Bayern1 und der Oldiewahn

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Wobei manche, wie manche Vorredner geschrieben haben, durchaus auf die außerbayerischen Sender ausweichen. Weit verbreitet sind ja SWR 4, hr 4, MDR 1, dann ORF Radio Salzburg, ORF Radio Oberösterreich, ORF Radio Tirol oder auch im Südwesten zum Teil auch Schweizer Radio.

Sofern man den Berichten hier Glauben schenken darf, sind MDR1 und ORF OÖ inzwischen auch weitgehend schlagerfreie Oldiedudler. ORF Radio Tirol hat sich ebenfalls in den letzten Jahren sehr negativ entwickelt, und DRS1 ist schon lange kein Schlagersender mehr.

Sprich, die Alternativen im UKW-Bereich werden immer weniger und uninteressanter.
 
Genau gesagt MDR1 Radio Thüringen.

Ein Wort noch zu empires Bemerkung:
...Und wahrscheinlich hat Bayern1 eigentlich nur im Interesse der Deuschschlagerfans gehandelt und ein besseres Umfeld geschaffen? In diesem Falle war es einhergehend mit einer Reduzierung des Deutschanteils.

In welchem Interesse BR1 außer in seinem eigenen gehandelt hat, braucht man nicht zu diskutieren. Die Rechnung ist viel, viel einfacher und hat auch rein nichts mit den musikalischen Wünschen únd Vorlieben der Hörerschaft zu tun: Die Umstellung zum Oldieprgramm hat Quote gebracht und damit Geld. Allein das ist der Beweggrund, das Programm auch weiter so zu betreiben. Das Fatale an der Geschichte ist, dass sich durch den Entzug von Schlagerrepertoire über Jahre die Hörerschaft tatsächlich geschmacklich vom Schlager abwendet. Das ist in fünf von 16 Bundesländern schon der Fall und wird sich (leider) fortsetzen.
 
Die Umstellung zum Oldieprgramm hat Quote gebracht und damit Geld

Geld ja, Quote nein (Gründe sind bekannt). Zwischen Geldverteilern und Quotenerhebern gibt es ja leider keine kritische Distanz.

Das Fatale an der Geschichte ist, dass sich durch den Entzug von Schlagerrepertoire über Jahre die Hörerschaft tatsächlich geschmacklich vom Schlager abwendet.

Sofern das Publikum nicht mehr mit deutschsprachiger Musik in Kontakt gerät ist das nur folgerichtig. Über ein Jahrzehnt hatte der Oldiesender keine ernsthaften Revierkämpfe auszufechten, weil die Agenturen keinen Schlagersender hochkommen ließen - ein toller Wettbewerbsvorteil! Und die lange Zeit ebenso oldielastige Lokalschiene schlug man dank höherer journalistischer Kompetenz bravourös aus dem Felde. Da spielte es keine Rolle, dass die Hörer der kommerziellen Kleinsender in der Regel deutlich jünger waren als die B1-Klientel, die neben in der Wolle gefärbten Oldiefreaks alle "Übriggebliebenen" und "Heimatlosen" umfasste, die zumindest vernünftig informiert werden wollten.

Wer keine deutsche Musik kennenlernt, kann keine deutsche Musik nachfragen - immerhin war das Radio bis vor kurzem das wichtigste Promotionsmedium für musikalische Neuerscheinungen. Die Jugend bricht gerade weg, es ist nur eine Frage der Zeit bis auch die Älteren auf den Trichter kommen.
 
Sehr richtig, rico, was Deinen zweiten Teil anbetrifft.

Aber richtig ist doch, dass BR1 seit Umstellung an Quote heftig zugelegt hat. Soll ich die Zahlen holen?
 
Nur zu! Die Umstellung auf fremdsprachige Musik erfolgte 1996, zunächst ziemlich radikal, dann ruderte man wieder ein bisschen zurück.

Ich kann im übrigen absolut nicht verstehen, wie ein Sender, der mit Schlagern auf Kriegsfuß steht Tony Christie und Engelbert Humperdinck spielen kann - zwei Schmalzbarden ersten Ranges, gegen die Schlageroldies geradezu fetzig wirken.

