Hallo liebe Forengemeinde,
seit einigen Wochen arbeite ich nun ehrenamtlich in der Sendetechnik für das Freie Radio Corax in Halle/Saale.
Herzlich willkommen im UKW Radio-Broadcast.
Was ist mit Sendedienst gemeint?
muss hier beim Wechsel der Quellen (Ende einer Livesendung) händisch das Studio zum Playout-PC faden
Machen wir auch so. Aber ohne besonderen "Dienst".
Am Ende einer Live Sendung zieht der Moderator, den mAirlist Fader hoch und schaltet das Mischpult auf
off air Betrieb, so das man das Studio z.B. für Vorproduktionen off air verwenden könnte.
Der mAirlist Fader mit der Musikautomation bleibt in der Live sendefreien Zeit on air. Und wird vom letzten Nacht-Moderator mit einer transparenten Kappe gegen versehentliches Fehlbedienen, gegen Funklöcher, abgedeckt. Jeder der hier im Sendestudio produziert weiß das, wie man das Mischpult von Off air auf on air umschaltet und wie man den mAirlistfader runter bzw. wieder hochzieht. Es ist simpel.
- am Yellowtec YT2000 Intellimix (soll wohl gar nicht für Broadcast geeignet sein
) - und in mAirList auf "Play" drücken.
Ist doch super. Die Intellimixer sind kleine professionelle Vorproduktionspulte einer rennomierten Firma und sie erfüllen alle technischen Broadcastparameter an eine perfekte Radioproduktion. Klar etwas zu wenig Quellen und Fader, aber ok.
Auch das manuelle auf "Play" drücken ist völlig ok und sehr ergonomisch. Ich kenne viele weitere kleine Radiosender die ähnlich zwischen Live on air Produktion, zur Musikauspielung (mAirlist) übergangslos wechseln. Das geht problemlos und erfordert keine besonderen Kenntnisse, wenn man es einmal mit einem erfahrenen Sendungsproducer geübt hat. So erhält man eine sehr hohe Flexibilität und Zeitpunkt unkritische Umschaltungen. Das von außen (Techniker) zu steuern oder per "Zeitschaltuhr" irgendwo fest einzuprogrammieren hätte keinerlei Vorteil.
Dieser sehr händische Vorgang ist durchaus gewollt und macht ja den Reiz des NKL-Radio aus.
Das muss doch keine Maschine steuern?
Es sei denn es gibt eine Regie mit Schaltraum in der Tag und Nacht Techniker sitzen, die die Zuspielungen
aus allen Studios, Zuspielern, Übertragungscodes und Telefon Calls, Musikzuspielungen, Sekunden genau routen und auf den Ausspielweg schicken müssen. Da gibt es eine entsprechend große, programmierbare, steuerbare Routing Matrix, die man auf großen Broadcast Messen immer bewundern kann. Technisch machbar ist das mit deutlichem Invest und Stellenbesetzung.
Dieser Aufwand lohnt sich nur für große Funkhäuser, mit mehreren Wellen und viele Studios im ganzen Land.
Die Summe des ganzen geht dann noch durch einen Orban Optimod 2200, Multiplexer und für den Notfall gibt es einen Sonifex Silence Detector der eine Notfallschleife von SD-Karte abspielt.
Perfekt.
Auf die Reise soll das ganze angeblich in HE-AAC(!) per Standleitung zu Divicon Media gehen die es per UKW ausstrahlen.
Bis 2017 hatte man eine PCM-Leitung zu Media Broadcast, keine Ahnung warum das beim "neuen" Dienstleister durch den Gruselcodec muss und für 1s Latenz sorgt.
Dazu muss man ein bisschen Historie kennen.
Die "MediaBroadcast" hat ihr gesamtes UKW-Sendernetz vor einigen Jahren abgestoßen und alle Funktürme und Senderstandorte verkauft.
Diese PCM-Telekomleitung (vermute je nach Alter noch eine klassische analoge vier-Draht-Telefon- Standleitung mit Entzerrer Vorverstärker?) stammt noch aus der Zeit als die "Telekom Media Systems" das UKW Sendernetz in Deutschland betrieben hat und natürlich auch die Leitungen über die Schwesterfirma Telekom vermietet hat. Hat MediaBroadcast dann samt Leitungen irgendwann gekauft. MediaBroadcast wurde durch französische Invenstoren übernommen. Dann wurden Jahre später alle UKW-Sender quasi "über Nacht" verkauft. Dabei haben viele kleine Sender ihren Sender-Mietvertrag und die physikalischen Sender verloren, weil sie meistbietend versteigert werden sollten. Die meisten Radiostationen haben aber den eigenen Sender "gekauft" und lassen sie nun von anderen UKW-Servicedienstleistern weiter betreiben. Diese "neuen" UKW Service-Dienstleister, wie Divicon Media haben andere Hardware, andere Sender und andere Übertragungscodecs.
