Das Urteil, wenn man der Kurzbegründung im Original folgt, ist außerordentlich widersprüchlich. Richtig ist, dass wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk benötigen. Darum ging es in den anhängigen Verfahren auch nicht. Letztlich ging es um die Finanzierung. Es geht auch nicht darum, ob ich die Öffis nutze oder nicht. Es geht darum, dass es zu einer Finanzierung im Rahmen eines gesellschaftlichen Beitrags geht. Es ging darum, ob die Erhebung nach Haushalten dem Gleichheitsgrundsatz entspricht.
Wenn man sich die Begründung zur Erhebung des Beitrages in Bezug auf Zweitwohnungen anschaut, so basiert die Entscheidung maßgeblich darauf, dass man sich nur in einer Wohnung aufhalten kann und somit eine Ungleichbehandlung gem. Art. 2 I GG besteht. Soweit so gut. Die Entscheidung ist diesem Punkt ist richtig und logisch.
Im Prinzip ist die Situation in Bezug auf die Mietwagen ähnlich. Ob ich im eigenen Fahrzeug unterwegs bin oder mit einem Mietwagen, ist egal. Ich kann zum selben Zeitpunkt nur in einem Fahrzeug sein: Im eigenen Fahrzeug oder im Mietwagen. Und für den eigenen Wagen zahle ich ja den Beitrag ja schon. Nicht zuende gedacht? Es könnte die bessere Hälfte ja im Privatwagen fahren, während ich dienstlich den Mietwagen nutze? Wurscht, denn wenn die bessere Hälfte in der Zweitwohnung im Allgäu hockt, höre ich daheim Radio. Das findet das BVG korrekt. Ist es aber nicht. Es ist, gerade im Hinblick auf die erstgenannte Teilentscheidung geradezu absurd und in keiner Weise stringent.
Die Argumentation ist zudem weltfremd. Ernsthaft sah man in der Bereitstellung von Radios in Mietfahrzeugen einen Grund, überhaupt Fahrzeuge zu mieten. Der Hinweis auf Verkehrshinweisen durfte nicht fehlen. Ja, wenn man vielleicht wie Bundesrichter keine Dienstwagen, die 10, 15 oder 20 Jahre alt sind, fährt, dann mag man auf Verkehrshinweise von Radiosendern angewiesen sein. Aber wieso eigentlich von Öffis? Aber gut, Nebenkriegsschauplatz... . Wenn Herr Kirchhof und seine Kolleginnen und Kollegen einmal einen Mietwagen in Anspruch genommen hätten, dann hätten sie feststellen könne, dass ab Kompaktklasse bei den Vermietern heute Navis mit dynamischer Routenführung üblich sind. Hätte, hätte Fahrradkette. Und wenn man überlegt, dass in Deutschland rund 90% der Vermietungen geschäftlich/gewerblich sind, dann dürfte übrigens klar werden, dass die Nutzer (die übrigens zuhause schon Beitrag entrichten), nicht wegen eines Radios das Fahrzeug mieten, sondern es mieten MÜSSEN, weil sie es GESCHÄFTLICH brauchen. Sonst wird das mit dem Kundentermin nix. Das war wirklich lebensfremd!
Aber es kam noch doller. Es ging auch darum, ob Singlehaushalte gegenüber Wohngemeinschaften und Familien benachteiligt werden. Denn der Beitrag wird nur pro Haushalt erhoben. Das BVG vertrat ernsthaft die Ansicht, dass man in Gemeinschaft die Angebote der Öffentlich-rechtlichen Anstalten nutzt. Das hat mit wirklich die Schluffen ausgezogen! Wie soll ich mir das vorstellen? Die WG sitzt romantisch bei einem Glas Rotwein der gehobenen Discounterklasse gemeinsam vor dem Fernseher (womöglich noch Röhre...) und schaut "Wetten dass...?". Ach, das gibt es ja nicht mehr. Ein Relikt der 80er. Genauso, wie die Vorstellung des BVG. Es mag in Ordnung sein, dass man den Beitrag pro Haushalt und nicht pro Kopf erhebt. Aber derartige Begründungen lassen einen nur ratlos zurück. Das BVG hat heute in aller Öffentlichkeit dokumentiert, dass sie nicht einmal ansatzweise die Nutzungsveränderungen zu Kenntnis genommen haben. In diesem Punkt gehen sie nämlich wörtlich von einer überwiegenden Nutzung in den Wohnungen aus. Herr Kirchhof, wo leben Sie eigentlich? An anderer Stelle wurde, wenn ich mich recht entsinne, die mobile Nutzung hervorgehoben. Das zur Stringenz.
Am Ende hat das BVG dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und sich selbst einen Bärendienst erwiesen. Denn ein nicht kleiner Teil der Bevölkerung hat mitgenommen, dass das BVG die "Zwangsgebühr" (erneut) abgesegnet hat. Mit der Begründung, sofern der geneigte Nutzer hier noch nicht abgeschaltet hat, dokumentiert das BVG nur, dass es auch zum Establishment gehört, welches sich von der Basis wie Politiker und "die anderen da oben" entfernt hat. Und am Ende ist die Verwunderung groß, dass Parteien wie die AfD immer mehr Wähler gewinnen. Herr Döpfner hat es heute im Meedia Interview auf den Punkt gebracht. Titel: "Die alte Garde ist am Ende - und zwar überall"
https://meedia.de/2018/07/18/die-al...on-leadership-modellen-in-politik-und-medien/.
Bevor Kritiker hier losschlagen:
1. Ja, wir brauchen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in diesen Zeiten - mehr denn je (vielleicht nicht einem solchen Übermaß)
2. Nein, bevor ich Populisten wähle, hacke ich mir die Hand ab!
3. Ja, es gibt Lösungen: Ernsthafte Reform des Öffi-Modells und wirkliche, ernsthafte Sparmaßnahmen (auch bei Mehrfachstrukturen, Altersversorgungen und Gedöns) und damit verbunden eine Reduzierung der Beiträge. Warum nicht Grundversorung (beitragsfinanziert) und Zusatzangebote gegen Entgelt (die Zeiten einer umfassenden "Gesamt"-Versorgung sind vorbei.
Aber um auf das Urteil zurückzukommen:
Die Entscheidung bzgl. der Zweitwohnungen ist richtig. Die Entscheidung bzgl. der Mietwagen ist dies nicht und die Begründung absurd. Die Abstellung auf Haushalte ist nicht wirklich gerecht, aber, da kann man dem BVG mit mehr oder weniger Schmerzen folgen, im Rahmen der Entscheidung. Dass es keine Demokratiesteuer ist (und damit in Bundeszuständigkeit), ist am Ende lediglich für den Bürger eine Formalie. An der grundsätzlich legitimen Finanzierung der Öffis hatte das BVG nichts auszusetzen. Wäre, betrachtet man die bisherige Rechtsprechung, auch etwas überraschend gewesen.