Sofern man den Berichten hier Glauben schenken darf, sind MDR1 und ORF OÖ inzwischen auch weitgehend schlagerfreie Oldiedudler. ORF Radio Tirol hat sich ebenfalls in den letzten Jahren sehr negativ entwickelt, und DRS1 ist schon lange kein Schlagersender mehr.

Sprich, die Alternativen im UKW-Bereich werden immer weniger und uninteressanter.

Die österreichischen Lokalradios sind chronisch unterfinanziert, da ist der Weg zum Berater nicht weit. DRS1 ist eigentlich ein Wort- und Informationsprogramm, das außerhalb dinerser WuKos, "Specials" und Volksmusiksendungen Musiktitel nur zu Auflockerungszwecken einbindet.
 

Mann. Also bitte.
Zahlen durchschn. Nettostundenreichweite in Tausend:

1999: 845
2000: 812
2001/II: 851
2002/I: 838
2002/TT: 783
2003/I: 794
2003/II: 876
2004/I: 846
2004/II: 828
2005/I: 826
2005/II: 757
2006/I: 718
2006/II: 707
2007/I: 725
2007/II: 726
2008/I: 748
2008/II: 835
2009/I: 1.024
2009/II: 1.082
2010/I: 1.145
2010/II: 1.275
2011/I: 1.154
2011/II: 1.137

Keine Zuwächse?
 
Und wieder mal ist ricochet widerlegt. Engelbert und Tony Christie sind crooner und vor meiner Zeit. Aber "Winterworld of love" ist so einer der Titel, die im Moment hervorragend ins Programm passen.
 
So ganz verstehe ich diese Diskussion nicht.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Es ist doch keineswegs so, dass es in Bayern keinen Schlagersender gäbe!
Bayern Plus sendet rund um die Uhr Schlager und Volksmusik und das terrestrisch und landesweit in digitaler Qualität ohne Rauschen und Kratzen...was will man mehr?

Wer außerhalb Bayerns lebt, kann via Web auf ein Programm wie dieses zugreifen: http://memoryradio.de
Dort laufen den ganzen Tag lang auf zwei Streams ältere Schlager, darunter sowohl Klassiker, als auch Raritäten.
Eine Flatrate gibt es schon für unter 20€ und ein WLAN-Radio wie das Noxon iRadio bekommt man gebraucht oder als B-Ware bei Ebay bereits für etwa 60€. Letzteres braucht man nur an die Stereoanlage anschließen und hat damit einen ausgezeichneten Klang.

Ich würde mir auch gerne ein Programm mit Funk und Soul wünschen; das finde ich noch nicht einmal via DAB(+). Also bleibt mir nichts anderes übrig, als Internetradio zu hören.
Wenn ich über einen längeren Zeitraum unterwegs bin, zeichne ich zuvor mit dem Streamripper die Sendungen eines Webradios auf, die ich dann mit dem MP3-Player abspiele; die Musik bei den Internetradios kommt eh von einer Festplatte, da kann ich das ganze auch in der Aufzeichnung nachhören.

Mit der Rundfunklandschaft in Deutschland bin ich genausowenig zufrieden, wie die meisten Schreiber hier im Forum, aber daran können wir alle nichts ändern.
Was gesendet wird und was nicht, entscheiden nicht die Hörer, auch nicht die Moderatoren, sondern die Musikredakteure, und wenn diese deutschsprachige Musik inzwischen fast genauso massiv ablehnen wie Classic R&B, dann bleibt als Alternative lediglich die Möglichkeit, dem UKW-Rundfunk den Rücken zu kehren, bzw. UKW nur noch für Wortprogramme zu nutzen.
Für mich ist UKW inzwischen so gut wie tot: Ab und zu die Nachrichten auf dem BRF, DLF oder WDR 5...ansonsten höre ich praktisch keine UKW-Programme mehr. Die bringen eh nicht jene Musik, die mir zusagt.
 
Das mit den Musikredakteuren ist so eine Sache... Inwieweit sie darüber entscheiden was an Musik läuft.
Nachdem aber hier im Forum über den Einfluß der Berater geschimpft wird:
Als die Musikredakteure noch alleinige Lenker waren hatten sie damals schon deutschsprachige Musik abgelehnt. Beziehungsweise eine ausgeprägte Aversion entwickelt. So Jürgen Drews in einem Interview, Originalaussage, bezogen auf die 70er Jahre. Und in seinem Selbstverständnis empfindet er sich als Deutschpop-Lieferant und sieht sich selbst gar nicht in der Schlagerschublade.

