahr, wie die Mär von der "repräsentativen Umfrage" oder der gewissenhaften Meinungsforschung, die der Sender zu betreiben vorgibt.
Wie kann man davon ausgehen, dass die eigenen Hörer so stupide sind, Musik ausschließlich nach der Sprache der Liedtexte zu beurteilen? Hier liegt ein radikaler Denkfehler der Werbebranche vor, der sich auf juvenile Vorurteile aus den frühen 80er-Jahren stützt, die im Radiobusiness seitdem unablässig wiedergekäut werden. Es gibt im Bereich der deutschen Unterhaltungsmusik jede Menge hochwertiger Produktionen, die exakt den Geschmack der mittleren Altersgruppen treffen und sich hervorragend in ein eher retrospektives Musikformat einfügen. Auch heute gibt es neben Billigproduktionen noch jede Menge hervorragender deutschsprachiger Musikstücke, sei es aus den Bereichen Schlager/Volksmusik, Deutschrock oder Songwriter/Chanson. Die Grenzen zwischen den eben genannten Stilrichtungen sind mitunter fließend und abhängig von der Machart lässt sich ein Stück mal mehr, mal weniger als "Deutsch-Pop" qualifizieren.
Wer heute, wie ich meine zurecht, auf die dürftigen Produktionsbedingungen vieler Schlagererzeugnisse hinweist, darf nicht unterschlagen, dass der mitunter recht anspruchslose Dance-Pop, der auf den meisten AC-Wellen sein grenzenloses Unwesen treibt, um kein Jota besser ist. Gegen Teenie-Pop ist prinzipiell nichts einzuwenden, in Programmen mit vorwiegend erwachsener Zielgruppe ist er jedoch meist fehl am Platz.
Im Falle von "Bayern 1" haben wir es mit einer geradezu wahnhaften Schlageraversion zu tun, die Schlager jedweden Alters unabhängig von Qualität oder Herstellungsweise umfasst, sofern der Titel jemals mit der Genretypisierung
Schlager "getaggt" wurde. So eine radikale Sichtweise herrscht noch nicht mal beim Programmverjüngungs- und Rationalisierungsweltmeister RBB. "Bayern 3" läuft schon seit Jahren der Antenne hinterher und versucht den privaten Umfragekönig nach Kräften und ungeachtet der damit einhergehenden Selbstentblößung renditehungriger BR-Radiomanager zu imitieren und auszubooten.
Wenn es denn wirklich wahr ist, dass etwa die Hälfte der 14-70-Jährigen "inzwischen zu Musikformaten tendiert, wie sie von Pop- und Rocksendern angeboten werden" (was auch immer damit gemeint sein mag), wäre es doch wohl selbstredend,
dass sich eine öffentlich-rechtliche Anstalt wie der Bayerische Rundfunk notwendigerweise um die andere, wenn auch nicht ganz so "lukrative" Hälfte zu kümmern hat, zumal es mit der Lokalradioschiene in Bayern schon ein Übermaß an stereotyper Oldie-/AC-Beschallung gibt. Aber das will den profitgierigen Programmverantwortlichen nicht in den Kopf.