Für den benutzte Codec am Übergabepunkt im Studio und im Sender, ist ACC (vermute es ist nur ACC ohne HE davor) zwar ein verlustbehaftetes aber mit hohen Bitraten ein gutes modernes Audio Übertragungsprotokoll. Andere benutzten mp3, ISO MPEG, vielleicht sogar noch Musictaxi usw. Es hängt lediglich von der Übertragunsgrate ab. Er wird vermutlich mit mindestens 256 kbit/s betrieben besser noch 320 kbit/s und ist damit unhörbar verlustfrei für die saubere stereo Übertragung von Radio Programmen geeignet. BTW die Latenz von einer Sekunde ist super kurz, höre ich mir hier unser TV-Kabel-Signal im Radioempfangsbereich zurück, seid ihr die Gewinner. Wozu auch? Diese Latenz zur Antenne ist irrelevant. Es sei denn man will im Studio ausgerechnet das Antennen-Radiosingnal über einen UKW Ball-Empfänger zurückhören, beim Moderieren, während man selber spricht. Das macht man nicht mehr. Wozu?
Das Audio-Radiosingnal auf der Antenne endet mit ihrem Audio-Frequenzbereich sowieso bei 16 KHz, das schafft ACC problemlos. BTW in allen großen Funkhäusern stehen solchen Codecs mit unterschiedlichen Übertragunsgprotokollen, um Sternschaltungen (ARD Nachtprogramm etc.) durchführen zu können. PCM benötigt zu viel Bandbreite, vor allem wenn man zig Streams über das Internet aufsetzen muss.
So gesehen verliert dieser "Gruselcodec" damit seinen Grusel und steht auf der professionellen Broadcast Seite. Alles ok, feines Teil. Fragt doch mal Divicon nach den Übertragungsgparemetern des Codecs.
Meine Frage wäre, wie machen es die großen Sender, sowohl ÖRR als auch die Privatdudler?
Es wird ja nicht 24/7 aus einem Studio gesendet. Wenn z.B. eine Hörspielnacht läuft lässt man ja nicht einfach das Studio an, oder?
Doch, unsere Studios sind immer 24/7 an.
Man könnte jederzeit reingehen das Mischpult auf on air schalten und das Mikrofon hochziehen.
Die Radio Broadcast Mischpulte sind dafür übrigens gebaut.
Anekdote, ein digitales D.MAX Mischpult ist mit wenigen kurzen Wartungs-Unterbrechungen 20 Jahre durchgelaufen, bis es vom Nachfolger Pult (im laufenden Betrieb an einem Wochenende) durch ein DHD 52/SX ersetzt wurde. Das jetzt auch ohne einen einzigen Ausfall seit vielen Jahren läuft. Radio Broadcast Mischpulte haben keinen Ausschalter! Wir schalten nur das Licht und die Aircondition im Studio ab und gehen nach Hause.
Gibt es da auch Leute die den Job haben das Programm mitzuhören und die Quellen per Hand zu wechseln oder geht das da moderner und einfacher? Vielleicht sogar ganz automatisch?
Nein, diesen technischen Job könnten wir nicht bezahlen und er ist auch völlig unnötig. Wozu?
Unsere Redaktion und hier insbesondere die Musikredakteure bestücken die mAirlist mit dem was ausgestrahlt wird: Musik, komplette Format-Vorproduktionen, Streamübernahmen von anderen Radiosendern über Internet, die Jingles mit unserer Senderkennung, Veranstaltungstipps, im Live-Programm gelaufene Audiobeiträge in Wiederholung und noch mehr Musik die nach Tag-, Nacht-, Morgens- und Wochend-Rotationen eingestellt wird.
Das wird vom mAirlist
voll automatsich ausgespielt.
Die kann das alles, auf Wunsch sekundengenau.
Am Ende einer Sendung drücken wir ähnlich, aber anders wie bei euch, auf "Play".
Ich würde mich sehr interessieren, wie diese von mir genannte interne Signalkette bei anderen Sendern aussieht.
Genau so. Nur haben wir keine Silentdetection. Ist aber in Planung.
Bei weiteren Fragen, frag bitte gerne weiter. Es gibt bestimmt noch drölfzig weitere Themen?
Bisher hörte sich alles Beschriebene von Dir "völlig normal" an.
Das kann aber für einen ÖRR-Techniker aus einem großen Funkhaus ganz anders sein.
Viel Erfolg mit dem Technik Zoo und allen Produktionen!
Gruß Codo