Im Gegensatz zu ricochet behaupte ich mal daß die Hörer deutschsprachiger Musik, insbesondere Schlager herkömmlicher Art, etwas älter sind. Für diese Hörer ist es schwer sich umzustellen. Neue Technologien, neue Geräte, Internet, W-LAN usw. Das sind solche Felder und Begriffe bei denen die meisten der 50+ - Generation hilflos davorstehen. Über die Hälfte weiß nicht einen Computer zu bedienen. Dieser Hörerschicht wäre ein UKW-Angebot sicherlich lieber.

Wobei ich nicht gesagt habe daß nur und ausschließlich ältere Hörer Schlager bevorzugen. Es gibt auch einen erklecklichen Anteil Fans solcher Musik in den anderen Altersgruppierungen. Das als prophylaktische Bemerkung bevor ein gewisser User wieder etwas über schweigende Mehrheiten schwadroniert.
merry christmas
 
empire1970 schrieb:
Als die Musikredakteure noch alleinige Lenker waren hatten sie damals schon deutschsprachige Musik abgelehnt. Beziehungsweise eine ausgeprägte Aversion entwickelt.
Wenn man insbesondere den Schlager als Pars pro toto für die deutschsprachige Musik betrachtet, kommt dies nicht von ungefähr: Dieser verkörpert wie kaum eine andere Musikrichtung eine kleinbürgerliche Spießigkeit und ein überzogenes Deutschtum. Das Gleiche gilt analog für den niederländischen Schlager.
Zwei Namen verdeutlichen bestens, was ich meine: Heintje und Heino.

Ist es nicht bezeichnend, dass es im angelsächsischen Raum kein Pendant zum Schlager gibt?
Gleichzeitig fällt auf, dass umgekehrt jazz- und R&B-lastige Stilrichtungen nie einen wirklich nennenswerten Anklang in der deutschen Musikszene gefunden haben: Boney M mit seinen überaus schmalzigen Songs war die einzige deutsche R&B-Band, die in der Vergangenheit eine gewisse Popularität erlangen konnte.
 
Die kleinbürgerliche Spießigkeit ist nicht von der Hand zu weisen, aber nicht durchgängig. Auch Heino ist nicht unbedingt den Konservativen zuzuordnen, wie ich kürzlich erfahren habe.

Im englischsprachigen Raum gab es genug crooner. Von Matt Monroe über P.J.Proby bis Engelbert. Eine besondere Bezeichnung hatte man dafür nicht, es war eben Pop. Wenn man von von einem Pendant sprechen kann ist es die C&W-Musik.

Daß schwarz gefärbte Musik in Deutschland kein Pendant gefunden hat lässt sich historisch erklären. Unterschiedliche Entwicklungen und Traditionen. Blues und Soul sind eben in den USA entstanden. Zwischen New Orleans und Detroit.

Boney M. als deutsche bzw. deutsch produzierte R&B-Band zu bezeichnen halte ich für sehr gewagt. Farian ist da sicherlich anderer Meinung. Allgemein wird Boney M. in der 70er-Disco-Schublade abgelegt.
 
empire1970 schrieb:
Boney M. als deutsche bzw. deutsch produzierte R&B-Band zu bezeichnen halte ich für sehr gewagt. Farian ist da sicherlich anderer Meinung. Allgemein wird Boney M. in der 70er-Disco-Schublade abgelegt.
Stimmt. Ich wollte nur nicht so weit gehen, zu behaupten, dass es in Deutschland überhaupt keine Funk-Band mit einer gewissen Reputation gegeben hat. Eine Gruppe wie bspw. Malcolm's Locks ist ja weitgehend unbekannt.

Vielleicht kennt jemand die beiden German Funk Fieber-Compilations. Da sind einige spitzenmäßige Tracks drauf, die allerdings, nachdem sie in den 70er Jahren rausgebracht wurden, sich als totale Misserfolge erwiesen.
Ein Stück wie "Es geht" von der "Was Tun Band" ist ein echter Hammer!
 

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Ich wollte nur nicht so weit gehen, zu behaupten, dass es in Deutschland überhaupt keine Funk-Band mit einer gewissen Reputation gegeben hat.

