Ach herrje, Radio Eins. Was habe ich vor Jahren immer gezittert, wenn die MA rauskam. Und immer ganz schnell geschaut, wie es Radio Eins ergangen ist, aus dem von mir unterstellten Automatismus heraus "wenn die Quote sinkt, werden sie mein geliebtes Radio Eins inhaltlich ruinieren".
Später bin ich beinahe mal aus einer Mitfahrgelegenheit Berlin-Thüringen schon am Funkturm rausgeworfen worden, weil ich es wagte, den Fahrer zu fragen, ob er das hirnerweichende Geschnatter von Wieprecht und Skuppin und irgendwelcher per Telefon zugeschalteter, sich hip und cool findender Hörer (vermutlich Prenzlauer Berg-Klientel) ausschalten könnte. Da war meine Radio-Eins-Nutzung schon auf genau zwei Sendungen zusammengeschrumpft.
Und heute? Habe jetzt erstmal nachgeschaut, ob die beiden Sendungen überhaupt noch existieren: tatsächlich, "Lost in Music" mit Jürgen König und "Freistil" mit Holger Luckas gibt es noch. Die sind mir auch verlorengegangen. Erst mit viel Frust, weil seit August 2011 aufgrund der Aufschaltung des unfassbar abartigen und ekelhaften UKW-Soundprocessings auch auf die digitalen Wege (DVB-S) die Sendungen nicht mehr anhörbar waren. Hätte mein Jugendweihe-Recorder 1987 in einer solchen "Qualität" auf Kassette aufgenommen, wie Radio Eins klingt, ich hätte ihn reklamiert.
Inzwischen ist der Frust weg, weil ich einfach keine Energie mehr in das Thema investiere. RBB habe ich mit Ausnahme des Kulturradios nicht mehr im Senderspeicher, und die Nutzung beschränkt sich da auch letztlich auf "Auftragsmitschnitte" für eine alte Dame, die einst selbst viel für den Rundfunk gemacht hat - z.B. die hervorragende Akustik der Säle und Studios in der Nalepastraße. Wenn ich mal Radio höre, dann Bayern 2 - klingt weitgehend anständig, veranstaltet weder Schnellsprechwettbewerbe noch pseudointellektuelles Gehabe, ist deutlich näher dran an meiner unszenigen Lebensrealität, hat oft die inzwischen für mich passendere Musik (Kann es sein, daß ich alt werde? Ertrage ich schon mit 41 das Geschrammel nicht mehr und wünsche mir was liebevolleres, aber nichts billiges?) und ist für meine Begriffe das, was Radio Eins ständig behauptet zu sein: Radio für Erwachsene.
Geht übrigens auch in Berlin unterwegs, war ein geniales Gefühl, als Beifahrer in einem Auto zu sitzen, durch die Vorhölle von Schöneweide zu fahren und dabei was Gediegenes im Radio zu hören. Bissl wie in einem Raumschiff, draußen lebensfeindliche Umgebung, drinnen gut geschützt und behütet...
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Wie unerwachsen Radio Eins ist, merkte ich, als ich als einstiger DT64-Hörer im Fühjahr 2014 in diese Sondersendung zum DT64-Festival reinhören wollte. Erstmal mußte ich mir auf dem kleinen Beziehungs-Nebenweg einen anständigen vor-Optimod-Mitschnitt beschaffen, um überhaupt ohne Brechreiz zuhören zu können. Dann merkte ich, daß es dennoch schauderhaft nervt, wenn Marion Brasch versucht, sich beim Sprechen selbst zu überholen. Das war doch 1991 nicht so auf DT64 und auf der Kassette mit einer Sendung von Radio Brandenburg, die ich mal auf einer genialen Mitfahrgelegenheit zu hören bekam, wars auch nicht so. Warum dieses aufgeregte Geschnatter? Mag man das so in Mitte oder Prenzlauer Berg?
Dennoch: alles Gute Anja Caspary für die neue Aufgabe, das ist im Sinne der Kontinuität und Authentizität aus meiner Sicht eine sehr gute Wahl. Der (West)berliner Musik-Underground bleibt damit irgendwie als maßgebliche "Führungskraft" erhalten.
Und wenn der RBB vielleicht irgendwann wieder willens und in der Lage ist, das auch von meinen Gebühren produzierte Programm in anständiger Tonqualität*) anzubieten, bitte einfach bei mir melden. Vielleicht höre ich dann wieder mal in meine 2 einstigen Lieblingssendungen rein, auch wenn ihr mich ansonsten nicht als Hörer bekommt. Danke.
*)
"anständige Tonqualität: siehe/höre z.B. BR Klassik, SWR 2, DLF, D-Kultur, auch noch Bayern 2, obwohl schon deutlich komprimiert