AW: Antenne Bayern: Neujahrs-Musik-Marathon
Die Zeiten haben sich geändert. Die Plattenfirmen haben zahllose PR-Aktivitäten entfaltet und schicken Agenten durch die Welt, die die zentrale Vertriebsschiene der Musikindustrie in ihrem Sinne zu beeinflussen trachten. Es macht ja auch Sinn mit der Radiowirtschaft zu kooperieren, schließlich werden neue Produkte heutzutage ganz überwiegend übers Radio gepusht (Videoclipkanäle gibt es kaum noch und das Internet ist extrem fragmentiert). Als "Hit-Maker" ist das Radio unangefochten, und da nimmt es kaum Wunder, dass die Musikindustrie die Radiostationen als Werbeplattform für ihre Produkte nutzt. Und da man voneinander lebt, arrangiert man sich.
In Amerika sind die meisten Radiosender bereits völlig zur Verfügungsmasse der Plattenfirmen geworden; einerseits sind die Werbeeinnahmen der größeren Hitdudler zuletzt gewaltig eingebrochen, andererseits muss die Musikwirtschaft von Jahr zu Jahr mehr Federn lassen. Die großen Radiobetreiber (Citadel, CBS Radio, Clear Channel usw.) haben eine zentrale Musikkoordinationsabteilung, die die lokalen Stationen sozusagen "fremdbeglückt". Die steuern dann praktisch nur noch regionale Werbespots und kurze Wortbeiträge bei, die Playlist wird ihnen weitgehend vorgeschrieben und trägt deutlich die Handschrift der Musikindustrie.
Die CHR-, Urban-Contemporary-, Modern-Rock und alle reichweitenstarken Country-Stationen sind mittlerweile Abspielflächen nach dem Gusto der Musikindustrie. Nur die AC- und Urban-AC, AOR, Classic-Rock-, ganz besonders aber die regionalen, unabhängigen Countrystationen genießen noch größere Freiheiten bei der Musikauswahl. AC-Wellen spielen ja in erster Linie 70er-, 80er- und 90er-Musik und können somit auf einen größeren Musikbestand zurückgreifen als die Top-40-Dummdudler. Trotzdem hängen sie am Gängelband der Industrie, d.h. es werden nur bekannte Titel gespielt, die heute noch die Kasse klingeln lassen. Das bedeutet: In den Staaten sind nur noch die wirtschaftlich unabhängigen und die Classic-Hit-Formate durchhörbar, der Rest fährt eine extrem enge Rotation.
Lady Gaga und Miley Cyrus sind typisch amerikanische Geldmaschinen, die crossmedial verwurstet werden und vor allem die aufgehäuften Verluste der letzten Jahre auffangen sollen. Sie passen zur morbiden Philosophie des Hit-Radios, die in Amerika ihren Ausgang nahm und allmählich auch die europäische Radiolandschaft zugrunderichtet. Wer nicht genug Platten verkauft und bei den Multis ausgelistet wird, verschwindet auch ganz schnell aus den Playlists der Radiostationen.
Lady Gaga, Robbie Williams oder Beyoncé Knowles - alles nur ein großes Wunschkonzert der "Big Four". Hörerwünsche sind im Radio ja ohnehin kein Thema mehr.