Supermax wäre da zu nennen, die waren international sehr erfolgreich. Boney M hingegen bestand zwar aus schwarzen SängerInnen, deren seichtes Geträller meist auch meine Laune schwarz färbt, mit "black music" hat das trotzdem nur sehr wenig zu tun. o_O
 
In welchem Interesse BR1 außer in seinem eigenen gehandelt hat, braucht man nicht zu diskutieren. Die Rechnung ist viel, viel einfacher und hat auch rein nichts mit den musikalischen Wünschen únd Vorlieben der Hörerschaft zu tun: Die Umstellung zum Oldieprgramm hat Quote gebracht und damit Geld.

Und wozu?
Bayern 1 ist ein öffentlich-rechtliches Programm und hat es überhaupt nicht nötig, auf die Quote zu schauen. Bzw. SOLLTE es nicht nötig haben...
 
Nachdem ich lese, dass es zum einen neben deutschem Schlagerrepertoire auch andere Genres gibt, die sogar noch weniger im Radio stattfinden (wie Soul und Funk oder meinetwegen Speedmetal), und zum anderen die Frage gestellt wird, warum ÖR-Programme Quote machen wollen, sind wir kreisdrehend wieder am Anfang der Diskussion angelangt. Super!

Weil aber das heilige Fest naht, will ich dem exhörer mal versöhnlich antworten: Du hast Recht, ein ÖR-Programm sollte nicht auf Quote aus sein. Ist es aber. Weil (die Antwort steht doch in meinem Zitat), weil eine höhere Quote und ein größerer Marktanteil mehr Geld einfährt.

Inzwischen ist dieses krampfhafte Bemühen um Quoten und Marktanteile längst Maxime des beruflichen Handels nicht nur in der Entscheidungsebene, sondern leider schon bei den Wort- und und Musikredakteuren, bei Moderatoren und zuliefernden Mitarbeiten angekommen. Um die Hörer da draußen im Lande geht es schon lange nicht mehr.

Frohes Fest!
 
Was hat Bayern 1 eigentlich 2011 gemacht, die Quotenzahlen von oben (count down, Beitrag #706) sind ja wieder rückläufig!

@ count down:
Woher hast Du diese Quoten eigentlich? Privatarchiv oder gibt's da eine Webseite?
 
Abgespeichert. Ich weiß gar nicht, ob die Auswertungen irgendwo online stehen. Bei der agma und bei RMS habe ich jedenfalls nichts gefunden.
 
Der in Frankfurt wohnhafte Produzent Kurt Hauenstein hatte mit Supermax tatsächlich Deutschlands einzige Funkband und nur einen Megahit. Oder sagen wir fast: Es gab noch Randy Pie, die sich auch als Band mit einem Funk-Soul-Einschlag verstanden. Und diese Band hatte sogar in England einige minor hits.

count down schrieb:
Inzwischen ist dieses ..... Bemühen um Quoten und Marktanteile längst Maxime des beruflichen Handels nicht nur in der Entscheidungsebene, sondern leider schon bei den Wort- und und Musikredakteuren, bei Moderatoren und zuliefernden Mitarbeiten angekommen
Das kann ich bestätigen. Dass es nur noch um Geld wegen des Geldes geht ist das Pferd von hinten aufgesattelt. Sparzwang, die GEZ-Einnahmen gehen zurück, der Werbekuchen wird kleiner, Einbrüche bei der Anzahl der gebuchten Radiospots und Werbekunden und dann noch die teilweise phantastischen Gagen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
 

Wenn man an die MA glaubt ja. Es handelt sich aber wieder mal nur um fragwürdig ermittelte Spitzenreichweiten, nicht um tatsächliche Marktanteile. Ich möchte darauf hinweisen, dass "Bayern 1" schon 1999 ein schlagerfreier Popsender war, der streckenweise heftiger klang als heute. Zwischenzeitlich kamen wieder ein paar "Kultschlager" in die Rotation, bis man auch sie fallen ließ.

Wie waren die Zahlen vor 1996? Interessant wäre der Vergleich 1995-2000.

Und wieder mal ist ricochet widerlegt. Engelbert und Tony Christie sind crooner und vor meiner Zeit. Aber "Winterworld of love" ist so einer der Titel, die im Moment hervorragend ins Programm passen.

Engelbert und Tony machten Neuzeitschlager auf Englisch, Engelbert hat ein paar Crooner-Balladen aufgenommen, aber der Großteil ist Plastikmucke. Wichtige Namen aus diesem Genre sind Frank Sinatra, Bing Crosby, Bobby Darrin, Al Martino, Dean Martin, Perry Como und anteilsweise Tom Jones. Ein bekannter deutscher Crooner war übrigens Gerhard Wendland.

Im englischsprachigen Raum gab es genug crooner. Von Matt Monroe über P.J.Proby bis Engelbert. Eine besondere Bezeichnung hatte man dafür nicht, es war eben Pop. Wenn man von von einem Pendant sprechen kann ist es die C&W-Musik.

Um deine Musikkentnisse scheint es ja nicht sonderlich gut bestellt zu sein. Erstens ist C&W ein obsoleter Begriff, der nur noch in England gebraucht wird, andererseits war Country nie Crooner-Musik. Aber wenn du auf klassische Mainstream-Interpreten wie Patsy Cline oder Jim Reeves abzielst hast du natürlich recht.
 
Wenn man insbesondere den Schlager als Pars pro toto für die deutschsprachige Musik betrachtet, kommt dies nicht von ungefähr: Dieser verkörpert wie kaum eine andere Musikrichtung eine kleinbürgerliche Spießigkeit und ein überzogenes Deutschtum. Das Gleiche gilt analog für den niederländischen Schlager.
Zwei Namen verdeutlichen bestens, was ich meine: Heintje und Heino.

Das istz ein sehr chauvinistischer Beitrag, Internetradiofan. Es gibt doch in jedem Land Musikrichtungen, die auch traditionelle Werte reflektieren. Wo um Himmels Willen ist Heino deutschtümelnd? Sind Volkslieder etwa rechtsextrem? :mad: Die Hochnäsigkeit, mit der Teile der selbstverliebten Nach-68-Revolutionen auf die deutsche Musik herabblicken ist geradezu abstoßend, musst du wirklich ohne groß nachzudenken ins selbe Horn stoßen? Es gab zu allen Zeiten großartige Schlagerhits, die im Radio Riesenerfolge feierten und auch noch bei der heutigen Jugend als voll partytauglich gelten. Und es gab genug First-Class-Productions mit großen Stimmen, man denke nur an Katja Ebstein, Paola oder Ingrid Peters.

Das anglomanische Dudelradio hat halt überall im Land seine unauslöschlichen Spuren hinterlassen.

Ist es nicht bezeichnend, dass es im angelsächsischen Raum kein Pendant zum Schlager gibt?
Gleichzeitig fällt auf, dass umgekehrt jazz- und R&B-lastige Stilrichtungen nie einen wirklich nennenswerten Anklang in der deutschen Musikszene gefunden haben: Boney M mit seinen überaus schmalzigen Songs war die einzige deutsche R&B-Band, die in der Vergangenheit eine gewisse Popularität erlangen konnte.

R&B und Latino-Pop waren über Jahrzehnte hinweg zu 50% kitschtriefende aber gut gemachte Schmalzmusik. Country ist durchaus bodenständig, aber modern. Mit Klischees sollte man gaaanz vorsichtig sein. Nun ja, was weiß der Deutsche schon über angelsächsische Musiktraditionen. Die einzige Informationsquelle war bis vor kurzem ja das deutsche Radio...

Nachdem ich lese, dass es zum einen neben deutschem Schlagerrepertoire auch andere Genres gibt, die sogar noch weniger im Radio stattfinden (wie Soul und Funk oder meinetwegen Speedmetal), und zum anderen die Frage gestellt wird, warum ÖR-Programme Quote machen wollen, sind wir kreisdrehend wieder am Anfang der Diskussion angelangt. Super!

Wie wahr...

Ebenso Frohes Fest!

Inzwischen ist dieses krampfhafte Bemühen um Quoten und Marktanteile längst Maxime des beruflichen Handels nicht nur in der Entscheidungsebene, sondern leider schon bei den Wort- und und Musikredakteuren, bei Moderatoren und zuliefernden Mitarbeiten angekommen. Um die Hörer da draußen im Lande geht es schon lange nicht mehr.

Das ist die weiseste Erkenntnis, die ich seit langem hier gelesen habe, Respekt! Alle versuchen sich mit den selben Rezepten auszustechen und blicken neidvoll auf jedes Quäntchen Hörerzuwachs, das der weitgehend identisch klingende Mitbewerber zu verzeichnen hat. Außerdem schmort die Szene schon lange im eigenen Saft, der nüchterne Blick von außen wird da nur noch als Bedrohung empfunden. Die Berater und Experten kommen alle aus der selben Tretmühle und tischen jedem dieselben ausgelutschten Strategien auf, dabei merkt man gar nicht mehr, wie sehr die Hörer das Gebotene anödet.
 
Nur mal zur Erklärung für die "Jüngeren" unter uns, für die, die das Ende der 50er- und die gesamten 60er Jahre nicht selbst erleben konnten, da sie noch geboren waren.
Zitat von Internetradiofan: "Ist es nicht bezeichnend, dass es im angelsächsischen Raum kein Pendant zum Schlager gibt?" Zitat Ende.
Mit dieser Aussage kann nur GB gemeint sein. Denn in Deutschland wurde der in GB benutzte Begriff "Hit" einfach zu "Schlager" eingedeutscht. Es gab dann irgendwann die "Schlagerparade" und kurz darauf die "Hitparade". Wobei "Hitparade" nicht nur auf "Schlager" bezogen war.
Da konnten die Stones, Beatles, Nancy Sinatra oder Elvis vorkommen. Der Begriff "Schlager" war den deutschsprachigen "Hits" vorbehalten, das galt auch für eingedeutschte Titel, die im Ursprung in Englisch gesungen (geträllert) wurden.
Bestes Beispiel sind hier Peter Kraus und Ted Herold.

In den USA war es zu diesem Zeitpunkt in den 50er und 60gern schon völlig anders. Wer bereits damals die Möglichkeit hatte AFN zu hören, so wie ich als "Musiksüchtling", kann das bestätigen.
C&W war (ist) für die US-Amerikaner das Pendant zur deutschen Volksmusik, einfach dadurch begründet, dass die USA als Melting Pot erst entstanden sind, als es Volksmusik in Europa bereits in jedem Land gegeben hat.

2Stain
 
C&W war (ist) für die US-Amerikaner das Pendant zur deutschen Volksmusik, einfach dadurch begründet, dass die USA als Melting Pot erst entstanden sind, als es Volksmusik in Europa bereits in jedem Land gegeben hat.2Stain

Im Großen und Ganzen hast du völlig recht. Die Wurzeln von Country liegen im britischen Folk, wobei auch kontinentaleuropäische Traditionen durchschlugen. Durch die Verbindung von Rock, Blues und Country entstand der Rockabilly, der als frühe Hauptströmung der "Rock'n'Roll"-Bewegung auch in Deutschland populär wurde. Seit der ersten kommerziellen Blüte der Country-Musik in den 50ern gibt es eine Vielzahl von Stilrichtungen und Subgenres, die vom Country-Rock über den Country-Blues und Swing hin zu allen erdenklichen Pop-Modernisierungswellen reichen. Die Grenze zwischen Folk und Country ist in der Songwriter-Szene praktisch aufgehoben. Im Radio hat der Country-Rock den Mainstream-Rock längst ausgestochen und traditionelle Spielarten wie Bluegrass und Cajun existieren weiterhin.

Im R&B-Bereich liegen die Wurzeln im volkstümlichen Black-Gospel- und Bluesbereich, spätere Entwicklungsstadien brachten verschiedenste Elemente des Jazz hervor und kulminierten mit dem kommerziellen Soul in einer Gesangstechnik, die auch im rhythmischen Bereich (Soul-Disco, Rhythm and Blues) stilbildend war. Im Zuge einer ethnischen Rückbesinnung (afrikanische Traditionen) und Protestbewegung entwickelte sich in den ärmeren Stadtteilen der jugendliche Rap, in dem soziale Probleme, Gang-Streitigkeiten und persönliche Angelegenheiten abgehandelt wurden (Liebe, Freundschaft etc.). Der Rap war auch fester Bestandteil der Hip-Hop-Bewegung, eines Rhythm-and-Blues-Derivats, das über den Breakdance früh Eingang in die jugendliche Popkultur fand.
 
@ricochet
Für diesen ausführlichen und nachvollziehbaren Ausflug in die Entstehung und Weiterentwicklung des C&W gibt's für mich nur eins:
Alle Daumen hoch!

2Stain
 
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